„Unauflösbarer Konflikt“

Der Rat der EKD spricht sich für eine Neuregelung des Gesetzes zum Schwangerschaftsabbruch aus
Paragraph 218 im Strafgesetzbuch
Foto: picture-alliance

Bundestagsabgeordnete wollen mit einem interfraktionellen Gruppenantrag noch vor der Bundestagswahl im Februar das Schwangerschaftskonfliktgesetz ändern. Anders als die katholische Kirche hält die EKD diesen Antrag „im Grundsatz (für) zustimmungsfähig“. "zeitzeichen"-Redakteurin Kathrin Jütte ordnet ein.

Seit einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme steht fest: Die EKD hat ihre Position zum Schwangerschaftskonfliktgesetz geändert. Zwar deutete sich diese Veränderung schon vor einem Jahr an, als der EKD-Rat eine Stellungnahme für die von der Bundesregierung eingerichtete Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin verfasst und veröffentlicht hatte. Doch während es im Herbst 2023 noch hieß, die Schwangerschaft erfordere Regelungen, „die sich nicht rein analog zu Ansprüchen zweier grundsätzlich selbstständiger Individuen gegeneinander bemessen lassen“, geht die neuerliche Erklärung weiter. 

Darin verweist die EKD zunächst auf den „unlösbaren Konflikt“ beim Abbruch. Da sei zum einen der Anspruch des Ungeborenen, geboren zu werden, dem der Anspruch an das eigene Leben gegenüberstehe. Doch im Weiteren stellen die Ratsmitglieder vorne an: „Die einzigartige Situation eines Schwangerschaftskonflikts erfordert Respekt vor der Freiheit und der Verantwortungsfähigkeit der Schwangeren.“ Aus evangelischer Perspektive formuliert der EKD-Rat: „Niemand kann ihr (der Frau) diese Entscheidung abnehmen und niemand darf sie ihr abnehmen. Freiheit, Verantwortung und auch die Möglichkeit, dabei schuldig zu werden, bilden für die evangelische Ethik eine Einheit. Sie sind Grundbestandteile des evangelischen Menschenbildes.“ Aus evangelischer Perspektive sei daher ausdrücklich zu begrüßen, dass die vorgeschlagene Neuregelung einen moralisierend-belehrenden Ton vermeide und jeder Stigmatisierung von Frauen entgegenzutreten versuche. 

Interfraktioneller Gesetzentwurf

Hintergrund der EKD-Stellungnahme ist ein interfraktioneller Gesetzentwurf zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen, den die Bundestagsabgeordneten Ulle Schauws (Grüne) und Carmen Wegge (SPD) initiiert hatten. Er sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche grundsätzlich rechtmäßig sein sollen. Die Pflicht zur Beratung soll bestehen bleiben, dagegen ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Ferner sollen die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs künftig von der Krankenkasse übernommen werden. 

Die EKD spricht sich in ihrer Stellungnahme dafür aus, die „Grundentscheidung“ mitzutragen, den Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frauen in allen Fällen zwar weiterhin strafrechtlich, aber nicht wie bisher im Strafgesetzbuch, sondern in weiten Teilen im Schwangerschaftskonfliktgesetz zu regeln. Davon ausgenommen seien Abbrüche gegen oder ohne den Willen der Schwangeren. 

Ethische Herausforderung

Mit der psychosozialen Beratung könnten die Ansprüche des Ungeborenen sowie der Schwangeren gleichermaßen berücksichtigt werden. Sie müsse daher verpflichtend und Gegenstand einer strafrechtlichen Regelung sein, erklärt die EKD.  Den völligen Verzicht auf eine Wartefrist zwischen Beratung und Eingriff halten die Ratsmitglieder allerdings für nicht adäquat. Sie plädieren für 24 Stunden, wie sie bei anderen schwerwiegenden medizinischen Eingriffen üblich sei.  

Dass die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs zu den schwerwiegendsten ethischen Herausforderungen zähle, macht die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs deutlich. Dies gelte aber nicht nur für den Gesetzgeber, sondern auch für die Zivilgesellschaft. „Ziel ist der effektive Schutz des Lebens, der sowohl dem ungeborenen Leben als auch der schwangeren Frau gilt,“ äußerte sich die Ratsvorsitzende.  Und weiter: „Regelungen allein des Schwangerschaftsabbruches greifen dabei viel zu kurz.“ Zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure seien aufgefordert, zu einem kinder- und familienfreundlicheren Gesellschaftsklima beizutragen.

Bischofskonferenz dagegen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing hatte sich in einer Stellungnahme Anfang Dezember gegen den interfraktionellen Gesetzesentwurf ausgesprochen. Die derzeitige Regelung beinhalte keine Kriminalisierung des individuellen, beratenen Schwangerschaftsabbruchs. „Die Verortung im Strafrecht dient vielmehr dazu, das Bewusstsein vom verfassungsrechtlichen Rang des Rechtsguts des ungeborenen Lebens wachzuhalten. Die geltende Regelung ist auch mit den völkerrechtlichen Anforderungen zum Schutz von Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau vereinbar“, schreibt Bätzing in seiner Stellungnahme. Die angesprochenen grundsätzlichen Fragen bedürften einer sachlichen Erörterung in einem normalen parlamentarischen Verfahren, in dem ausreichend Zeit für den gesellschaftlichen Diskurs und eine angemessene Auseinandersetzung außerhalb und innerhalb des Deutschen Bundestags bleibe.

Nachdem der Rechtsausschuss am vergangenen Mittwoch eine Anhörung des Gesetzesentwurfs auf den 10. Februar festgelegt hat, ist es eher unwahrscheinlich, dass der Bundestag noch vor den Neuwahlen am 23. Februar über den interfraktionellen Gesetzentwurf abstimmt. 

 

Mit der vorgelegten Stellungnahme hat die EKD zeitgleich einen theologisch-ethischen Diskussionsbeitrag veröffentlicht, der „einen innerevangelischen Kompromiss“ formulieren will und sich zudem als „Impuls für eine konstruktive Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen“ versteht. Das Diskussionspapier sowie die Stellungnahme des Rates der EKD zum Schwangerschaftsabbruch sind abrufbar unter www.ekd.de/schwangerschaftsabbruch.

 

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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