Erinnerungen

Erinnerungen

Überlebt im KZ

Unter den vielfältigen Schilderungen der Holocaust-Überlebenden warf bisher Liana Millus "Der Rauch über Birkenau" ein anderes, ein besonderes Licht auf das Leben und Überleben im KZ: eines der ersten Bücher, 1999 erschienen, die – aus weiblicher Perspektive geschrieben – größere Bekanntheit erreichten. Nun ist – endlich – "Die Elektrikerin"veröffentlicht worden: eine berührende Überlebensgeschichte.

Bereits 1974 hatte Franci Rabinek Epstein ihre Erinnerungen verfasst. Jeder Verlag, dem das Manuskript angeboten worden war, hatte abgelehnt. Für die 1970er-Jahre war es zu offenherzig, zu direkt. Es ging darin auch um Sex, als Tauschhandel, als lesbische Liebe und noch mehr. Im Nachwort wird man in die Enttäuschung der Autorin über die Absagen hineingenommen. Ihre Tochter, Helen Epstein, beschreibt sie im Nachwort – wie auch ihr eigenes Ringen mit den traumatischen Schilderungen ihrer Mutter.

Den Ausschlag gab ein Interview, das Franci Rabinek Epstein als Holocaust-Überlebende gegeben hatte, das als Video archiviert worden war – und das ihre Tochter das erste Mal auf YouTube sah: lebendig, eindrücklich und auf eine sympathische Art erzählt. So sind auch ihre schriftlichen Erinnerungen gut zu lesen: Man wird sofort hineingenommen in die Atmosphäre der Prager Sammelstelle für die Deportation von Juden im September 1942: stickig, verängstigend, erniedrigend. Endgültig wird aus der sorglosen und etwas unbedarften Modedesignerin Franci Rabinek diejenige, die ihre Eltern nach Theresienstadt begleitet und sich dort von ihnen trennen muss. Mit der Zeit nimmt sie die selbstlosen, gar noblen wie die eigennützigen bis ehrlosen Verhaltensmuster im Ghetto wahr. Aber auch: Nie wieder habe sie eine berührendere Aufführung von Verdis „Requiem“ erlebt als an jenem Ort.

Auf ihrem weiteren Überlebensweg wird ihre Wahrnehmung schärfer und es ändert sich ihre Identität. Seit sie in Auschwitz-Birkenau angekommen ist, schreibt sie, die zu einer Nummer geworden ist, in der dritten Person: A-4116 wird der Näherei zugeteilt, A-4116 steht erst zum Appell und dann zur Essensausgabe an. A-4116 hört, dass sich die SS hübsche Jungs in ihre Baracken holen, die Pipl. A-4116 hat auf der Rampe zur Selektion vor dem Dr. Mengele den Einfall, „Elektrikerin“ als Beruf anzugeben, was nicht einmal ganz falsch ist, und kann zur rechten Seite abtreten.

Um nachvollziehen zu können, wie sie der Entmenschlichung entgehen konnte, benutzt sie beim Schreiben ihrer Erinnerungen die ihr in den linken Unterarm eintätowierte Nummer: Sich so zu nennen schafft Jahrzehnte später die notwendige Distanz zu jenem Lebensabschnitt.

Als A-4116 konnte sie damals vielleicht auch eher den Mut im Überlebenskampf aufbringen und den ihr eigenen Stolz bewahren, auch noch im KZ Neuengamme und in dessen Außenlagern im zerstörten Hamburg. Nach Bergen-Belsen, nach Rettung und Typhus-Erkrankung lebt es wieder auf: das „Ich“ …

Aber ihre Identität bleibt gebrochen; vieles in dem Leben, das sie sich zurückerobern konnte, bleibt schwierig. Doch sie bleibt eine stolze Frau. Mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod 1989 kann man nun teilhaben an ihrem Erleben und ihren Beschreibungen von Größe in zurückgewiesener Liebe, auch von Neid, von List und Dreistigkeit. Man blickt in eiskalte Augen und hört gebellte Kommandos. Und man kann sich – nicht zuletzt dank der ansprechenden Übersetzung Sabine Niemanns – schließlich auch an der Ausgelassenheit von Franci Rabinek und ihrer Schicksalsgenossinnen in unverhofften Situationen mitfreuen. Unglaublich, dass es das auch gab.

