Legenden auf der Spur

Gespräch mit dem Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Thomas T. Müller, über den Deutschen Bauernkrieg und das Verhältnis von Luther und Müntzer
Volker Stelzmann: Thomas Müntzer, 1976.
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Volker Stelzmann: Thomas Müntzer, 1976.

zeitzeichen: Herr Dr. Müller, wir sprechen heute ganz selbstverständlich vom Deutschen Bauernkrieg. Aber was versteht man darunter? 

Thomas T. Müller: Der Deutsche Bauernkrieg ist eine Kumulation von vielen lokalen und regionalen Konflikten, die sich zum Teil bedingt haben. Die Akteure waren teilweise lose verbunden, mitunter hatten sie eine völlig eigene Agenda. Es war keinesfalls nur ein Konflikt von Arm gegen Reich, denn es standen auch Leute auf Seiten der Aufständischen, die durchaus vermögend waren, wenngleich sie nicht in der Mehrheit waren. Häufig wirkte dieser Aufstand als Katalysator für Konflikte, die schon lange bestanden. 

In Süddeutschland begannen die Konflikte schon Anfang des 16. Jahrhunderts. Zudem war die Situation der Bauern je nach Landstrich unterschiedlich. Leibeigenschaft gab es zum Beispiel in Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht mehr. Die Gründe waren also sehr vielschichtig?

Thomas T. Müller: Ja, und bisher ging man in der Wissenschaft davon aus, dass die Forderung nach freier Pfarrerwahl nur ein protestantisches Phänomen gewesen ist. Aber heute weiß man: Hier ging es weniger um die Konfession als schlicht um die Tatsache, dass eine Dorfgemeinschaft den Pfarrer selbst aussuchen wollte, und das konnte unter Umständen auch ein altgläubiger Priester sein. 

Gab es trotzdem inhaltliche Verbindungen der unterschiedlich aufgebrochenen Konflikte? 

Thomas T. Müller: Als verbindende Klammer gelten auf jeden Fall „Die Zwölf Artikel“, also die Forderungen, welche die Bauern 1525 in Memmingen gegenüber dem Schwäbischen Bund erhoben. Sie waren damals eines der meistgedruckten Papiere überhaupt. Und sie sorgten dafür, dass es in der Folge unzählige lokale Beschwerde­schriften gab, die sich häufig an diesen zwölf Artikeln orientierten und um ganz konkrete lokale Forde­rungen ergänzt wurden. Die Aktivisten waren übrigens nicht nur Bauern, sondern es gab auch Handwerker und Händler, und häufig tauchten unter den Aufständischen auch Gewerke auf, die Schwierigkeiten hatten, zu dieser Zeit in die Stadträte zu kommen. Das waren teilweise durchaus vermögende Menschen, die über den Aufstand auch hofften, zu ein bisschen mehr Einfluss zu kommen und gesellschaftlich aufzusteigen. In den Städten waren Aufstände an sich nichts Neues. Die gab es auch schon in den Jahrhunderten davor immer wieder. Aber in dieser Zeit ab 1520 änderte sich noch einmal alles … 

Warum? Gab es einen genuinen Zusammenhang zwischen der durch Martin Luther ausgelösten reformatorischen Bewegung und dem Bauernkrieg? 

Thomas T. Müller: Ja, denn nicht nur die Aufständischen in Memmingen haben sich auf Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ berufen. Jeder soll eines jeden Knecht sein und keiner Knecht des anderen. Das ist der Funke, der den großen Aufstand entzündet. Damit steht Luther vor dem großen Problem, dass die Bauern keinen Unterschied machen, ob sie jetzt das Schloss eines protestantischen oder eines altgläubigen Herrschers angreifen. Während er am Anfang noch zustimmt, schwenkt Luther dann aufgrund zweier Ereignisse sehr schnell um. Da gibt es zum einen den Vorfall bei Weinsberg in Württemberg am Ostermontag 1525, bei dem die Aufständischen einige Adlige durch die Spieße laufen lassen, also letztlich umbringen. Und fast zeitgleich hat Luther sein eigenes Bauernkriegserlebnis: Er ist am Rande des Thüringer Aufstandsgebiets unterwegs und will die Menschen durch seine Predigten davon abhalten, sich den Unruhen anzuschließen. Doch die Leute klingeln ihn mit kleinen Glöckchen aus – die damalige Form des Ausbuhens. Später, im Rückblick, schreibt er sogar, er habe Angst um sein Leben gehabt. Unter dem Eindruck seiner damaligen Erlebnisse in Nordhausen und dessen, was er aus Weinsberg gehört hat, schreibt er „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“, neben den späten Judenschriften eines der übelsten Werke des Reformators.

