In Resonanz

Singen und Gemeindearbeit

Singen gehört in die Kirche wie das Runde ins Eckige. In der religiösen Praxis nimmt das Singen vor allem wegen seines emotionalen Überschusses eine zentrale Rolle ein. Darüber hinaus hat es eine soziale Dimension. Gesang bringt Menschen miteinander in Resonanz.

Trotz dieser zentralen Bedeutung des Singens für die religiöse Praxis sind die kirchenmusikalischen Kenntnisse von Theolog:innen sowie von Religions- oder Sozialpädagog:innen oft nur gering. Der Band von Michael Schneider liefert Basiskenntnisse, die multiprofessionelle Zusammenarbeit ermöglichen. Darüber hinaus liefert er Impulse für die kirchliche Alltagspraxis. Zugrunde liegt dem Band ein weiter Begriff der Kirchenmusik, welcher diese nicht auf bestimmte Genres verengt. Vielmehr ist von Kirchenmusik immer dann die Rede, „wenn im Raum der Kirche Musik erklingt, wenn mit Musik Gottesdienst und Gemeinde gestaltet wird“.

Der Autor entfaltet eine kleine Geschichte des Kirchenliedes. Die Stärke dieser historischen Reise vom liturgischen Singen der frühen Christenheit bis in die Gegenwart liegt vor allem darin, dass hier nicht allein historische Fakten zur Darstellung kommen, sondern die je spezifische theologische Relevanz des Kirchenliedes für die Glaubenskommunikation akzentuiert wird.

Wesentliches Anliegen des Autors ist es, die Gelingensbedingungen multiprofessioneller Zusammenarbeit auszuloten. Um diese zu ermöglichen, sei die Wahrnehmung der Professionalität von Kirchenmusikern im Kontext von anderen Ämtern notwendig sowie eine Nachschärfung der kirchenmusikalischen Ausbildungsstrukturen im Hinblick auf die Anforderungen einer Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen.

Zudem liefert das Buch praktische Anregungen, die zum Ausprobieren einladen. So wird etwa beschrieben, wie die wichtige Einübung des Singens im Raum der Kirche ganz praktisch durch Monatslieder geschehen kann. Darüber hinaus werden die Chancen einer Kernliederliste für gemeindliche Singpraxis thematisiert sowie praktische Anregungen für gelungene multiprofessionelle Kommunikation gegeben.

Das Buch schließt mit einer Skizze aktueller und zukünftiger Herausforderungen. Das Fehlen personeller Ressourcen führt zu der Aufgabe, Gesang ohne professionelle Musiker:innen zu initiieren. Schneider schlägt hier vor, dass kirchenmusikalische Profis nicht nur die Gemeinden zum Singen bringen, sondern auch Pfarrpersonen in der Anleitung zum Singen schulen. Eine weitere Herausforderung stellt die steigende Individualisierung musikalischer Vorlieben dar. Es stellt sich die Frage, wie mit dieser Heterogenität umgegangen werden kann, ohne sie einzuebnen. Schließlich beschreibt der Autor die spezifische kirchenentwickelnde Dimension der Kirchenmusik. „Das Neue zu reflektieren, es dann aber auch in die Praxis umzusetzen – das ist für das Singen im Raum der Kirche seit jeher konstitutiv.“ In diesem Sinne weist die Musik im Raum der Kirche ein transformatives Potenzial auf, das die Kirche verändert und in die Zukunft führt.

Die besondere Leistung des vorliegenden Bandes liegt darin, dass er im Durchgang durch die mannigfaltigen Themen zu zeigen vermag, dass Kirchenmusik nicht einfach ein Teilsegment kirchlichen Lebens ist, sondern dass die Musik so grundlegend für religiöse Praxis ist, dass hier die kirchlichen Umbildungsprozesse in paradigmatischer Weise Gestalt gewinnen. Für alle, die mit Musik in der Kirche in Berührung sind, liefert das Buch eine Basis, um multiprofessionelle Arbeit gelingend gestalten zu können. Die Vielzahl an Literaturhinweisen liefert interessante Spuren zur vertiefenden Lektüre. Auch wer kirchenmusikalisch schon gut informiert ist, lernt hier und da Neues bei der Lektüre des Bandes. So weiß der Lesende nun endlich, dass „Danke für diesen guten Morgen“ auch ein Ballermann-Hit von Mickey Krause ist.

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Foto: Christian Lademann

Katharina Scholl

Dr. Katharina Scholl ist Studienleiterin am Evangelischen Studienseminar Hofgeismar. Zuvor war sie Gemeindepfarrerin in Hanau-Großauheim.


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