Auf zum Zappeltanz

Die in Halle an der Saale beheimatete Salzwirker-Brüderschaft ist 500 Jahre alt. Die auch Halloren genannten Brüder arbeiten zwar nur noch beim Schausieden als Salzwirker. Aber die rund 50 Mitglieder halten die Traditionen der Brüderschaft lebendig, was ihnen den Eintrag ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes einbrachte. Über die Gründungsgeschichte berichtet Johann Christoph von Dreyhaupt in seiner 1749 erschienenen Chronik. Mit Erlaubnis ihres Landesherrn Kardinal Albrecht hatten die Salzwirker „anno 1524 eine neue Brüderschafft zu Ehren der Jungfrau Marien angerichtet, und dazu allerley Ornat an silbernen Geschirren, Altar-Tüchern und Meßgewandten angeschafft“. Bald schon sorgte Albrecht für grundlegende Veränderungen: Er ließ sich den Ornat aushändigen und wandelte die Betgemeinschaft 1525 in eine Berufsgenossenschaft um.
Der Salzgraf übte als Statthalter des Landesherrn die Aufsicht und Gerichtsbarkeit über die Salzarbeiter und deren Pfänner genannte Dienstherren aus. Auf die Magdeburger Erzbischöfe folgten ab 1680 die Hohenzollern als Landesherren. In Konkurrenz zur rückständigen, mit mehr als 100 kleinen Siedehütten bestückten Saline im Thale zu Halle nahm 1721 auf einer Insel in der Saale die nach modernen Methoden produzierende Königlich Preußische Saline den Betrieb auf. Sie wurde 1868 von der Pfännerschaft übernommen, die ihre alten Produktionsstätten aufgab. Seitdem ist der heute Hallmarkt genannte Platz unterhalb der Marktkirche leer. Mit szenischen Reliefs geschmückte Bodenplatten markieren die Lage der stillgelegten Solebrunnen.
Ein Grabgeleit
Im Kunstmuseum Moritzburg sind altehrwürdige Hallorengläser ausgestellt. Diese zum festlichen Umtrunk genutzten Humpen sind mit einem Hallorenumzug in bunten Festkleidern, Salzwirkern in luftiger weißer Arbeitskleidung oder einem Leichenbegängnis in schwarzer Tracht bemalt. Das Leichentragen war früher ein Privileg der Salzwirker-Brüderschaft. Noch heute kann man sie zum Grabgeleit engagieren.
Das Festkleid der Halloren entspricht noch immer der 1843 erlassenen Kleiderordnung. Die Halloren tragen einen schwarzen Dreispitz. Ihre Latz genannte Weste hat achtzehn kugelförmige Silberknöpfe, deren unterster die Weste mit der schwarzen Kniebundhose verknüpft. Der als Pelz bezeichnete blaue oder rote Mantel wird nur von einem am Kragen befestigten Haken zusammengehalten. Die Strickstrümpfe sind weiß oder blau, die mit einer Silberschnalle versehenen Lederschuhe schwarz. An Abwandlungen erkennt man Halloren mit besonderem Amt.
In ungeraden Jahren ruft die Brüderschaft zum Pfingstbier. Beim Umtrunk werden die wertvollen Becher aus dem Silberschatz der Halloren geleert. Der älteste stammt von 1671 und ist ein Geschenk zum Dank für Hilfe in der Feuersnot. Öffentlich in Erscheinung tritt die Brüderschaft zudem alljährlich beim Laternenfest mit Fischerstechen und bei dem Salinefest mit Schausieden. In geraden Jahren feiern die Halloren das Sonnen. Bei dem werden die historischen Fahnen und Waffen in die Sonne gelegt.
Ein Kuriosum ist der von blumenbekränzten Halloren aufgeführte Zappeltanz. Die Tanzpaare stemmen die Hände in die Hüften, hüpfen umeinander herum und versuchen, dem Gegenüber ein Bein zu stellen. Die Darstellung eines ganz besonderen Zappeltanzes hängt in der gotischen Moritzkirche. Am Samstag vor dem dritten Advent gedenken die Halloren hier ihrer Verstorbenen. Über einer Kerze und einem Brocken Siedesalz hängt das von Arne Kästner 1996 geschaffene Relief mit einem Halloren und dem als Skelett dargestellten Tod beim Zappeltanz. Frohgemut werden so die Überwindung des Todes und die Hoffnung auf das ewige Leben beschworen.
Früher bewahrten die Halloren in der Sakristei der Moritzkirche ihre wertvolle Habe auf. Derzeit werden zwei große Hallen der 1967 stillgelegten Saline als Salinemuseum hergerichtet, das Ende 2025 mit den Schätzen der Salzwirker-Brüderschaft eröffnet werden soll.
Informationen
Veit-Mario Thiede
Veit-Mario Thiede ist Journalist. Er lebt in Kassel.