Meilensteine sind eine tolle Sache. Schon die alten Römer zeigten damit an, wie weit man auf den von ihnen erbauten Straßen gekommen war. In der Neuzeit wurden sie zu kleinen Baudenkmälern, gerne in der Form eines Obelisken. Und im Projektmanagement freut sich das Team über jeden erreichten Meilenstein. Denn er gibt Orientierung. Er muss allerdings auch wahrgenommen werden.
Ende September informierte die EKD per Pressemitteilung über ihren neuesten Meilenstein. Kirchenkonferenz und Rat haben eine Richtline für den kirchlichen Klimaschutz verabschiedet. Für eine Pressekonferenz scheint die Frage, wie die Gliedkirchen der EKD bis 2035 klimaneutral werden sollen, also nicht bedeutsam genug gewesen zu sein. Zugegeben, es gab mit „#wärmewinter“ ein anderes sehr wichtiges Thema, das in der gleichen Woche der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Doch dass das Megathema Klimaschutz auf die Art und Weise kommuniziert wurde, in der man auch über die „Orgel des Monats“ berichtet, wundert schon.
Dabei steht ja viel Wichtiges in der Richtlinie, was am Ende auch jede Kirchengemeinde beschäftigen dürfte. Dienstreisen, das Heizen in kirchlichen Gebäuden und ihre Sanierung, die Beschaffung von Arbeitsmitteln und das Essen in kirchlichen Kantinen – das sind die Hebel, mit denen die Treibhausgasemissionen jedes Jahr um 7,5 Prozent sinken sollen. So lautet die Festlegung der Roadmap zur Klimaneutralität.
Ziel aufgeweicht
Diese wurde übrigens im vergangenen Jahr von der EKD-Synode eingefordert, nachdem die bisherigen Klimaschutzziele immer wieder verfehlt worden waren. Der Impuls kam also aus der Mitte der Synode, weshalb es fragwürdig ist, dass diese Richtlinie verabschiedet wurde, ohne sie vorher nochmal auf der Synodaltagung diskutieren zu lassen. Kirchenrechtlich wäre das zwar nicht nötig gewesen, die Bedeutung des Themas und der Respekt vor den Synodalen hätten dies aber durchaus verdient gehabt.
Dass statt des ursprünglich geplanten Kirchengesetzes nun eine Richtlinie den Weg zur Klimaneutralität weist, dafür gibt es gute Gründe. Die Landeskirchen sind auf diesem Weg unterschiedlich weit, manche haben schon ein eigenes Klimaschutzgesetz, was erhöhten Abstimmungsaufwand erfordert hätte. Andere stehen solchen Vorgaben der EKD grundsätzlich skeptisch gegenüber. Und weil sich am Anfang eines Weges möglichst alle auf den Weg machen sollen, ist eine Richtline ein sinnvoller Weg. Sie gibt das Ziel vor und überlässt den Weg dorthin den Beteiligten. So hat auch die UN damals in Paris aus der klimapolitischen Lähmung herausgefunden.
Doch das Beispiel lehrt auch, dass es risikoreich ist, zu viel Rücksicht auf die Langsamsten zu nehmen. Das in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel scheint immer weniger realistisch. Die EKD-Richtline hat schon jetzt das vorgegebene Ziel aufgeweicht. Wirkliche Treibhausgasneutralität durch Vermeidung und Reduzierung soll nicht bis 2035, sondern bis 2045 erreicht werden. Zehn Jahre vorher sollen die Emissionen bei zehn Prozent des heutigen Wertes liegen, der Rest darf kompensiert werden. Vielleicht ist das alles vernünftig, realistisch und konsensorientiert. Aber ohne engagierten Klimaschutz in jeder Kirchengemeinde, ambitionierte landeskirchliche Programme sowie ein strenges Monitoring durch die EKD und ihre Synodalen wird das Ziel nicht erreicht werden. Alle Beteiligten müssen hier mehr Verantwortung übernehmen als in der Vergangenheit.
Stephan Kosch
Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".