Die 5. Tagung der 13. Synode der EKD ist zuende. Auch diesmal stand das Thema sexualisierte Gewalt im Mittelpunkt des Interesses, und unglücklicherweise wehte auch in diesen Tagen kurzzeitig ein „Hauch von Ulm“ vorbei. Am Ende fiel auf, dass eine Frau leider fehlte. Alles nicht so einfach …
Mit einer Abendmahlsandacht im Plenarsaal des Maritim-Hotels endete die 5. Tagung der Synode der EKD in Würzburg: In großem Kreis standen die Synodalen und die verbliebenen Vertreter der Kirchenkonferenz um die Tischreihen herum, an denen sie in den vergangenen drei Tage gearbeitet hatten. Ohne Segen wollte man nicht auf die Reise gehen, und es gab auch etwas zu tun. Es galt, die neugewählte Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs und ihren Stellvertreter Tobias Bilz in ihr neues Amt einzuführen, genauso wie drei neugewählten Ratsmitglieder Susanne Bei der Wieden, Nicole Grochowina und Christian Stäblein. Und es galt, drei Ratsmitglieder zu verabschieden, nämlich Jacob Joussen, Volker Jung und – eigentlich – Annette Kurschus, die nach dramatischen Tagen vor einem Jahr im November als Ratsvorsitzende zurückgetreten war (siehe hier).
Kurschus hatte in den ersten drei Tagen an der Versammlung als Gast teilgenommen und war von Kirsten Fehrs, die ihr 2023 im Amt zunächst kommissarisch nachgefolgt war, im Ratsbericht ausdrücklich erwähnt und gewürdigt worden. Gleichzeitig hatte Fehrs eingestanden, dass alle Beteiligten auf Seiten der EKD in jenen turbulenten Tagen Ulm Fehler gemacht hätten (siehe hier). Dennoch wurde Kurschus nicht mit den beiden anderen ausscheidenden Ratsmitgliedern mit Gebet und Segen und im liturgischen Rahmen einer Abendmahlsandacht verabschiedet, was, wie aus EKD-Kreisen verlautete, natürlich vorgesehen und verabredet gewesen war. Doch dann habe Annette Kurschus, wie die Pressestelle der EKD auf Nachfrage mitteilte, am Dienstag entschieden, nicht bis zum Ende der Synode zu bleiben und die Tagung verlassen. Wie schade!
Schade auch, dass inmitten der Nachwahl der drei Ratsmitglieder am Montagabend „ein Hauch von Ulm“ durch die Synode wehte, als Betroffene sexualisierter Gewalt via einer Anwältin des Publikums Vorwürfe gegen Kirsten Fehrs und die Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, vor dem Plenum der Synode verbreiteten, die zunächst unwidersprochen blieben. So dünkte am Montagabend manchem, dass sich die Tragödie von Ulm 2023 – getreu es berühmten Diktums von Karl Marx[1] – als Farce in Würzburg ein Jahr später wiederholen könnte.
Vorwürfe überzeugend ausgeräumt
Das war aber nicht der Fall, denn am nächsten Morgen, noch vor der Wahl des Ratsvorsitzes, wurde im Plenum von Andreas Barner als Vertreter des Rates klargestellt, dass an den am Vortrag von der Anwältin des Publikums vorgetragenen Vorwürfen nichts dran sei, dass sie vielmehr jeder Grundlage entbehrten und dass deswegen der Rat keinerlei Zweifel habe, Kirsten Fehrs für den Wahl zur Vorsitzenden vorzuschlagen. Dies geschah und Kirsten Fehrs wurde mit deutlicher Mehrheit (97 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen, 19 Enthaltungen) zur Ratsvorsitzenden gewählt. Später erläuterte Fehrs vor der Presse dann ausführlicher, was viele, besonders im Raum der Nordkirche und auch einige Medienvertreter, schon lange wussten: dass der sogenannte „Fall Stahl“ bereits seit mindestens sechs Jahren immer wieder von der betreffenden Person kommuniziert und verbreitet werde und dass in diesem Zusammenhang schon mehrfach und abschließend festgestellt worden war, dass er jeglicher Grundlage entbehre. Jetzt werde sie, Fehrs, aber ernsthaft erwägen, gerichtlich dagegen vorzugehen.
Zudem machte die Ratsvorsitzende auch deutlich, dass jemand wie sie, die sich seit 2011 intensiv mit diesem Thema befasse, gar nicht vermeiden könne, Fehler zu machen. Dennoch bemühe sie sich immer, betroffenen Menschen „mit tiefem Ernst gerecht zu werden“. Dass dies leider nicht immer gelinge, sei aber genauso klar, wie die Tatsache, dass man sich im Umgang mit schwer traumatisierten Menschen insbesondere als Institutionenvertreterin „maximal angreifbar“ mache. Doch dies müsse in Kauf genommen werden, denn man bekomme „keine Vertrauensbasis, wenn man sich nicht ein Stück weit ungeschützt in diese Begegnung hineinbegibt.“
„Wie macht ihr das eigentlich?“
Fehrs berichtete auch, dass die Kirche in jüngster Zeit immer häufiger von anderen Institutionen in Sachen Aufarbeitung gefragt werde: „Wie macht ihr das eigentlich?“ Das sei verständlich, denn allein in der Nordkirche seien dreißig Personen hauptamtlich mit der Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche beschäftigt. Und dass diese Kompetenzen zunehmend auch von anderen angefragt würden, sei ein gutes Zeichen dafür, dass die „Sensibilisierung gesamtgesellschaftlich“ wachse. Dennoch, so die Hamburger Bischöfin, wäre es sehr hilfreich, wenn der Staat endlich ein Aufarbeitungsgesetz schaffen würde, das auch für andere Institutionen gelte und somit auch die Kirchen in die Lage versetzen könnte, nach festen Standards zu arbeiten, die für alle gelten.
Doch nicht nur bei der Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt muss die Evangelische Kirche weiter schwere Wege gehen, selbst wenn durch die Verabschiedung der Anerkennungsrichtlinien und der Änderung des Disziplinarrechts in Würzburg auf diesem Feld wichtige Meilensteine auf dem Weg gebracht wurden. Schwer wird es die Evangelische Kirche auch weiterhin inmitten einer aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung haben, wie sie zur Zeit herrscht. In wachsenden Teilen der Gesellschaft scheint es immer weniger Verständnis für die klare Parteinahme der Kirche für Geflüchtete und sozial Bedürftige zu geben. Und im Moment scheint es schwer vorstellbar, dass sich hier der Wind dreht oder gar von engagierten Christen in absehbarer Zeit gedreht werden könnte. Doch wie sagte einst Gustav Heinemann, der erste Präses der EKD-Synode von 1949 bis 1955 und spätere Bundespräsident: „Zwangsläufigkeit ist eine atheistische Kategorie“. Sein Wort in Gottes Ohr!
[1] Das entsprechende Zitat von Karl Marx lautet: „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce." Aus: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. MEW 8, S. 115, 1852.
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.