Alters-Grandezza

Ein langes Leben

Adriana Altaras hat schon mehrfach bewiesen, wie charmant und lebensnah sie von ihrer bemerkenswerten jüdischen Familie zu erzählen versteht, die ursprünglich in Zagreb zu Hause war. Ihr letztes Buch ist während des Lockdowns entstanden und ihrer italienischen Tante gewidmet, der sie innig verbunden ist, seit sie als kleines Mädchen ein paar Jahre bei ihr gelebt hat.

Beide sind sie nun isoliert, die 99-jährige Tante in einem Pflegeheim in Mantua, Adriana Altaras in Berlin. So ist die Erzählung zweistimmig angelegt: Immer abwechselnd kommen Tante und Nichte mit ihren Überlegungen und Erinnerungen zu Wort.

Wunderbar gelingt es der Autorin, sich in die alte Dame hineinzudenken, die sich eingesperrt fühlt in einem Totenhaus, schlecht sieht und hört und innerlich doch quicklebendig ist, so viel zu denken und zu erinnern hat: Ein langes Leben zieht an ihr vorbei, das sie zu genießen verstand als begeisterte Schwimmerin und Köchin, große Hundeliebhaberin, reiselustig, mit einem Faible für teure Kosmetik und Antiquitäten. Und doch gequält vom Trauma der Shoah, der Vertreibung, des Lagers … Immer wieder misstrauisch, ob die Faschisten nicht doch noch da sind.

Das ist stark erzählt und wird im Hörbuch von Angela Winkler mit feiner Wärme und Ruhe vergegenwärtigt. Dazwischen dann die Autorin selbst: temperamentvoll, mit sympathischer Selbstironie, aber auch Neigung zur Selbstdramatisierung – etwas redundant, was ihren eigenen Kummer angeht, nachdem sich ihr Mann von ihr getrennt hat. Da wäre weniger wohl mehr gewesen, aber der Lockdown dauerte ja auch lang. Das Zuhören macht allemal Vergnügen, macht auch Mut für’s Altern – und bringt jüdisches Leben nah, das so ganz normal ist und nach der Shoah eben doch nie so ganz ...

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Angelika Obert

Angelika Obert ist Pfarrerin im Ruhestand in Berlin. Sie war bis 2014 Rundfunk- und Fernsehbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb).


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