Konfliktfreudig

Pfarrer in der Bundeswehr

Klaus Beckmann war bis 2020 evangelischer Militärdekan, begleitete Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan und Mali und arbeitete danach als persönlicher Referent des Militärbischofs. Den kirchlichen Friedensdiskurs sieht der evangelische Theologe kritisch. Provokativ legt er in seinem Buch dar, der sogenannte deutsche Nationalpazifismus könne auf dem Hintergrund des nicht bewältigten Nationalprotestantismus interpretiert werden. „Nie wieder Krieg!“ ist für Beckmann eine spezifisch deutsche Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg; sie stelle militärisches Handeln auf dieselbe ethische Stufe, egal, ob es Unrecht stürze oder stütze. Weshalb der gesellschaftliche Konsens in Polen oder Israel eher „Nie wieder wehrlos!“ laute, werde in Deutschland nicht ausreichend reflektiert. Man darf gespannt sein, wie diese brisanten Überlegungen in der Diskussion über Friedensethik und Sicherheit aufgenommen werden. Es bleibt abzuwarten, ob sie da auf Offenheit treffen, wo Streitkräfte und Militärseelsorge prinzipiell abgelehnt werden.

Um „Änderungsbedarf anzuzeigen“, wirft Beckmann auch einen kritisch-konstruktiv herausfordernden Blick auf die Militärseelsorge. Besorgt ist der Theologe, der heute als Religionslehrer arbeitet, über öffentliche Äußerungen des Militärgeneraldekans Matthias Heimer, der der höchste staatliche Beamte der evangelischen Militärseelsorge ist. Heimer charakterisierte 2020 in einem Aufsatz das von ihm als Militärgeneraldekan geleitete Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr „als ‚Teil des Systems und der Systemlogiken‘, die der Bundeswehr zu eigen seien“. Beckmann widerspricht: Der Militärseelsorgevertrag sehe nicht vor, die Verwaltung dieses kirchlichen Handlungsfelds militärischer Systemlogik zu unterstellen, sondern betone im Gegenteil die Freiheit der Militärgeistlichen gegenüber staatlichen und militärischen Weisungen im pastoralen Dienst. Jene Äußerung des Generaldekans zeuge gemäß Beckmann von einer vereinnahmenden Neigung der militärischen und behördlichen Struktur gegenüber der Seelsorge. Seelsorge sei zweckfrei und entziehe sich solchen Erwartungen Dritter.

Ferner kritisiert Beckmann weitere Äußerungen des Militärgeneraldekans zu einem Vorgang, den die Zeitschrift des Bundeswehrverbandes 2020 dokumentiert hat. Heimer erklärte das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr zu einer „‚Truppenkameradschaft‘“. Beckmann hält es für sachlich verfehlt, wenn Militärgeistliche für sich selbst die Bezeichnung Kameraden anstreben, während Heimer dem „Vorgang erhebliche ‚Symbolkraft‘ und ‚historische Dimension‘“ zuschreibt. Bewusste Abstinenz vom Kameradenbegriff drücke laut Beckmann nötige professionelle Distanz und Rollenklarheit aus. Es zolle den Menschen in Uniform Respekt, denn Militärgeistliche seien den Soldatinnen und Soldaten zwar nahe, doch sie teilten nicht alle Lasten ihres Dienstes.

Um die pastorale Arbeit gegen den Sog des militärischen Systems zu stärken, sei eine synodal geprägte Ordnung der Militärseelsorge nötig, wie sie den verfassten Protestantismus insgesamt kennzeichne. Anders als in zivilen Kirchengemeinden hätten Militärgeistliche bisher kein gewähltes Gemeindeparlament als institutionalisierten Rückhalt. Daher fordert Beckmann als Konsequenz aus pastoraler und kirchentheoretischer Einsicht gewählte kirchliche Basisvertretungen. Diese könnten die Spannung zwischen staatlicher und kirchlicher Leitung der Militärseelsorge befrieden. In der Bundeswehr gäbe es regelmäßig Wahlen von Vertrauenspersonen und Personalräten, daher sei es gut denkbar, dass Soldaten künftig auch kirchliche Basisvertretungen in der Militärseelsorge wählen.

Das Buch, im Untertitel Streitschrift genannt, sei allen empfohlen, denen Friedensethik und eine Reform der Militärseelsorge am Herzen liegen.

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