Am Ende ist (und bleibt) die Kirche

Warum es gilt, trotz aller Krisen Mut zu bewahren
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Die Kirche Jesu Christi wächst. Wir müssen unseren Kopf nur über den nicht allzu hohen Tellerrand heben, um genau das zu erleben. Was immer an organisatorischen Veränderungen passiert, wie immer sie sich auswirken werden, die Kirche wächst. Sie wächst außerhalb der Organisationsform ehemaliger Staatskirchen auch in der protestantischen Denomination. Und sie wächst in neuen Formaten.

Nicht die Kirche ist am Ende, sondern die bisherige Arbeitsform neigt sich dem Ende zu. Das meinen jedenfalls die einen. Andere glauben, es geht noch lange so weiter. Mir scheint der Vergleich zur Automobil­industrie passend: Der Wechsel in andere Antriebsformen vom Verbrenner auf den Elektromotor ist von der führenden deutschen Automobilindustrie lange selbst in den Labors nicht ernsthaft verfolgt und immer wieder verschoben worden. Tesla und die Chinesen tummelten sich plötzlich selbst auf deutschen Straßen konkurrenzlos. Beim Wasserstoff sind Toyota und andere Japaner führend. Das zeigt unseren schwachen Innovationsgrad an. Die deutsche Automobilindustrie mit ihren Exportschlagern im Bereich der Verbrenner von fossilen Energien war weit hinten dran mit ihren halbherzigen Hybrid-Lösungen. Und selbst heute verkündet Mercedes, das Verbrenner-Aus komme noch lange nicht. Auch nach 2030 werde es mit einem Anteil von 50 Prozent Verbrenner-Neuwagen weitergehen.

Ist es mit unseren Kirchen nicht ähnlich? Wie für die Leitenden in der Automobilindustrie scheint auch bei uns noch genug Zeit zum Gegensteuern zu sein. Der von mir sehr geschätzte Ralph Charbonnier, heute Theologischer Vizepräsident der Landeskirche Hannovers, ist einer von denen, die durch Transformation gegensteuern wollen. Er meint: Innovations- und Optimierungsmaßnahmen seien zwar notwendig, würden aber den multiplen Krisen nicht angemessen entgegentreten.

In der Tat: Eine Identitätskrise verschärft sich, wenn die Arbeit weiter eingeschränkt, die Frage nach dem Sinn lauter wird. Eine Resonanzkrise verschärft sich, wenn Kontaktflächen reduziert werden und es weniger Resonanzmöglichkeiten gibt. Eine Ressourcenkrise verschärft sich, wenn die Mitgliedschaft zurückgeht und die Unterstützung. Und eine Leitungskrise verschärft sich, wenn die Lage komplexer wird, Management­techniken nicht zur Verfügung stehen und Überforderung wächst.

Wenn es stimmt, dass die Kirche etwa alle 150 Jahre einen großen organisatorischen Veränderungsschub erfährt, wenn es stimmt, dass die heutige Form von Gemeindearbeit eine Reaktion auf das wachsende Vereinswesen des Bürgertums vor gut 150 Jahren war, dann wird sich Kirche heute auch an die digitale Gesellschaft in ihren neuen Organisations­formen anpassen. Auch die verfasste Kirche. Sie wird das Bisherige wert­schätzend wahrnehmen, Hebamme für Neuaufbrüche sein und organisatorisch Palliativversorgung für sterbende
Aktivitäten leisten. Sie wird sich gedanklich von gegenwärtigen Formen kirch­licher Arbeit lösen, Schwerpunkte bilden und für diese neue Formen kirchlicher Arbeit finden und ausprobieren, um dann gegenwärtige Formen kirchlicher Arbeit in zukünftige zu überführen. Die Kirche ist am Anfang.

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Friedhelm Wachs

Friedhelm Wachs ist Unternehmer, Vorsitzender des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) und Herausgeber von zeitzeichen.


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