Schatzsuche

Krimidebüt um eine Reliquie

Ein ungeklärter Todesfall, eine geheimnisvolle goldene Reliquie, tibetanischer Buddhismus in Indien, schwarze Magie und ein geplantes Attentat – viele gute Zutaten für den ersten Krimi von Adelheid Herrmann-Pfandt. Die Indien-Expertin, Religionswissenschaftlerin und zeitzeichen-Autorin kann aus einem reichen Wissen über den Buddhismus und vielfältiger Reiseerfahrung schöpfen. Und so ist es wohl kein Zufall, dass die Hauptfigur des Romans eine junge deutsche Indologin ist, die sich auf die Suche nach dem goldenen Stupa macht, einem Gefäß mit einem 2 500 Jahre alten Knochenrest, der Buddha Siddhartha Gautama zugeschrieben wird. Dass sie dabei nicht nur schwarzmagischen Versionen des in westlicher Wahrnehmung vor allem mit dem friedliebenden Dalai Lama verbundenen tibetanischen Buddhismus gefährlich nahe kommt und sich zudem noch eine Liebesgeschichte zu einem indischen Verlagsmitarbeiter entspinnt, macht das Buch zu einem „Cosy“-Krimi, dessen Reiz weniger in Gänsehautmomenten und klassischen Krimi-Effekten liegt. In der Tat nutzt die Autorin kaum Cliffhanger und andere Page-Turner-Techniken. Sie lässt den männlichen Protagonisten sogar den unter Krimi-Aspekten inhaltlichen Höhepunkt der Geschichte, Entführung und geplanter Terrorakt, rückblickend seiner Liebsten bei einem Glas Bier erzählen, so dass die Leser:innen von vornherein wissen, dass alles gut ausgegangen ist.

Das mag den hartgesottenen Krimifreund ein wenig enttäuschen, schont aber die Nerven und macht den Kopf frei für atmosphärisch dichte Beschreibung der nordindischen Stadt Dharamsala, den ungewohnten Einblick in den tibetanischen Buddhismus, der notgedrungen nun in Indien beheimatet ist. Denn darin liegt die Stärke des Buches, das einen mitnimmt in die Klöster, aber auch andere Orte des religiösen und kulturellen Lebens Indiens. Und das auch den religiösen Tourismus und den manchmal befremdlich anmutenden Eifer westlicher Besucher nicht unkommentiert lässt. So sinniert die Protagonistin nach dem Besuch einer langen und folgenreichen Veranstaltung mit dem Dalai Lama im Tempelbezirk von Bodh Gaya über das große Interesse westlicher Sinnsucher an dem religiösen Oberhaupt der Tibeter und seinen Reden über inneren und äußeren Frieden und die Feindesliebe. „Wie merkwürdig es doch ist, dachte Nora, während sie die Speisekarte zurücklegte, dass die Menschen aus dem Westen einen Dalai Lama brauchen, um Wahrheiten ernst zu nehmen, die ihnen aus dem Christentum doch längst bekannt sein müssten.“

Für Freude beim Lesen sorgt auch der Mut der Autorin, die wissenschaftliche Basis der gesicherten Fakten zugunsten der Fiktion zu verlassen. Denn es kommt ja bekanntlich in einem Roman nicht darauf an, dass alles so geschehen ist, sondern dass es so geschehen sein könnte. Zumal Adelheid Herrmann-Pfandt im Nachwort genau erläutert, wo die Fakten aufhören und die Fiktion beginnt. Tatsächlich gibt es einen Stupa, der dem im Buch sehr ähnlich ist, in der Religionskundlichen Sammlung in Marburg, die 1927 von Rudolf Otto begründet wurde. Eine wichtige Szene des Romans spielt auch an diesem Ort. Und dass zumindest ein ähnliches Reliquiengefäß der damals knapp 16-jährige Dalai Lama in den Händen hielt, beweist ein Foto des österreichischen Bergsteigers und Forschungsreisenden Heinrich Harrer aus dem Jahr 1951, mit dem das Buch beginnt. Wer religiös also nicht ganz unmusikalisch ist und selber einen Stupa sehen will, muss nicht sofort nach Indien reisen, Hessen reicht – zunächst.

Fazit: „Der goldene Stupa“ ist ein Roman-Debüt, das weniger als Kriminalgeschichte denn als unterhaltsame und leicht zugängliche Einführung in besondere Facetten Indiens und Tibets und des dort praktizierten Buddhismus überzeugt und sich dafür zu lesen lohnt.

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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