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Türe auf

Türe auf

Pflege von Geist und Seele

"Zum entwickelten Menschsein gehört freilich nicht nur die Körperpflege, sondern auch die Pflege von Geist und Seele.“ Wer Ruhe und Zuspruch benötigt, wer Ausschau hält nach Eintracht und „Lindigkeit“, das heißt Freundlichkeit, Güte, Milde, Nachsicht – ein geliebtes Wort dieses Predigers –, möge nach diesem Buch greifen. Im Anschluss an den elementaren Satz von der Pflege, kann einem die vierte Strophe von Zinzendorfs „Jesus geh voran“ einfallen: „Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch raue Wege, gib uns auch die nötge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.“

Ordne unsern Gang: Karl-Heinrich Lütcke, geboren 1940, war Studienleiter am Predigerseminar in Württemberg. 1977 wurde er ins Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (West) berufen. Von 1990 an war er bis 2005 Propst und damit Theologischer Leiter des Konsistoriums und Stellvertreter der Bischöfe Martin Kruse und Wolfgang Huber. Die beiden unterschiedlichen episkopalen Leiter waren froh, dass sie Lütcke an ihrer Seite hatten.

Er weiß, was das entscheidende Ereignis auch seines Lebens und seiner Laufbahn ist: „Ostern, die Auferstehung Christi, steht für den Sieg des Lebens über den Tod, für die Kraft Gottes, die neuen Lebensatem und neuen Lebensmut schenkt. Was als Ende aller Hoffnung erschien, der Tod Christi am Kreuz, das wendet sich zum Beginn neuen Lebens … Das ist Gegenwart Christi unter uns. Wir müssen uns nur die Augen öffnen lassen.“ Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Führst du uns durch raue Wege: Die Zusammenführung – nach der friedlichen Revolution 1989 – der EKiBB Ost und West ist in Lütckes Dienstzeit die raueste Etappe, die er jedoch gemeinsam mit dem Propst der Ost-Region Hans-Otto Furian vor-züglich bewältigte: Lütcke und Furian waren Vor-Züge – starke Motoren – in dieser Wiedervereinigung.

Wie gingen Pröpste ihre Aufgaben in einer so herausfordernden Situation an? Dadurch, dass sie das Grundamt der Kirche ausübten – nämlich Tröster und Seelsorger zu sein. Wie? Beim West-Propst ist zu hören: „Das hebräische Wort für trösten heißt eigentlich: machen, dass jemand wieder frei atmen kann. Eine schöne Aufgabe, Menschen zu trösten, ihnen zu helfen, dass sie wieder frei atmen können.“

Gib uns auch die nöt‘ge Pflege: Wie? „Wir schauen dankend … ins Auge Gottes, der uns Leben und Nahrung schenkt. In solchem Danken treten wir heraus aus dem alltäglichen Lebensgefühl, in dem uns so selbstverständlich wird, was wir haben.“ Und da weiß der Autor, was gerade Evangelische zu bewähren haben: „Evangelisch sein heißt: Weil wir im Glauben, im Gottvertrauen frei werden von der Lebensangst, können wir mit Ernst und Engagement, gewissenhaft und sorgsam unseren Alltag bestehen, Verantwortung wahrnehmen für die Welt, leben nicht jenseits der Liebe, sondern im Kraftzentrum der Liebe Gottes.“

Tu uns nach dem Lauf deine Türe auf: Lütcke ist in seinem Lauf ein „getreuer Eckart“, das heißt, er ist ein Vermittler, einer, der in schwierigen Lagen den Karren, der vom Weg abgekommen ist und festsitzt, herauszieht.

Dem Rezensenten jedoch fehlen recht eigentlich in seinem Buch explizite Ausblicke in die Ewigkeit Gottes. Es kann sein, dass das Buch einen Mangel an erfreulichen eschatologischen Perspektiven hat. Denn gewiss ist ja, dass es zum Trost und zur Freude – nicht nur von Pröpsten – in der „lieben Ewigkeit“ keine Konsistorien mehr gibt.