War das der Grund, warum es eine so starke und schnelle Abgrenzung der „reinen“ evangelischen Lehre gegenüber den Aufständischen gab?

Thomas T. Müller: Ja, denn für die gesamte evangelische Wittenberger Bewegung ist die Abgrenzung vom Bauernkrieg lebensrettend, und das erkennt Philipp Melanchthon noch vor Luther. Doch nicht nur Thomas Müntzer war ein Problem. In Eisenach beispielsweise gab es schon in den Jahren zuvor den Reformator Jakob Strauß, der Luther und Melanchthon zunehmend auf die Nerven ging. Teilweise publizierte Strauß in einem Jahr fast so viel wie Luther, und auch Strauß hatte das Ohr der Weimarer Fürsten. Es war also damals längst nicht ausgemacht, dass sich überall nur der Wittenberger Weg der Reformation bei den Fürsten durchsetzen würde. Und nachdem der Aufstand niedergeschlagen war, war der tote Thomas Müntzer natürlich ein hervorragender Sündenbock. Er wurde für Aufstände in Gegenden verantwortlich gemacht, in denen er sein Lebtag nicht gewesen war und in die er auch keine Kontakte hatte. Das Schlimmste, was einem Prediger in der Zeit nach dem Bauernkrieg von offizieller Seite vorgeworfen werden konnte, war der Satz „Er hat müntzerisch gepredigt“. Und weil man gerade dabei war, behauptete man in Basel auch noch, Müntzer sei der Gründer der Täufer, wofür es keinerlei Beweise gibt.

Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann spricht von tief verwurzelten konfessionskulturellen Wahrnehmungsmustern des Bauernkrieges, die es zu identifizieren und zu neutralisieren gilt. Welche sind das?

Thomas T. Müller: Die Katholiken schoben die Schuld am Bauernkrieg Luther zu. Auch das sorgte dafür, dass Luther und seine Anhänger eine Abgrenzung vornehmen mussten. Luther wiederum schob es auf Thomas Müntzer. Wenn sich Altgläubige und Protestanten nach dem Bauernkrieg auf etwas einigen konnten, dann darauf, dass Müntzer ein Ketzer war. 

Wie bedeutsam war Müntzer zu dieser Zeit?

Thomas T. Müller: Müntzer war ein wichtiger reformatorischer Prediger in der frühen Phase der Reformation, der teils sehr weit abweichende Ideen von Luther hatte. Heute würde man ihn vielleicht geistbewegt nennen, das heißt, er war der festen Überzeugung, er sei ein neuer Prophet. Er sah sich selbst in der Nachfolge von Daniel oder Jeremia, und er nutzte nicht umsonst Nebukadnezars Traum aus dem Danielbuch als Grundlage für seine Fürstenpredigt. Müntzer warf Luther vor, dass dieser sich nur auf die Schrift berufe. Doch die Schrift allein war für Müntzer ein totes Wort. Für ihn sprach Gott auch heute noch direkt zu seinen Auserwählten, zum Beispiel in Träumen, in „Gesichten“, wie man damals sagte. Und die Erkenntnisse aus diesen waren für Müntzer genauso viel wert wie das, was man in der Schrift findet. Es sind gleichsam ergänzende Worte Gottes. Das ist der große Unterschied zwischen Luther und Müntzer. So kommt es, dass Luther an Müntzers Geisteszustand zweifelt. Er hält ihn für gefährlich und theologisch für jemanden, der völlig fehl am Platz ist. 

