Um es vorwegzunehmen: Dieses Büchlein ist allen zu empfehlen, die „Leitung und Verantwortung“ tragen. Wer dabei nur an das Feld der Kirche und aktueller Transformationen denkt, greift zu kurz. Es geht um gute Führung in schwieriger Zeit.
Schon die Einleitung macht neugierig. „Ein Theologieprofessor, ein Marketingexperte und ein IT-Projektmanager treffen sich und sprechen über Gott und Geld. Was wie ein Scherz klingt, ist der intellektuelle Ausgangspunkt dieses Buches.“ Zwischen Theologie und Wirtschaftswissenschaften findet eine anregende Diskussion statt. Diese Disziplinen sind „wie zwei angrenzende Hotelzimmer, die durch eine Tür verbunden sind. Diese Tür aufzumachen, ist das Ziel dieses Buches.“
Ein Leib, viele Glieder, Einheit und Diversität (1. Korinther 12,1–31): Die anthropologische Spannung zwischen Gemeinschaft und Individualität wird nicht als Problem, „sondern als große Energiequelle für das Unternehmen“ angesehen und mit dem paulinischen Bild des Körpers für eine Gemeinschaft entfaltet. In gelungener Weise werden exegetische Einsichten und Managementwissen miteinander verknüpft: „Als christlicher Apostel betont Paulus, dass dieser Kern, dieses Fundament nur derselbe Geist, derselbe Gott sein kann. Manager müssen im Kontext ihrer Unternehmung ein Äquivalent finden, das alles zusammenhält und die Gemeinschaft stärkt.“ Die Suche nach einer gemeinsamen Vision, dem gemeinsamen Warum (Simon Sinek, Golden Circle) wird so eine „wahrhaft paulinische Idee“. Das Bild des Leibes bietet für Unternehmen auf diese Weise eine interessante Allegorie: „Eine Corporate Identity speist sich schon dem Namen nach aus einem Corpus. Wir sprechen deshalb von einer Corpus Identity.“ Die paulinische Steuermannskunst (Kybernesis) hat die Mannschaft im Blick, sorgt für die gemeinsame Ausrichtung, schenkt Vertrauen, hat ein positives Menschenbild und verliert das Ziel nicht aus den Augen.
Führung als Dienst an und als Befähigung von anderen (Epheser 4,1–16): Hier geht es um die Einheit der Kirche in ihrer Vielfalt und eine angemessene Leitung für komplexe Organisationen. Eine starke und gute Selbstführung ist die Voraussetzung für die Führung anderer. Christliche Werte wie Demut, Freundlichkeit, Geduld, Liebe sind Grundlagen dafür. „Führung und Leitung stehen im Dienst der Gemeinschaft der Glaubenden, nicht umgekehrt. Es ist die Gemeinschaft, die im Vordergrund steht und nicht die Führungsfunktion.“
Mose und Jethro: Führen heißt Delegieren (2. Mose 18,13–26 und 4. Mose 11,14–30). Die Führungsperson Mose lernt die Anpassung des eigenen Führungsstils. „Die Kompetenzen und Eigenschaften, die am Anfang erfolgreich machen, müssen sich im Laufe der Zeit anpassen … Gute Führung ist organisch, vital und kontextuell.“ Der überforderte Mose hört auf seinen Schwiegervater Jethro, der so zum externen Berater wird. Er lernt das Abgeben von Verantwortung an Menschen mit vielfältigen Kompetenzen: „Mit dem Geist, der durch Delegation auf viele verteilt wird, ist es wie mit der Liebe Gottes: Beide vermehren sich, wenn sie auf viele aufgeteilt werden.“
Eine lohnenswerte Lektüre, die ihren Ursprung im Hören hat: im Hören aufeinander innerhalb eines interdisziplinären Diskurses und im Hören darauf, was biblische Texte zu grundlegenden Fragen dieser Zeit zu sagen haben. Auch diese Haltung ist für Menschen in Leitung und Verantwortung in Zeiten epochaler Transformationen wesentlich und hilfreich.
Die Tür der zwei angrenzenden Zimmer Theologie und Wirtschaftswissenschaften muss dringend geöffnet bleiben – für alle, die in unruhigen Zeiten Verantwortung tragen.
Peter Burkowski
Peter Burkowski ist Pfarrer i.R. Er lebt in Recklinghausen.