Bis dahin jedoch ist zu lernen: „Paulus kennt sicher beides: die Todesangst und die Todessehnsucht. Aber der Glaube an Christus befreit ihn davon. Er hat keine Angst vor dem Sterben, denn er weiß: Er ist dann bei Gott mit Christus. Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn.“ Womöglich vermag man über die Ewigkeit redlicherweise gar nicht mehr zu sagen. Jedoch können die Leser dieses Buches sich vorstellen, was Propst Lütcke im Himmel für eine Aufgabe hat: Er hält „nach dem Lauf seine Türe auf“.

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Zweideutig

Zweideutig

Sozialform Kirche

Der Titel des jüngsten Buches von Hans Joas, dem produktiven Soziologen, katholischen Intellektuellen und Berliner Ernst-Troeltsch-Honorarprofessor, ist mindestens zweideutig. Die Frage „Warum Kirche?“ ist trotz der untertitelten Alternative „Selbstoptimierung oder Glaubensgemeinschaft“ nicht selbsterklärend. Gleich das erste Kapitel führt jedoch mitten hinein in den instruktiven Kern der Aufsatzsammlung: Hans Joas fragt nicht, wie man vermuten könnte, wozu Kirche nützlich sei, wozu sie (heute noch) gebraucht werde. Vielmehr steht eine Verwunderung am Anfang, das Staunen über die unwahrscheinliche institutionelle Kontinuität von Kirche durch die Jahrhunderte der Christentumsgeschichte hindurch. Entsprechend fragt Joas nach den Ursachen der Sozialgestalt Kirche, warum sie einen spezifischen Mehrwert darstellt, gar notwendig ist.

Auf der Suche nach Antworten führt er ausgewählte soziologische und religionstheoretische Stränge aus seinem Werk neu zusammen. Interpretationen zu Ernst Troeltsch, Max Weber, Alfred Döblin und anderen tragen zu einer Lesart von Kirche bei als „Genossenschaft der Gläubigen (…), die hierarchischer Strukturen bedarf, um gegenüber den Machteinwirkungen von außen ihre Handlungsfähigkeit im Sinne ihrer Ideale zu gewährleisten“. 

Im Hintergrund steht ein grundsätzliches Projekt in Joas’ Theoriebildung: die Ermöglichung und Verteidigung des moralischen Universalismus, die sich in der „Sakralität der Person“ als „Glaube an die irreduzible Würde jedes Menschen“ niederschlägt. Solche auf die ganze Menschheit gerichteten „anspruchsvollen Ideale“ sind in außeralltäglichen, intensiven Erfahrungen der Selbsttranszendenz fundiert. Sie stellen nicht automatisch religiöse Erfahrungen dar, sondern sind nur insofern eine „Brücke zum Glauben“, als sie im Kontext der bewahrenden, beständigen Institution Kirche religiös artikuliert werden.

Transzendenz will dementsprechend gut organisiert sein, weder kann sie nämlich durch Individuen tradiert werden noch sind Institutionalisierungen ohne Kompromisse möglich. In der Transzendenz liegt für Joas dann auch die Substanz des Religiösen: Der tiefere Sinn etwa des christlichen Glaubens ist es, jenseits der Selbstoptimierung einen Raum des Heiligen zu eröffnen. Gelingende Selbstverwirklichung meint dann gerade eine Öffnung über sich selbst hinaus, was gleichzeitig ihre kommunitäre Dimension darlegt. Ergänzt wird dieser argumentative Kern durch Ausführungen etwa zum subjektiven Überzeugungswandel im Rahmen von Konversionen oder zur Überwindung der (europäischen) Säkularisierungserzählung vom zwangsläufigen Bedeutungsverlust der Religion.

Zweifelsohne haben wir es hier mit dem Plädoyer eines nicht unbeteiligten, hochengagierten Autors für die Sozialform Kirche in ihrer katholischen Gestalt zu tun, freilich in einer sympathischen Deutung. Für die akuten römisch-innerkirchlichen Reformdebatten gibt Joas auch Impulse zu bedenken, etwa den Vorrang mystischer vor institutioneller Einheit, die Notwendigkeit innerkirchlicher Vielfalt trotz weltumspannender Orientierung oder den Mut zu mystisch-spiritueller Revitalisierung. Demgegenüber erscheint ihm die öffentlichkeitswirksame amtskirchliche Konzentration auf Moral zu Recht als „höchst problematisch“.