Luther spricht ja auch vom „Satan von Allstedt“ oder davon, dass der „ertzteuffel“ (…) zu Mölhusen regirt“. 

Thomas T. Müller: Dafür spricht Müntzer in der Fürstenpredigt in Allstedt über Luther vom „Bruder Mastschwein“ oder „Bruder Sanftleben“. Sie schenkten sich nichts.

Worin unterschied sich Müntzer von anderen Predigern im Bauernkrieg?

Thomas T. Müller: Müntzer war auf jeden Fall ein Apokalyptiker und Chiliast, glaubte also an die zeitnahe Errichtung eines tausendjährigen Christusreiches. Er war der festen Über­zeugung, das Ende der Welt komme bald. Diese Weltenderwartung spielte eine große Rolle und ist bisher viel zu wenig in den Blick genommen worden, wenn man über Müntzers Ideologie spricht. Er muss unglaublich charismatisch gewesen sein, ein sehr guter und glaubhafter Prediger, denn die Leute sind ihm nachgelaufen, teilweise von weit her. Und er war der Bibel kundig, vor allem das Alte Testament kannte er gut. Müntzer feierte zum Beispiel in Allstedt den Gottesdienst vollständig in deutscher Sprache, lange bevor das Luther tat. Aber er war auf keinen Fall ein Bauernführer. Militärisch hatte er weder Ambitionen noch Expertise, man kann nicht einmal nachweisen, dass er eine Waffe besaß. 

Anders als Zwingli …

Thomas T. Müller: Genau. Dennoch lag im Grünen Gewölbe in Dresden noch vor kurzem eine Waffe, die als Thomas Müntzers Runenschwert ausgewiesen wurde. Das ist Unsinn, denn das Schwert ist hundert Jahre jünger als Müntzer. Aber die Geschichte vom Schwert kommt auch in der Kunst immer wieder vor, Müntzer wird immer wieder mit einer Waffe abgebildet. 

Ist Müntzer denn eher ein religiöser Fanatiker oder ein Freiheitsheld?

Thomas T. Müller: Ein Freiheitsheld ist er aus meiner Sicht nicht. Alles, was er tut, ist theologisch begründet. Ob er ein Fanatiker ist, darüber streiten sich natürlich die Leute. 

Insofern hat er kein eigenständiges sozialrevolutionäres Ethos.

Thomas T. Müller: Aus meiner Sicht nicht, denn seiner Meinung nach kommt ja demnächst der Herr und richtet alles. Es gibt Leute, die sehen das völlig anders. Aber ich meine, man kann Müntzer nur aus seinem Glauben und der Bibel heraus begreifen. Er sieht sich in der Endzeit. Es gibt auch keinen Beleg dafür, dass Müntzer die Obrigkeit abschaffen wollte. Trotzdem wird seine Fürstenpredigt immer wieder so gedeutet. Müntzer sagt vielmehr zu den Fürsten: Euer Schwert (als Synonym für Macht) wird in der Scheide verrosten, wenn ihr es nicht, wie Gott es euch aufgetragen hat, gegen die Ungläubigen nutzt. Und Ungläubige meint in dem Fall nicht nur die Altgläubigen, sondern auch Leute, die den neuen Glauben nicht richtig leben. Aber Müntzer meint damit nicht, dass ansonsten das Volk die Macht übernimmt. Er hat die Obrigkeit an sich nicht in Frage gestellt. 

Welche Fiktionen über Müntzer sind bekannt? Welche gehen auf Luther zurück, welche auf marxistische Legenden?

Thomas T. Müller: Die Idee von Müntzer als Bauernführer ist auf jeden Fall eine spätere marxistische Legende. Er war kein militärischer Heerführer. Das war auch nicht sein Anspruch. In Mühlhausen will er vor den sich rüstenden Aufständischen predigen. Doch der Stadthauptmann schickt ihn wieder heim, er muss abziehen. Auch später in Frankenhausen ist er nicht derjenige, der den Kampf anführt, sondern nur eine Art Feldprediger. Das kann er, und als solcher ist er auch anerkannt, er ist eine theologische Instanz in Mitteldeutschland. Aber das gilt nicht in Franken und schon gar nicht in Süddeutschland.

