Seit November 2022 ist sie beschlossen – ausgezahlt ist sie bis heute nicht. Die Energiepauschale für Studierende. 200 Euro sind viel Geld für junge Menschen, die nur knapp über die Runden kommen und oft jobben müssen, um überhaupt ihr Studium finanzieren zu können. Während alle Rentner sich bereits über die zusätzlichen Mittel des Staats freuen konnten, hat es die Bundesregierung bis heute nicht geschafft, die logistische Hürde vor der Auszahlung an Studierende zu wuppen.
Doch, merkwürdig: Ich nehme keinen kollektiven Aufschrei der Empörung wahr. Seltsam: Wenn es um ein von der EKD empfohlenes (!) Tempolimit auf deutschen Autobahnen geht oder um die „Letzte Generation“, dann fühlt sich so mancher männliche Ordinarius bemüßigt, sein theologisches Fachwissen in die öffentliche Debatte einzuspeisen oder sieht gar entrüstet die protestantische Freiheit gefährdet. Da gehen die Wogen hoch und es ist scheinbar ganz leicht, kostbare Zeit für einen Kommentar oder ein Interview zu opfern.
Narzisstische Kränkung
Diese Energie ist im Blick auf die Anliegen der Studierenden ganz und gar nicht vorhanden. Offensichtlich haben einige Professoren noch eine Haltung, die Jörg Lauster mit Recht als „Attitüde eines deutschen Professors aus dem Kaiserreich“ geißelt. Möglicherweise handelt es sich um eine Form selektiver Wahrnehmung, die mit dem Erklimmen akademischer Würden nur noch die eigene Bubble wahrnimmt. Oder um den Versuch der Sublimierung einer narzisstischen Kränkung. Der eigene Bedeutungsverlust beschäftigt mehr als die jungen Menschen, für deren Ausbildung man vom Staat eingestellt worden ist. Wie furchtbar, dass man sich nicht mehr wie in seligen Zeiten von Assistenten den Weg durch die Studi-Massen zum Katheder bahnen lassen kann! Das geht übrigens schon deshalb nicht, weil so wenige wie nie das Theologiestudium an deutschen Universitäten begonnen haben.
Es mag sein, dass bei „Erstis“ im einstelligen (!) Bereich die Anliegen der Studierenden einfach ausgeblendet werden. Das betrifft nicht nur das Geld, auf das die Studis bis heute dringend warten. Es geht auch um ein Interesse an dem beruflichen Kontext, in dem sie später eingesetzt werden. Wohlfeiles EKD-Bashing vom akademischen Thron gibt es reichlich. Mir fehlt dagegen konstruktives Engagement im Blick auf die Gestaltung von Kirche und Interesse an der zukünftigen Berufswirklichkeit der Studierenden. Das aber nur nebenbei.
Offener Brief
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Natürlich dürfen auch ältere, weiße Männer sich kritisch zur Kirche und zu Klimaprotesten äußern. Und, klar, noch ist es nicht verboten, mit Tempo 200 über deutsche Autobahnen zu fahren. Wenn man das zur eigenen Entfaltung braucht… Hier ist man in guter Gesellschaft mit einem evangelischen Bischof aus dem Süden.
Ganz konkret würde ich mich aber über einen offenen Brief an die Bundesbildungsministerin freuen, in dem diese aufgefordert wird, ihre Zusage vom November umgehend umzusetzen. Das wäre einmal ein konkretes Zeichen dafür, dass Theo-Profs ihre Studierenden wirklich am Herzen liegen.
Angela Rinn
Angela Rinn ist Pfarrerin und seit 2019 Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Herborn. Sie gehört der Synode der EKD an.