Ein großes Puh!

Nach rund dreieinhalb Jahren Diskussion endete der katholische Reformprozess Synodaler Weg am Samstag in Frankfurt
Regenbogenfahne auf der Tagung des Synodalen Wegs
Foto: Synodaler Weg/Maximilian von Lachner

Segensfeiern für Homosexuelle und wieder verheiratete Geschiedene. Rom soll prüfen, ob nicht das Frauendiakonat eingeführt und der Pflichtzölibat abgeschafft werden kann, fordern die deutschen Bischöfe. Ein Bekenntnis zur geschlechtlichen Vielfalt in der Kirche. Mehr reguläre Predigten von männlichen und weiblichen Katholiken ohne Weihe in normalen Gottesdiensten. Ein die Macht teilender Synodaler Ausschuss von Bischöfen und Laien. All dies sind nach dreieinhalb Jahren Arbeit wesentliche Beschlüsse des Reformprojekts Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Es sind so etwas wie halbe Erfolge. Aber die Machtfrage bleibt erst einmal unbeantwortet, analysiert Philipp Gessler.

Was war das jetzt? War dies ein „historischer Moment“, wie einer der beiden Vizepräsidenten des katholischen Reformprojekts Synodaler Weg, Franz-Josef Bode, in Frankfurt nach dem Ende des rund dreieinhalbjährigen Gesprächsmarathons am Samstagnachmittag erklärte? Eine „entscheidende Weichenstellung“ und ein „erheblicher Schritt“, wie der Bischof von Osnabrück nachschob? Liegt demnach die sonst immer sehr kritische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ richtig, wenn sie das so aufwendige Unterfangen der katholischen Kirche in Deutschland als einen „weltweit beispielhaften Prozess“ beschreibt? Oder hat die Co-Präsidentin des Synodalen Wegs, Irme Stetter-Karp, recht, die sagte, es habe gerade in der Frauenfrage nur „Millimeter für Millimeter“ Fortschritte gegeben? Und „Jubelschreie“ von Frauen habe sie auf der Versammlung auch nicht gehört, so die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Tatsache ist: Es gab in Frankfurt viele jubelnde, stehend klatschende und Sekt trinkende Frauen, nachdem in allerletzter Minute auf dieser letzten von fünf Synodalversammlungen ein Text verabschiedet wurde, der vom Vatikan die Prüfung des Diakonats der Frau forderte. Und wer jubelte und klatschte, das waren Frauen, die sich meist über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte für mehr Rechte von Frauen in der Kirche eingesetzt haben. Sollte man nicht ihre Zufriedenheit ernst nehmen - und sie nicht, wie schnell auf Social Media geschehen, als irgendwie blind oder naiv diskreditieren, weil sie angeblich nicht sehen könnten oder nicht zeigen wollten, dass sie eigentlich nichts erreicht hätten? Schon unmittelbar nach dem dreitägigen Ereignis in einem Kongresszentrum am Main war die Tendenz zu beobachten, dass manche die Ergebnisse von Frankfurt deshalb klein redeten, damit sie scheinbar Recht behalten in dem, was sie schon immer gesagt hatten: Das bringe doch alles nichts! Schwatzbude! Übrigens kam das häufiger von Leuten, die gar nicht in Frankfurt dabei waren, die dortige Spannung also nicht erlebt hatten, was solche Urteile natürlich erleichtert.

Mühsamer Prozess

Im Ende 2019 offiziell begonnenen Prozess Synodaler Weg, der vom Vatikan und vom Papst in Rom stets sehr misstrauisch beäugt, gar verurteilt wurde, konnten die über 200 Synodalen 15 Beschlüsse fassen, die die katholische Kirche in Deutschland reformieren sollen. Drei Jahre lang wurde in internen Foren online, per Zoom oder leibhaftig debattiert. Langsam schälten sich die endgültigen Texte heraus, die den Vollversammlungen nach mehreren Lesungen zur Entscheidung vorgelegt wurden. Ein sehr mühsamer Prozess, der auch ganz zum Schluss noch zu scheitern drohte, weil in Frankfurt noch so viel erledigt werden musste.

