Friedensstifter gesucht

Der Krieg in der Ukraine und die kirchlichen Aufgaben
Foto: Rolf Zöllner

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich vieles geändert, am dramatischsten und folgenreichsten natürlich für die Menschen in der Ukraine. Aber auch in der evangelischen Kirche in Deutschland wurde klar: Der Pazifismus, der Frieden schaffen durch Waffen ablehnt, ist in der Minderheit. Der protestantische Mainstream lebt im Spagat zwischen Sehnsucht nach Schalom und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, stimmt am Ende den Waffenlieferungen zu und hofft auf ein schnelles Ende des Krieges – wahrscheinlich vergebens.

Dabei könnte man es nun bewenden lassen, die unterschiedlichen Positionen sind markiert. Doch das Beharren des EKD-Friedensbeauftragten Friedrich Kramer auf seiner bekannten Position (in Verbindung mit einem unglücklichen Raunen über mögliche Waffenschiebereien durch Ukrainer) und die Unterzeichnung des umstrittenen gemeinsamen Aufrufes von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer durch die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann brachte erneut die Mehrheitsfraktion unter den Protestant*innen in Rage. Im Austausch der beiden Lager hat sich nach einem Jahr offenbar nicht viel bewegt. Die leider sehr auf das Thema Waffenlieferungen verengte Diskussion ist festgefahren und scheint derzeit fruchtlos.

In einem Mediationsverfahren würde man an diesem Punkt den Dissens feststellen und an anderen Stellen nach möglichen Konsensfeldern suchen, auf denen gemeinsam gearbeitet werden kann. Denn es gibt ja wahrlich genug zu tun, auch und gerade für die Kirchen und ihre Hilfswerke. Darauf haben jüngst Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Diakonie Deutschland hingewiesen. Sie leisten mit ihren Partnerorganisationen nicht nur in der Ukraine wertvolle humanitäre Hilfe, sondern kümmern sich auch in Deutschland mit um die rund eine Million Geflüchteten aus der Ukraine, die im vergangenen Jahr zu uns kamen. Etwa 70 Prozent von ihnen leben noch immer in privaten Wohnungen bei Einheimischen, sagte Diakoniepräsident Ulrich Lilie. Er verwies aber auch auf die zunehmende Erschöpfung der Helfer*innen und zu erwartende Spannungen. Denn er rechnet damit, dass die überwiegende Mehrheit der hierher geflüchteten nicht zurück in die Ukraine gehen wird.

Das würde bedeuten: Die schon jetzt an der Kante arbeitenden Kommunen bekommen zusätzliche Integrationsaufgaben, die bestehende Wohnungsnot wird verschärft, auf die wenigen freien Kita-Plätze bewerben sich noch mehr Familien, und die prekäre Lage an vielen Schulen wird noch ein wenig prekärer. Das alles ist Sprengstoff für eine Gesellschaft, die seit Jahren im Krisenmodus agiert und bei allen Problemen diesen bislang erstaunlich gut meistert. Aber die kommenden zusätzlichen Belastungen der Integration müssen einerseits jetzt viel aktiver von der Politik angegangen werden als bisher, anderseits erfordern sie ein noch stärkeres zivilgesellschaftliches und damit auch kirchliches Engagement.

Wie wäre es also nach einem Jahr Krieg in der Debatte mit einem Waffenstillstand im Streit um die evangelische Friedensethik und einem gemeinsamen verstärkten Engagement für den sozialen Frieden hierzulande? Es könnte sich lohnen. 

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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