Wie veränderte sich im 19. Jahrhundert die Rezeption des Bauernkriegs?

Thomas T. Müller: Müntzer bleibt bis ins ١٩. Jahrhundert hinein ein Ketzer, aber er wird in ein anderes Licht gesetzt. Der evangelische Theologe Wilhelm Zimmermann veröffentlichte 1843 seine Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges. Er vergleicht ihn später mit der zeitgenössischen revolutionären Bewegung des Vormärz und bezeichnet den Bauernkrieg als eine Art Voraufstand dazu. Der Historiker Friedrich Engels greift das in seinem Text zum Deutschen Bauernkrieg dann so auf, dass es für seine und die Ideen von Karl Marx passt. Fortan ist das Thema in der Szene en vogue.

Im Prinzip schreiben dann alle voneinander ab?

Thomas T. Müller: Das könnte man so sagen, und vor allem arbeiteten die frühen Ideologen selten wissenschaftlich mit Quellen, sondern man nahm immer wieder auf, was es schon gab, und bastelte sich daraus eine Art Proto-Kommunismus. In der DDR heißt das dann später Aneignung und Erbe. Von dieser Einschätzung ausnehmen möchte ich allerdings ausdrücklich die Historiker, die vor allem in der DDR viel Grundlagenarbeit geleistet haben. Zu Müntzers 400. Todestag gab es 1925 verschiedene Gedenkveranstaltungen der KPD und der SPD. Das Thema war also weiter in der Welt, wurde auch immer wieder aufgegriffen. Dazu kam 1921 das aus Historikersicht katastrophale Buch Thomas Müntzer als Theologe der Revolution von Ernst Bloch. Den Historiker gruselt es, weil viele Fakten nicht stimmen und Bloch sich seine Sicht auf die Ereignisse zusammenbastelte. Die Philosophen aber sind bis heute begeistert, weil aus diesem Müntzer-Buch sehr viel von der Bloch’schen Philosophie zutage tritt. Wenn man sich darauf einigt, dass Müntzer ein philosophisches Vehikel für Bloch ist, kann ich dem gerade noch folgen. Das Problem ist aber, dass viele Leute Blochs Zitate wirklich ernst nehmen.

Was ist denn die Quintessenz von Blochs Müntzer-Buch?

Thomas T. Müller: Bloch hat aus fünf Äußerungen Müntzers einen neuen Fließtext geformt. Also verschiedene zusammenhanglose Zitate und Texte kombiniert, als wäre das ein originales Müntzer-Zitat. Und auf einmal gewinnt Müntzer auch für das 20. Jahrhundert Relevanz. Aber warum interessierte man sich bereits im 19. Jahrhundert für Müntzer? Weil Kommunisten und Sozialdemokraten in dieser Zeit des sich herausbildenden Parlamentarismus in Deutschland nach Vorbildern aus einer ferneren Vergangenheit suchten. Die Katholiken interessierte das alles überhaupt nicht, denn sie wählten sowieso die Zentrumspartei. Eigentlich konnte man also nur bei den Juden oder den Protestanten andocken. Aber Luther war spätestens seit dem Luther­gedenken 1883 konservativ besetzt. Man brauchte also eine Alternative, und da bot sich Müntzer an und wurde rückwirkend vereinnahmt.

Wie kam es zu der besonderen Bedeutung Müntzers in der DDR?