Einem halben Wunder glich deshalb zum Schluss, dass die Synodalen beim, wie vereinbart, letzten Treffen an drei Tagen und innerhalb von de facto nur 48 Stunden zehn mehr oder weniger umfangreiche Texte mit vielen Reformschritten per Zwei-Drittel-Mehrheit der Synode verabschiedeten. Und das in einem diskursiven und organisatorischen Kraftakt, den selbst die Köpfe der Versammlung zu Beginn der Tagung kaum für möglich gehalten hatten, wie der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Co-Präsident des Synodalen Weges, der Limburger Bischof Georg Bätzing, sagte.

Deshalb allerorten ein großes Puh! Denn all dies gelang nur äußerst aufwendig, ja bürokratisch, streng nach Geschäftsordnung, mit komplizierten Verfahrens- und Satzungsregeln. Und mit Redebeiträgen, die die Sitzungsvorsitzenden nach strikt zwei Minuten, manchmal aber auch nur nach einer Minute nachdrücklich beendeten, um alle zu Wort kommen zu lassen, der oder die sprechen wollte. Der Jubel, der am Ende nach Verabschiedung mehrerer Texte zu hören waren, waren deshalb auch Ausdruck von Erleichterung, es dann doch irgendwie geschafft zu haben. Trotz allem.

Viele Kröten

Dieses „Trotz allem“, das war vor allem die Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe, die bei allen Beschlüssen des Synodalen Weges gewonnen werden musste. Um das zu erreichen, waren die nicht-bischöflichen Synodalen, Priester, Nonnen und Laien, bereit, sehr viele Kröten zu schlucken, die ihnen die Oberhirten auf den Synodentisch knallten. Gerade die Texte mit den Forderungen nach mehr Frauenrechten wurden so noch in letzter Minute durch Bischofsanträge stark verwässert. Das stieß nicht nur vielen weiblichen Synodalen sehr übel auf. Es erklärt auch die gemischten Reaktionen vieler Frauen auf die verabschiedeten Dokumente. Aber immerhin konnten so die Texte eben doch verabschiedet werden, anstatt dass sie nach gut vier Jahren intensiver Arbeit einfach in der Tonne landeten.

Das war ein ziemlich brutales Machtspiel, das die Bischöfe um ihrer Einheit willen da zu spielen bereit waren – häufig mit dem Verweis auf die Weltkirche oder Rom, die beide für mehr nicht bereit seien. Nicht wenige Synodale sprachen von „Erpressung“ durch die Bischöfe, von denen einige allerdings ihren Wortmeldungen zufolge auch zu mehr Reformen bereit gewesen wären. Bei einer Reflektionsstunde im Plenum zum Ende der Tagung wurden anonyme Kurzbilanzen von Synodalen vorgelesen, in denen neben vielen positiven Resümees auch von Gefühlen der „Machtlosigkeit“, einem „kaputten System“ und einem „schlimmen Machtsystem“ die Rede war. Insgesamt aber war eindeutig weniger von Frust zu hören als von dem Gefühl, man habe da etwas geschafft, was nun weiter wirken könne, auch weltweit. Denn der deutsche Synodale Weg ist ja nur Teil eines ähnlichen Prozesses in allen katholischen Ortskirchen urbi et orbi. Das globale Vorhaben, angeschoben von Papst Franziskus, soll in etwa anderthalb Jahren mit einer Bischofssynode in Rom enden.

Geschlechtliche Vielfalt

Zu den offensichtlichen, wenn auch eher kleinen Erfolgen des Synodalen Weges hierzulande gehört nun, dass es in zwei, drei Jahren offizielle Segensfeiern für homosexuelle Paare in Kirchen geben wird – wenn nicht in allen Bistümern, so doch absehbar in fast allen. Denn am Ende kann jeder Bischof in seinem Bistum machen, was er will. Dies sind, genau betrachtet, auch keine Trauungen nach dem Ehesakrament, was theologisch noch schwierig ist, aber doch ziemlich nahe dran an dem, was sich liturgische Nicht-Fachleute von einer Trauung vor dem Altar erwarten. Auch wieder verheiratete Geschiedene sollen von ähnlichen Segensfeiern in der Kirche zukünftig profitieren. Aber sicherlich werden vor allem die sogenannten Homosegensfeiern die konservativen Katholikinnen und Katholiken auf der ganzen Welt empören: Genderideologie! Sodom und Gomorra! Die Deutschen trauen Schwule! Der Untergang des Abendlands!

