„Es gibt noch viel ungenutztes Potenzial“

Kirchen als Energieerzeuger? Eine gute Idee, meint Klimaschutzexperte Oliver Foltin von der FEST in Heidelberg. Ein Gespräch über den Stand beim Klimaschutz in evangelischen Kirchen.
Solaranlage auf der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in Mittenwald.
Foto: Stephan Kosch
Solaranlage auf der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in Mittenwald.

zeitzeichen: Herr Foltin, Sie bezeichnen den aktuellen Klimabericht aus ihrem Hause als einen ersten Meilenstein auf dem Weg der evangelischen Kirche zur Klimaneutralität. Dabei hat der Prozess ja gerade erst begonnen. Was wurde denn auf der ersten Meile schon erreicht?

OLIVER FOLTIN: Die Klimabericht hat während seiner Erstellung dazu geführt, dass sich 20 Landeskirchen und die EKD konsequent mit dem Thema Klimaschutz in ihrem Verantwortungsbereich auseinandersetzt und die entsprechenden Daten zusammengetragen haben. Alle haben den Fragebogen mit 69 Fragen beantwortet. Ein so einheitliches Verfahren gab es so noch nicht. 

Das bedeutet, sie können jetzt sagen, wieviel CO2 durch die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland in die Luft geblasen werden?

OLIVER FOLTIN: Noch nicht, diese Erhebung ist erst für 2025 geplant. Aber wir haben jetzt einen systematischen Überblick darüber, wie die einzelnen Landeskirchen personell aufgestellt sind, ob es kirchliche Klimaschutzgesetze, Vorgaben für den Bezug von Ökostrom oder eine Gebäudebedarfsplanung gibt oder nicht. Und wir sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben diese Gesamtschau mit einem Ampelsystem versehen. 

Tabelle mit Ergebnissen des Fortschrittsberichts zum Klimaschutz in den einzelnen Landeskirchen

Tabelle mit den Ergebnissen des aktuellen Klimaschutzberichts der EKD (Quelle: FEST-Heidelberg)

 

Das Bild ist noch gemischt, auch wenn sie schon viele grüne Punkte verteilen konnten. Wo läuft es denn besonders gut?

OLIVER FOLTIN: Zum Beispiel bei der Frage, ob es schon ein Klimaschutzkonzept gibt. Damit verbunden ist ja eine Bestandsaufnahme des Energieverbrauchs, des Mobilitätsverhaltens und des Gebäudebestandes und das sind erste Schritt hin zur Klimaneutralität. Den sind die meisten Landeskirchen schon gegangen, zum Teil schon vor über zehn Jahren. Hätte mir damals aber jemand gesagt, dass wir 2024 in 13 von 20 Landeskirchen ein Klimaschutzgesetz haben, das zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes verpflichtet, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Für diese Dynamik hat gewiss die EKD-Klimaschutzrichtline aus dem Jahr 2022 gesorgt. Und seitdem haben auch viele Landeskirchen zusätzliche Sofortmaßnahmen gestartet. Das waren kleinere Schritte wie Heizungsoptimierungen oder der Umstieg auf Ökostrom, aber auch ganze Förderprogramme für neue Heizungen. 

Es gibt aber auch noch einige rote Punkte, darunter in Anhalt, Sachsen und Mitteldeutschland. Gibt es immer noch ein geringeres Engagement für den Klimaschutz in den östlichen Landeskirchen?

OLIVER FOLTIN: Nein, die Landeskirchen in Anhalt und Mitteldeutschland haben Mittel der Bundesregierung aus der „Kommunalrichtlinie“ beantragt, wie das die meisten anderen auch gemacht haben. Doch die Frage ist, wann der Bundeshaushalt wirklich verabschiedet wird. Wenn das der Fall ist, wird nur Schaumburg-Lippe noch kein Klimaschutzkonzept haben. Das hat aber natürlich auch was mit der personellen Kapazität so kleiner Kirchen zu tun. 

Zu viele Gebäude

Sehr viel bunter ist die Tabelle noch beim Thema Gebäudemanagement und Nutzungskonzepten für die Zukunft. Dabei ist das ja auch ein zentrales Thema für den kirchlichen Klimaschutz. Warum tun sich die Landeskirchen da so schwer?

