Das Buch Gott bietet 42 polemische Pamphlete – gegen Menschen, die meinen, ohne Gott Mensch sein zu können. Das ist zugespitzt formuliert. Aber es ist schwer, sachlich ein Buch zu besprechen, dessen Autor nicht aufhören kann, in Schwarz-Weiß-Schemen zu denken und gegen Karikaturen zu polemisieren.
Würden wir uns die Texte des evangelischen Theologen Ralf Frisch als ein Gemälde vorstellen, dann sehen wir ein Bild mit zwei Farben. Da ist eine helle, heilende, Farbe: Gott. Und da ist eine grau-schwarze Farbe: der Mensch. Genauer gesagt, der Mensch, der ohne Gott lebt. Aber das sind für Frisch wohl alle Menschen, die nicht sein Gottesbild teilen. Frisch richtet sich gegen Menschen in der Kirche, denen er unterstellt, dass sie das Göttliche ins allgemein Menschliche nivellieren. Sie geben das Heilige preis, indem sie sich der Welt, die den Menschen auf den Thron gehievt hat, anpassen. Frisch richtet sich aber auch allgemein gegen diese gottvergessene Welt.
Da sind die Menschen, denen Gott zu „cismännlich, aggressiv und autoritär erscheint“ und die sich daraufhin „umso unerbitterlicher und inquisitorischer als moralische Wachhunde in Szene setzen“. Da sind die Menschen, die den Versuch unternehmen, „sich in eine politische societas perfecta, also in eine Gemeinschaft der moralisch und ökologisch Reinen und humanistisch Integren zu transformieren“.
Da sind die Klimaaktivisten. Die Klimarebellion gleicht „der so heroischen wie absurden Schlacht von Cervantes’ Don Quixote gegen die Windmühlen …“. Sie ist „eine von vielen Erscheinungsweisen des ohnmächtigen Aufbäumens gegen die endgültige Vernichtung allen Daseins, die kein Mensch verhindern kann“. Da sind die „Fans von Diversität und versöhnter Verschiedenheit“, die im „Namen von Multikulturalität und Pluralität“ die religiösen oder pseudoreligiösen Kräfte unterschätzen. Ihre „selbstzerstörerische postkolonialistische Blauäugigkeit“ bietet die Möglichkeit, die Schwäche unserer Gesellschaft auszunutzen. Ihnen allen gemeinsam, so Frisch, ist, dass sie die Macht der Sünde unterschätzen. Denn Sünde kann nicht „einfach wegdiszipliniert, wegpädagogisiert und wegkontrolliert, also anthropotechnologisch überwunden“ werden. Sünde stellt „einen grundsätzlichen und menschlicherseits unheilbaren Riss im Gefüge der Möglichkeiten des Menschen“ dar. Frisch kämpft mit „Gott“ gegen dieses selbstgerechte „Bessermenschentum“ – und merkt nicht, wie lieblos und selbstgerecht das rüberkommt.
Frisch wehrt sich vehement gegen „das Narrativ, dass wir nicht etwa gottessüchtiger, sondern menschlicher, rücksichtsvoller und toleranter werden müssten. (...) Das Narrativ, dessen Held das demokratische, humanistische Wir ist. Das Narrativ der Aufklärung. Das Narrativ des Gesetzes“. Es ist in den Texten von Frisch viel vom Evangelium die Rede und nur an dieser einen Stelle taucht die Bezeichnung „Narrativ des Gesetzes“ auf. Ein alter Gegensatz wird sichtbar: Gesetz – Sünde – menschliches Tun versus Evangelium – Gnade – Jesus/Gott. Das sind die alten Schläuche, in denen Frisch wortgewaltig seinen vermeintlich neuen Wein anbietet.
Frisch schreibt, dass es Mut erfordert in unserer gottvergessenen Zeit „gegen den Strom allzu blauäugiger Gerechtigkeits-, Schöpfungs-, Demokratie- und Menschenrechtsvergöttlichung“ zu schwimmen. Siehe da: Er hat diesen Mut. Doch Sätze wie: „Häresie ist [heute], wenn man das Dasein zu genießen wagt, ohne fortwährend Nachhaltigkeits- oder Gerechtigkeitskalkulationen anzustellen“, haben mit Mut nichts zu tun. Das Gegenteil ist wahr. Sie passen genau in unsere Zeit.
„Das verbotene Lachen“ heißt ein Kapitel. Frisch schreibt darin unter anderem über „den heiligen Ernst der Klimaschutzheiligen der letzten Tage, die sich grundsätzlich so inszenieren, dass sie nicht lachen. Nie.“ Man fragt sich, warum er selbst nicht merkt, wie humorlos seine Texte sind.
Gerard Minnaard
Gerard Minnaard ist Pastor und Mitherausgeber der „Jungen Kirche“ in Uelzen.