Wohliges Unbehagen

Allerlei von Van Zandt & Co.

Bei auswegloser Überwältigung tut Launiges not: ein Furz in weihevoller Stille etwa oder herzhaftes Lachen „danach“. Auch Townes Van Zandts Songs (1944 – 1997) brauchen Gegenmittel – weil sie so schön sind und ihre Schwermut derart triftig lockt, dass es zaust. Die lieferte der von Texas-Country und -Blues, Hank Williams und Bob Dylan geprägte Singer-Songwriter selber, als er befand: „Ich denke nicht, dass meine Lieder alle so traurig sind. Ich habe ein paar, die nicht traurig sind. Die sind nur hoffnungslos.“ Ihre zu Gitarren-Picking, mitunter auch Drums, Mundharmonika und einem Hauch von Bass dargebotenen Themen sind klassisch: Heimatlos- und Unstetsein, Einsamkeit, Verwirrungen der Liebe. Und immer lauert der Tod. Kohelet-mäßige Vergeblichkeit, die Essenz des biblischen Predigerbuches, die er in markante, genial schlichte Bilder fasst und mit warmer, fast schüchterner Stimme singt, aber nie sentimental oder pathetisch klingt. Ein Mann mit Nimbus, geringem Erfolg und stabiler kleiner Fangemeinde, darunter viele Musiker.

Man schaue nur, wer ihn coverte. Dass sein Werk in der Doom-Metal-Ecke hochgehalten wird, mag überraschen, weil sich deren Musikalität so manchem nicht gleich erschließt. Mit My Proud Mountain gibt es sogar eigens ein Label dafür, wo 2012 die erste The Songs of Townes Van Zandt-Ausgabe erschien. Mitglieder der einschlägigen Bands Neurosis und Saint Vitus coverten TVZ-Songs, auch um ihn in der Szene bekannt zu machen. Die Gestimmtheit passte ohnehin.

Wiederum umwerfend liegt jetzt die dritte Ausgabe vor. Mit je drei Covern erweisen ihm Mezzosopran-Americana-Folkerin Marissa Nadler, die Post Metaler Amenra aus Belgien und die US-Metalcore-Band Cave In ihre Referenz. Und wer weiß, wie viel Schmiedehammer gerade die Letzteren können, erfasst sofort, wie stark die TVZ-Songs sind. Denn im Einsatz ihrer spezifischen Mittel bleiben sie spärlich, obwohl sie anderes vorhatten, wie sie sagen. Die Cave In-Live-Fassung von „Nothing“ ist sogar komplett Gitarren-akustisch, aufgenommen 2018 einen Monat nach dem Unfalltod ihres Bassisten. Gänsehaut stellt sich ein – und bleibt. Die Absage stimmt: „That’s the heavy shit.“ Fast gesprochen, mit Drone-Sound. Auch Amenra inszenieren zurückhaltend, nur ihre „Flying Shoes“ sind ein packender Ambienttrack. Doom Metal grenzt eben an Prog Rock.

Nach einer an Nick Drake erinnernden Cave In-Version von „At My Window“ hat Marissa Nadler in den Hidden Tracks TVZs Klassiker „Waiting Around To Die“ das letzte Wort: Streicher, Chorgesang und Gitarre. Großartige Songs und stark interpretiert, allerdings mit unverzichtbarer Packungsbeilage, ähnlich wie jene von Joy Division oder das frühe Paul Celan-Gedicht „Drüben“.

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