Spaß für Kinder

Kühns schönes Vermächtnis

Rolf Kühn (1929–2022) machte da nicht viel Federlesen: „Der Himmel ist weit, und ein Vogel muss frei sein und fliegen können. Das ist Jazz.“ So hat ihn dieser Klarinettist von Weltrang, Komponist und Bandleader auch gelebt und gespielt – polyglott mit ganz eignem Stil: Sein warmer, satter Ton von präziser Schärfe, die kreative Neugier und seine Zugewandtheit sind Legende wie er selbst.

Für Kühn war Jazz das Idiom der Freiheit. Mit seinem vorzüglichen Mehr-Generationen-Quartett, 2018 für Yellow + Blue zusammengestellt, hat er kurz vor seinem Tod die zehn Stücke von Fearless eingespielt. Bassistin Lisa Wulff (* 1990) schwelgt vom „Miteinander auf Augenhöhe“, Percussionist Túpac Mantilla (* 1978) spürt nach wie vor eine „Energie absoluter Aufregung und Freude“ und Pianist Frank Chastenier (* 1966) in Kühns Soloschlusskadenzen der Balladen „die komplette Jazzgeschichte, die er in sich trug“. Elegant hatte Kühn alle Farben zwischen free, hot, cool, Swing und loungig, Jazzrock, Psychedelic, Neuer und Filmmusik drauf. Stets ist Platz für das, was er am Jazz liebte: Begegnung, Offenheit, spontane Entwicklung – auf dass es eben passiert. Erfüllte Augenblicke. Nicht suchen, finden. Drei Cover sind dabei: The Summer Knows von Michel Legrand, Eric Claptons Tears In Heaven und von Leonard Bernstein Somewhere aus der West Side Story – mit Streichern vom Rodrigo Bauzás Cuareim Quartet ergänzt. Kühn hatte gerade bei einem großen Auftritt in der Elbphilharmonie mit dem Geiger erstmals gespielt und sich von ihm Ergänzungen gewünscht. Unmittelbar vor dem sanften Somewhere steht Fun for Kids, eine Art Hörspiel-Miniatur, die alle Register zieht: Erst luftig-wuchtig schreitender Einzug in die Manege, dann saugt es einen im Mittelteil effektstark in den Alice-Tunnel, als rauschte man durch den Kaninchengang in eine White-Rabbit-Anderwelt voller Stimmen, Bilder und Gestalten, bis einen das durchweg brillierende Quartett reich gehört wieder in den faszinierenden Zirkus entlässt.

Das bildreiche Album steckt voller Begegnungen, ist ein Fest fürs Hören wie für die Imagination und hat immens viele Facetten. Das titelgebende Fearless etwa rockt, swingt und tanzt Bass- und Drums-getrieben auf das Parkett. Man mag erst an Henry Mancinis Pink-Panther-Theme denken. Und dann ist auch hier wieder viel Platz für Entdecken, Frage, Gegenrede, Rempeln und Umarmen. The Summer Knows folgt zärtlich-einträchtig. Die Dynamik sitzt perfekt – das Album ist ein spielfreudiger Gruß an das Leben. Wo Luther zum Schluss mal besser fleißig Apfelbäume gepflanzt hätte, statt zu toben, übte der als Jugendlicher wegen seiner jüdischen Mutter tödlich bedrohte Kühn bis zum Ende täglich mehrere Stunden Klarinette. Man spürt es am Ton. Untergegangen ist seine Welt nicht, wie das Album posthum aufs Schönste beweist.

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