Was Reaktionäre im Erdenrund ebenso aufregen wird: Die deutsche Ortskirche bekennt sich in einem Dokument der Versammlung ausdrücklich zur geschlechtlichen Vielfalt – die Jahrhunderte lange Verachtung und Diskriminierung von homosexuellen, queeren und non-binären Menschen in der Kirche hat nun offiziell ein Ende. Offiziell. Das gilt im Arbeitsrecht. Was das im Alltag bedeutet, wird sich jedoch zeigen.Weiterhin soll das Diakonat der Frau, also eine Art Vorform zum Frauenpriestertum, so fordert es die Synode, in Rom geprüft werden. Dies haben auch 80 Prozent der Bischöfe unterstützt. Das ist zwar keine besonders starke Forderung, weil die Würzburger Synode der deutschen katholischen Kirche dies vor knapp 50 Jahren ebenfalls schon gefordert hatte, ohne dass der Vatikan darauf geantwortet hätte. Aber dazwischen liegt eben auch ein striktes Verbot vom früheren Papst Johannes Paul II., über das Frauenpriestertum überhaupt zu diskutieren. Insofern war diese erneute Forderung nach dem Diakonat der Frau nicht selbstverständlich, auch wenn sie viel weniger war, als viele engagierte Frauen erhofft hatten. (Übrigens sind gerade die vor allem theologisch geprägten Texte zur Frauenfrage von einer beeindruckenden Qualität, eine Lektüre lohnt sich. Sie sind herunter zu laden unter: www.synodalerweg.de/beschluesse)

Mehr Predigten von Laien

Schließlich wird es zukünftig in Deutschland immer mehr offiziell bestellte „Laien“-Predigerinnen und -Prediger geben, in ganz normalen Messen. Auch dies wurde mit doppelter Zweidrittelmehrheit des Plenums und der Bischöfe beschlossen. Für die alltäglichen Gottesdienste ist das nicht unerheblich. Bedeutend ist auch ein Dokument, das von Rom eine erneute Prüfung eines Ende des Pflichtzölibats fordert. Auch dieser theologisch gut begründete Text wurde über Anträge der Bischöfe stark verwässert, von denen peinlicher Weise einige zudem immer nur anonym abstimmen wollten, was allerdings stets per Abstimmung im Plenum abgeschmettert wurde. Und auch hier stimmten viele Synodale trotz aller bischöflichen Weichspülung der Texte nach dem Motto zu: Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Hauptsache verabschiedet!

Nur ein Text für mehr Synodalität (oder Demokratie) in der Kirche wurde am Ende in den Synodalen Ausschuss überwiesen, in ein Gremium also, dessen Mitglieder zwar in Frankfurt gewählt wurden, der aber erst noch tagen muss, wohl ab Herbst, und noch keine Geschäftsordnung hat. In drei Jahren soll der Ausschuss ein Regelwerk für mehr Mitbestimmung der Laien in der katholischen Kirche in Deutschland erarbeiten, strikt nach Kirchenrecht. Dazu eine Satzung für einen mehr oder weniger regierenden Synodalen Rat von Laien und Bischöfen, den der Papst aber eigentlich schon abgelehnt hat. Das ist etwas kühn, aber auch eine sehr schwere, vielleicht unmögliche Aufgabe. Ob sie glücken kann? Bei der Machtfrage jedenfalls war der laute Widerstand der Bischöfe in Frankfurt am hartnäckigsten. Nicht wirklich überraschend. Wer gibt schon gern Macht ab?

Ein Fazit: War der Synodale Weg also nach dreieinhalb Jahren harter Arbeit am Ende ein Erfolg? Er war zumindest kein Debakel, dafür sind die verabschiedeten Texte und die getroffenen Beschlüsse dann doch von zu großem Gewicht und ordentlichem Niveau. Sie werden weltweit wahrgenommen werden und wirken. Draußen vor dem Tagungszentrum demonstrierten Befürworter und Gegner des Reformvorhabens: Die einen wollten mehr Reformen, die anderen überhaupt keine. Und schon jetzt waren viele offizielle Beobachter*innen aus aller Welt im Frankfurter Synodenrund. Aber reicht das an Reformen in einer offensichtlich krisenhaften Kirche? Vielleicht brachte es eine anonyme schriftliche Bemerkung in der Reflektionsstunde am Ende der Frankfurter Tagung trotzig ganz gut auf den Punkt. Sie lautete schlicht: „Wir sind nicht erledigt!“

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