In diesem Jahr jähren sich die Ereignisse des Bauernkrieges zum 500. Mal. Ein solches Datum ist der Erinnerung und Vergegenwärtigung würdig und angemessen – und dass Personen, deren Profession die Geschichte ist, ihren Teil durch Publikationen dazu beitragen, ist sowohl notwendig als auch erfreulich. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Deutung, wie dies beim Bauernkrieg der Fall ist, in der Vergangenheit bereits religiös und politisch hoch aufgeladen war: sei es als schreckliche Konsequenz des „neuen Glaubens“ in der katholischen Polemik, als „fleischliches“ Missverständnis der Anliegen Luthers in der evangelischen Rezeption oder als vorbildhafte „frühbürgerliche Revolution“ in der DDR.
Gerd Schwerhoffs gewichtige Monografie möchte diesen Metanarrativen kein neues hinzufügen. Sie ist eine Ereignisgeschichte im klassischen Sinne. Er möchte erzählen, was vorgefallen ist, und zwar möglichst umfassend, so dass „der Bauernkrieg als ein regional übergreifendes und zeitlich konzentriertes Ereignis plastisch vor den Augen der Leser entfaltet wird“. Nicht mögliche Hintergründe, Ursachen, Potenziale und Ziele stehen im Zentrum der Darstellung, sondern das Ereignis – vielmehr: die Ereignisse – selbst.
Diese zu ordnen und nachvollziehbar darzustellen, sowohl ihre regionalen Verschiedenheiten als auch ihre übergreifenden Zusammenhänge, ist schwer genug. Auch der mit der Reformationszeit relativ vertraute Leser kann angesichts der unglaublich vielen und dichten Geschehnisse in kürzester Zeit, den zahlreichen Bauernhaufen und ihren jeweiligen Akteuren sowie den verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Instanzen leicht den Überblick verlieren. Es war eben eine „wilde Handlung“, wie Schwerhoff – ein zeitgenössisches Urteil aufnehmend – im Untertitel bilanziert.
Diese ordnende Darstellung gelingt Schwerhoff hervorragend. In 15 Kapiteln, deren Aufbau sich einer Kombination aus chronologischen und lokalen Gesichtspunkten verdankt, werden auf rund 500 Seiten die Ereignisse des nur etwas mehr als ein Jahr dauernden Bauernkrieges entfaltet. Man sollte die Lektüre des Buches daher nicht zu sehr in die Länge ziehen, um den Spannungsbogen zu erhalten und weil man sich in späteren Kapiteln wieder an Personen und Elemente erinnern muss, die einem viel früher begegnet sind. Das liegt nun einmal in der Dichte der parallel stattfindenden Ereignisse. So kann es sein, dass auf Seite 339 auf einen „zehn Tage vorher“ geschlossenen Vertrag rekurriert wird, dessen Darstellung bereits 150 Seiten vorher erfolgte. Nimmt man sich die Zeit der Lektüre, wird man belohnt: Es ist einfach spannend. Durch die aussagekräftige Gliederung kann man aber auch weitgehend einzelnen Regionen folgen.
Um übergreifende Deutung kommt glücklicherweise auch das ereignisgeschichtliche Buch nicht herum. Das Kapitel „Rückblick und Einordnung“ bietet sachlich-strukturelle Zusammenfassungen (Wie agierten verschiedene soziale Akteure? Was waren die Kommunikationskanäle?) und spitzt die Sicht des Autors zu: „Ohne Reformation kein Bauernkrieg“. Es war nach Schwerhoff insbesondere die religiöse Legitimation durch die gemeinsame Berufung auf das Evangelium in der antiklerikal aufgeheizten Stimmung der frühen 1520er-Jahre, die den Bauernkrieg als Massenbewegung möglich machte. Eine säkularisierte Lesart, die den Bauernkrieg lediglich als politische Bewegung zu verstehen sucht, zielt am Selbstverständnis der Bauernhaufen und ihrer Wortführer im 16. Jahrhundert vorbei.
Damit wird das Thema auch der Kirchengeschichtsforschung neu vorgelegt. Es wäre ihre ureigenste Aufgabe, die Bedeutung von Religion im Zusammenhang von Politik und gesellschaftlichen Umbrüchen – jenseits konfessioneller Selbstlegitimierung – zu entdecken und zu deuten.
Jonathan Reinert
Dr. Jonathan Reinert ist Professor für Kirchengeschichte und Ökumenik an der Theologischen Hochschule Reutlingen.