Ziemlich peinlich

Dostojewki mal anders

Dostojewski als humoriger Schriftsteller? Ja. Eine peinliche Geschichte von 1861 dreht sich um einen eitlen Amts-Karrieristen namens Pralinski, der, von einer steifen Geburtstagsfeier bei seinem Vorgesetzten zurückkehrend – außer ihm war noch ein weiterer Kollege Gast –, lebhaftes Treiben in einem ärmlichen Hause bemerkt und von einem Polizisten erfährt, dass dort zur Stunde einer seiner Untergebenen Hochzeit feiert. Sogleich fängt er an zu träumen, wie es wäre, wenn er sich gemäß seiner schon bei jener Geburtstags-„Feier“ erläuterten humanen Einstellung dort vorstellte – wie begeistert Braut und Bräutigam und die Gäste wären; wie diese seine so humane Herablassung sich wie ein Lauffeuer verbreitete und seine Karriere befeuern würde …

Natürlich kommt alles anders als gedacht: Der Untergebene ist bestürzt, die Gäste auch, er, Pralinski, lässt sich mit dem Sekt bewirten, der für die Brautleute bestimmt war, und schließlich fällt er, des Alkohols ungewohnt, wie tot um. Man bringt ihn in dem einzigen als standesgemäß empfundenen Bett unter, dem für das Brautpaar vorgesehenen. In der Nacht stoßen ihm einige krasse, nur angedeutete körperliche Zufälle zu.

Am nächsten Morgen verlässt er hastig die Stätte seiner Niederlage und überlegt, ob er sich noch im Amt sehen lassen kann. Dann kommt ihm der Gedanke, wie er vorgehen muss – und der funktioniert auch; allerdings hat er nichts mehr mit seinen humanen Vorsätzen zu tun. Liest man die Geschichte als Gesellschaftskritik, so endet sie mit einem deutlichen „zu früh“ – die Gesellschaft steckt noch zu tief in ihrer feudalistischen Struktur. – Gelesen wird das von Friedhelm Ptok in einem angenehmen Erzählduktus.

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