OLIVER FOLTIN: Weil jede Landeskirche weiß, dass sie gar nicht mehr alle Gebäude in die Klimaneutralität führen muss. Denn der Bestand ist ja perspektivisch zu groß. Man muss also erstmal entscheiden, welche Gebäude auf lange Sicht noch gebraucht werden. Und diese Gebäudebedarfsplanung ist nicht leicht und kann bis zu fünf Jahren dauern. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, können die Gebäude, die noch im Bestand bleiben, zur Klimaneutralität gebracht werden.  

Was hat Sie bei der Erstellung des Berichts negativ überrascht?

OLIVER FOLTIN: Es gab eigentlich keine negativen Überraschungen, aber negative Erwartungen, die bestätigt wurden. Die Kirchen stehen doch noch sehr am Anfang bei der Ermittlung von möglichen Flächen für Installation von Windkraftanlagen auf Kirchenland oder Photovoltaik auf den Dächern. Wenn Kirche den Strom, den sie verbraucht, selber aus erneuerbaren Quellen produzieren würde, hätte das langfristig nicht nur finanzielle Vorteile, sondern auch eine enorme Außenwirkung.

Warum halten sich die Kirchen so zurück?

OLIVER FOLTIN: Die Kirchengemeinden scheuen oft den Aufwand. Es entscheiden ja in der Regel Ehrenamtliche über die Bau- und Investitionsprojekte in der Gemeinde. Und so eine Photovoltaikanlage oder gar eine oder mehrere Windräder zu berechnen und installieren und zu finanzieren kann schon sehr aufwändig sein. Hier ist Dienstleistung gefragt, etwa von Landeskirchen oder Kirchenbanken. Es gibt in Baden-Württemberg zum Beispiel die KSE-Energie, die zwei Landeskirchen und zwei Diözesen als Energieversorger gegründet haben. Der bietet ein Rundum-Sorglos-Paket an. Die Kirchengemeinden stellen etwa die Dachfläche zur Verfügung, den Rest macht der kirchliche Energieversorger. Das ist ein mögliches Modell, es gibt auch andere. Wichtiger ist: Es gibt noch viel ungenutztes kirchliches Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energien, das genutzt werden sollte.

Mehr Personal nötig

Sie empfehlen den Kirchen zudem, mehr Personal für den Klimaschutz bereitzustellen. Das ist in Zeiten sinkender Kirchensteuern eine Empfehlung, die wahrscheinlich nicht so gut ankommt.

OLIVER FOLTIN: Auf die Frage, ob wir uns Klimaschutz überhaupt leisten können und sollten, ist die Antwort immer: Ja, denn nichts zu tun, wird viel teurer. Klimaschutz funktioniert aber nicht als Anhang nebenbei, sondern braucht Menschen, die sich kümmern. Und auf allen kirchlichen Ebenen, Gemeinde, Landeskirchen und die Kirchenkreise oder Dekanate. Gerade die mittleren Ebenen können ja Aktivitäten bündeln und so durch Skaleneffekte auch Kosten sparen.  

Politisch hat das Thema Klimaschutz ja derzeit keine Konjunktur. Wie optimistisch sind Sie, dass der Bericht, den Sie 2025 vorlegen, eine positive Entwicklung zeigt?

OLIVER FOLTIN: Ich bin grundsätzlich wirklich optimistisch. Wir haben eine Klimarichtline, die Rahmen setzt und das Ziel markiert. Wir haben gute Erfahrungen bei der Erstellung dieses Klimaberichtes gemacht, keine Landeskirche hat sich verwehrt, die Kooperation war gut. Und wir arbeiten ja schon an der Ermittlung der konkreten Verbrauchsdaten für den nächsten Klimabericht. Das sieht sehr gut aus. Die Bereitschaft, die Daten in einheitlicher Form zu liefern, ist hoch und wir müssen nicht mehr Äpfel mit Birnen vergleichen, wie das in der Vergangenheit oft der Fall war. Spannend dürften dann aber die Fortschrittsberichte in den darauffolgenden Jahren werden, die zeigen, ob es wirklich eine CO2-Reduktion gibt oder nicht. Mit Blick auf die Politik halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die Klimaschutzziele nochmal aufgeweicht werden. Kirche hat hier die Chance, als Vorbild zu wirken und an den eigenen Zielen festzuhalten, auch wenn es schwer wird. 

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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