Lieber menschlich statt meta und mega

Die glitzernde Welt der Avatare lockt. Was heißt das für die Kirchen?
Foto: Harald Oppitz

Seit einiger Zeit treibt mich die Frage um, wieviel Geld ich ins Metaverse investieren sollte. Die unbegrenzte Vision des Mark Zuckerberg klingt doch verlockend. Wenn ich mich jetzt rechtzeitig beteilige, kann ich mir vielleicht noch ein kleines Stück vom großen Kuchen der schönen neuen Welt sichern, in der mein Avatar es sich gut gehen lassen kann! In der kann man nicht nur shoppen, man kann auch Grundstücke erwerben und bebauen. Leider fehlen mir die Mittel dafür, ganz zu schweigen davon, dass MZ selbst schon Milliarden an dem Projekt verloren hat und ich mir solche Verluste nicht leisten kann.

Trotzdem erzeugen er und die Global-Tec-Unternehmen schon heute erfolgreich vor allem bei jungen Leuten „fomo“: „fear of missing out“. Das ist die Angst, abgehängt zu sein und etwas nicht mitzubekommen. Schon deshalb wird voraussichtlich kein Weg an diesem digitalen Universum vorbeigehen, und genauso voraussichtlich wird es ein Universum sein, das nicht jedem offensteht. Es ist jetzt schon klar, dass der Teil der Menschheit, der zu arm oder zu ungebildet ist, um im Metaverse zu shoppen oder gar Immobilien zu erwerben, einfach exkludiert sein wird. Die Werbefilme für Metaverse, in denen schöne Menschen in hochästhetischen Gebäuden miteinander tagen, Schach (!) spielen oder in Mega-Konzerthallen abtanzen können, sprechen Bände. Sogar mein Körper soll im Metaverse dank Technik involviert sein, die Werbung verspricht mir, dass es sensorische, ja sogar olfaktorische Reize geben wird.

Shoppingmalls, Konzerthallen, Schachspiel – ob es wohl auch Kirchen geben wird? Da bin ich mir auch sicher! Die Megachurches der USA stehen bestimmt schon in den Startlöchern, um sich zu beteiligen.

Fratze des Kapitalismus

Ich hoffe, dass auch die Politik aller Länder in den Startlöchern steht. Denn ein solches Gebilde ohne gesetzliche Regelungen zu belassen wäre wie der „Wilde Westen“ – so ein Kommentator. Ein gesetzloses Megaverse würde uns – neben der Hochglanzperspektive der Shopping-Malls und ästhetischen Avatare - auch die Fratze des ungebändigten brutalen Kapitalismus zeigen. Einmal ganz zu schweigen davon, was das Metaverse für unsere Umwelt bedeutet. Denn irgendwoher muss ja auch die Energie für das Vorhaben kommen.

Es ist bezeichnend, dass sich die Reichen und Mächtigen der Welt ohne jegliche Scham an den Ressourcen unserer Erde bedienen. Und es ist traurig, dass es uns bis heute nicht gelingt, die Welt, in der wir leibhaftig leben, zu einem schönen und lebenswerten Ort für alle Menschen zu gestalten. Ich wäre schon froh, wenn sich die deutschen Stadtplaner*innen so einbringen könnten, dass in unseren Städten nicht nur schicke Lofts an den Flüssen und Seen für wohlhabende deutsche, saudische und chinesische Investoren hochgezogen würden, die dann sogar die Wege am Wasser für die Normalos sperren.

Ich bin dafür, dass stattdessen über eine generationenübergreifende , ökologische und inklusive Gestaltung unserer Städte für alle Bürgerinnen und Bürger nachgedacht wird. Da gibt es Vorbilder! Das wären dann Orte, an denen man keine Brillen braucht, um angenehme leibliche Reize zu bekommen, einfach, weil es ausreicht, den eigenen Leib zu spüren. Es wären Städte und Dörfer, in denen man sich freuen dürfte am spannenden Zusammensein mit anderen leibhaftigen Menschen. Fangen wir mit einer solchen offenen, transparenten Konzeption doch bei unseren kircheneigenen Grundstücken und Gebäuden an! Da investiere ich gerne und bin ich dann wirklich und leibhaftig dabei!

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Foto: Harald Oppitz

Angela Rinn

Angela Rinn ist Pfarrerin und seit 2019 Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Herborn. Sie gehört der Synode der EKD an.


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