Thomas T. Müller: Wilhelm Pieck, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands und spätere Staatspräsident der DDR, hielt am 2. September 1945 im brandenburgischen Kyritz eine Rede, die als Auftakt zur Bodenreform gilt. Mit der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone, so sagte Pieck, werde fortgesetzt, was die Bauern schon damals zu Zeiten Müntzers gewollt hätten. Mehr Aneignung geht nicht, aber es ist natürlich eine Fehlaneignung, denn die Bauern hatten damals im 16. Jahrhundert eigentlich keine Bodenreform gefordert, sondern nur mehr Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf die freie Nutzung natürlicher Ressourcen wie Holz oder Wild. Doch stattdessen wurde in der DDR Jahrhunderte später behauptet, mit der Bodenreform habe man das Vermächtnis der Ahnen erfüllt.

Und was bedeutet das konkret für die Rezeption Thomas Müntzers in der DDR?

Thomas T. Müller: Er wurde rückwirkend als einer der Vordenker des Kommunismus und des „besseren Deutschlands“ im Osten beansprucht. Demzufolge suchte man sich natürlich auch bessere Ahnherren aus. Und da nahm man Müntzer und nicht Luther. So schaffte es Müntzer 1975 auch auf den DDR-Fünfmarkschein. Auf dem Zehner ist Clara Zetkin, eine 
Kommunistin, abgebildet, auf dem Zwanziger Goethe, auf dem Fünfziger Engels, auf dem Hunderter Marx. Ich habe in der Schule noch gelernt, dass der Epilog in Goethes Faust II nichts anderes sei als die Vorausschau auf das bessere Deutschland, das kommunistische Deutschland. Was nicht passte, wurde passend gemacht. So wurde aus dem Theologen Thomas Müntzer ein Sozialrevolutionär und am besten noch ein Proto-Kommunist.

Das 500. Gedenkjubiläum richtet sich an eine breite Öffentlichkeit. Was kann man für heute lernen?

Thomas T. Müller: Bei historischen Standpunkten sollte man immer sehr genau hinschauen und auf die Quellen achten. Das gilt natürlich auch für Müntzer. Den Menschen Thomas Müntzer kann man nicht verstehen, ohne den Theologen anzuschauen. Müntzer las beispielsweise Cyprian von Karthago. Bei einer genauen Analyse dessen, was Cyprian schreibt, versteht man schnell, warum Müntzer diese klare Haltung hatte, dass man nur durch Leid zu Gott kommt. Außerdem spielte für Müntzer die Mystik eine große Rolle, viel mehr als für Luther. Auch was Müntzers Position im Bauernkrieg angeht, sind immer noch viele Legenden im Umlauf.

„Anführer einer mörderischen Bauernmeute“, heißt es zuweilen. 

Thomas T. Müller: Was nicht stimmt. Es sind relativ wenige Menschen durch die Bauern zu Tode gekommen. Für Thüringen kann ich bis zur Schlacht von Frankenhausen nicht einmal eine Handvoll aufzählen. Und selbst, wenn ich Sachsen-Anhalt noch dazu nehme, werden es nicht viel mehr. 

Wurde mit Müntzer da ein Monster aufgebaut?

Thomas T. Müller: Ja. Ein Beispiel: Das Zisterzienserkloster in Volkenroda in Thüringen ist wirklich im Bauernkrieg zerstört worden. Aber es kursierte bis vor ein paar Jahren noch in der Wissenschaft und Literatur die Geschichte, dass dort Thomas Müntzer eingefallen sei. Er habe die Mönche aus den Zellen zerren lassen und dem Kellermeister, weil er den Schlüssel nicht rausgeben wollte, glühenden Wein in den Hals gegossen. Am Ende seien fünf Mönche an einem Nussbaum aufgehängt worden. Nachdem ich mich einige Wochen nur mit den Quellen zu diesem Thema beschäftigt hatte, kam am Ende heraus, dass das Einzige, was an der Geschichte mit den ermordeten Mönchen wahr war, ist, dass es möglicherweise im Kloster einmal einen Nussbaum gegeben hat. Der Rest ist augenscheinlich später erfunden worden. 

 

Das Gespräch führten Kathrin Jütte und Reinhard Mawick am 20. November in Wittenberg.

 

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Foto: Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt

Thomas T. Müller

Dr. Thomas T.  Müller ist Vorstand und Direktor der LutherMuseen in Wittenberg­­­­­.

Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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