Überraschende Jahresworte

Punktum

Alle Jahre wieder stehen sie an: die guten Vorsätze aus der Silvesterrunde für das neue Jahr. Schon die Baby­lonier sandten vor viertausend Jahren ihre Versprechen zur Besserung an die Götter, und die alten Römer opferten Gott Janus ihre Gedanken zur Selbstoptimierung.

Heute, während alle über Klimawandel, Coronakrise, Angriffskrieg und Gaspreisdeckel diskutieren, vermitteln Böller und Champagner einen faden Beigeschmack. Festtagspfunde und Fastenvorsätze wollen nicht mehr so recht in die Zeitenwende passen. Nach den Wirtschaftswunder-Klassikern unserer Eltern wie „Weniger Rauchen“ und „Mehr Sport“ steht heute die Nachhaltigkeit auf dem Programm. Wollen wir nicht alle im neuen Jahr ein wenig die Welt verbessern?!

An guten Ratschlägen mangelt es mir nicht, im Bekanntenkreis kursieren bereits praktische Ansätze für Utopia. Sie reichen vom „Fair-Fashion-Label“ für meine Wintersocken über „Ethisches Banking“ meiner überschaubaren Ersparnisse bis hin zu „Weniger Lebensmittel wegwerfen“ meiner Kühlschrankvorräte. Hin- und hergerissen bin ich noch zwischen „Positiv formulieren – Verbündete suchen und Erfolge belohnen“. Es bleibt meine Not, in 2023 wenigstens einige der Ziele und Wünsche zu erfüllen, die ich mir im vergangenen Jahr vorgenommen habe.

Vielleicht hilft die Jahreslosung 2023. So alt wie die Bibel. Buch Genesis, Kapitel 16 Vers 13, das Drama von Abram und Sarai, verkürzt auf „Du bist ein Gott, der mich sieht“. Die Magd Hagar fühlt sich von Gott wahr­genommen, sie wird in der Wüstenei gesehen und begleitet. Und damit steht fest: Erstmals zitiert eine Jahreslosung die Worte einer Frau. Die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen hat Silvester verstanden, und ich freue mich auf ein Neues. 

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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