POKE und PEEK

Warum die Retro- und Hackerszene der Freiheit dient
Foto: Jule Roehr

Es wird wieder gepokt und gepeekt in der Welt. Eine kleine Welle läuft durch das Land, Menschen, wollen verstehen, wie was ist, wie was geht, wie was funktioniert. Sie wollen nicht mit Blackboxes hantieren, sich irgendwelchen Technikkonzernen auf Gedeih und Verderb ausliefern. Ich ge­höre auch zu diesen Retrofans, die alten vermeintlichen Elektronikschrott, wieder zu neuem Leben erwecken. POKE und PEEK, die uralten Basic-Befehle, mit denen man auch auf Speicher­adressen direkt im Com­puter zugreifen kann, sind mein Schlachtruf.

Mit POKE, alles immer in Großbuchstaben, schreibe ich unmittelbar in einen Computerspeicher, mit PEEK kann ich Informationen an jeder beliebigen Speicherstelle auslesen und dann in die Computersprache Basic, Assembler und in Maschinencode umsetzen. Jeden Adressbereich zur Ansteuerung des Bildschirms oder von selbstentworfenen Peripheriegeräten muss man sich selbstständig erarbeiten. Und ein Programmierfehler kann den ganzen Computer schrotten. Wunderbar!

Wir stöhnen oft über die Schnelllebigkeit unserer Zeit, aber das viel größere Problem ist nicht die Geschwindigkeit, sondern der permanente Kontrollverlust über unser eigenes Tun. Wenn ich eine Suchanfrage bei Google starte, weiß ich nicht, welche Algorithmen die Ergebnisse beeinflussen. Mein Handy ist sowieso eine Blackbox, in der ich noch nicht einmal den Akku selbst wechseln kann, und die Künstliche Intelligenz entzieht mir die Kontrolle über mein Leben fundamental. Ich bin ein Freund der technischen Entwicklung und habe selbst zu viele elektronische Spielzeuge unserer Konsumwelt. Trotzdem sehne ich mich nach den Dingen, die ich überschauen kann. Ist die Welt dafür zu komplex, zu globalisiert, zu kompliziert? 

Nein, das glaube ich nicht. Die Dinge sind deshalb so undurchschaubar, weil man so besser den Konsum mit ihnen steigern kann. Was muss der Kunde schon wissen, wie eine Sache funktioniert – nutzen soll er sie und sich nach der nächsten Version sehnen. Letztlich geht es um Gewinn und manchen Potentaten auch noch um Kontrolle. Ein Blick nicht nur nach China zeigt, wie schnell die Freiheit in einer digitalen Wolke zerplatzen kann. Gesichtserkennungs­kameras an jeder Straßenecke, die riesige Datenbanken füttern, und ein Staat, der diese Daten zum Erstellen von permanenten Bewegungsprofilen seiner Bürger unkontrolliert einsetzt. Auch in Deutschland wird der Datenschutz immer mehr durchlöchert. 

Die Retro-Szene, die alte Hardware bewahrt, erkundet und repariert, die Maker-Szene, die neue Dinge erschafft, selbst mit den eigenen Händen und dem eigenen Kopf, die Demos-Szene, die beeindruckende Kunstwerke auf Uraltrechnern programmiert, und auch die Hacker-Szene, die sich legal und manchmal auch illegal in fremde Systeme einschleicht, sind Vorkämpfer für unsere Emanzipation über die Konsumgüter um uns herum. Ich möchte mein Handy poken und peeken können, ich möchte in die Tiefen von ChatGPT-Programmierung mit POKE und PEEK vordringen, um zu sehen, was der Algorithmus macht, und ich möchte die Ein­tragungen über mich in den verschiedenen Datenbanken mit PEEK lesen und, wenn ich möchte, mit POKE verändern können. Das ist auch Freiheit.

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