Für Joas sind die Kirchen ganz und gar keine „Moralagenturen“, und spätestens hier sollte dann auch der verfasste Protestantismus aufmerken: Kirchen sollten die christliche Botschaft nicht individualistisch-moralisch vereinseitigen und politisieren. Sie sollten besser ein reflektiertes Verständnis des christlichen Universalismus entwickeln, das partikulare Verpflichtungen mitdenkt und Politik so ermöglicht statt behindert. Sowohl Kenner von Joas’ Schriften als auch Neulinge werden dieses anregende Buch mit Gewinn lesen.

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Julian-Christopher Marx

Dr. phil.  Julian-Christopher Marx ist Wissenschaftlicher Referent für Religions- und Migrationspolitik bei Prof. Dr. Lars Castellucci MdB. Seine  Forschungsschwerpunkte sind Soziologie und Theorie der Religion sowie das Verhältnis von Religion und Politik.


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Einordnung

Einordnung

Über die Frauenordination

Etliche Landeskirchen haben in den vergangenen Jahren an die Einführung der Frauenordination erinnert, die sich zum fünfzigsten Mal jährte – bei Schaumburg-Lippe wird das allerdings erst 2041 der Fall sein. Der vorliegende Band, der größtenteils Beiträge einer Tagung zusammenstellt, geht über diese regionalgeschichtlichen Rückblicke hinaus, indem er die Frauenordination einordnet in den gesamtgesellschaftlichen Kontext. Das ist neu und macht ihn besonders interessant.

Im ersten Teil des Bandes finden sich kirchengeschichtliche Beiträge, die anhand biografischer Verortung die Entwicklung beispielsweise in der badischen Landeskirche (Doris Faulhaber) und der EKHN (hier werden zahlreiche biografische Verbindungen mit den synodalen Entscheidungen hergestellt) aufzeigen. Interessant auch der Beitrag von Carlotta Israel, der die Einflüsse der Zusammenschlüsse und Bünde, also EKD, VELKD und EKU (später UEK), beschreibt. Teils hatten sie befördernde, teils aber auch bremsende Wirkung.

Im zweiten Teil wird aufgezeigt, wie die innerkirchliche Debatte und gesellschaftliche Veränderungen verknüpft waren – und noch sind. Das Ringen um eigenständige, anerkannte Erwerbstätigkeit von Frauen Ende des 19. Jahrhunderts etwa stand in Spannung zu den Weiblichkeitsvorstellungen vom Platz der sorgenden Mutter im Hause. Deutlich wird: Ohne das Drängen der Frauenbewegung auf eine Öffnung der Universitäten für weibliche Studierende – hätte es schlicht keine Theologiestudentinnen gegeben. Historisch wird nachgezeichnet, dass in der Weimarer Republik der Zugang für Frauen zum öffentlichen Dienst erweitert, von den Nationalsozialisten, deren Frauenbild von der Mutterrolle geprägt war, wieder zurückgedrängt wurde. Gleichzeitig übernahmen Frauen in den Kirchen pfarramtliche Aufgaben, weil Pfarrstellen durch Kriegsdienstleistende vakant waren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber veränderte sich die Lage schrittweise bis dahin, dass es heute im öffentlichen Dienst grundsätzlich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede mehr gibt.

Bei der Lektüre wird klar, wie sehr sich die Entwicklung innerhalb der evangelischen Landeskirchen parallel zur öffentlichen Auseinandersetzung um die Rolle der Frau bewegt hat. Gerade auch die Zölibatsklausel, die es in den Kirchen bis in die 1980er-Jahre gab, fand sich eben auch für Beamtinnen. Und in den Kirchen entwickelte sich die theologische und auch exegetische Debatte parallel zur rechtlichen, das wird deutlich. Insgesamt zeigt der Studienband, wie hoch der Einfluss der gesellschaftlichen Diskussion um die Rolle der Frau auf die kirchliche Auseinandersetzung war. Eine nachvollziehbare theologische Begründung beispielsweise, warum eine Frau mit Heirat ihre Ordinationsrechte aufgeben musste, ist mir nie begegnet.

Besonders interessant ist der Beitrag von Laura Hanemann, der zeigt, wie sehr die Rolle der Frau als „Zivilisationshüterin“ ihre Rolle als Pfarrfrau geprägt hat und wie sehr das als Bremsfunktion mit Blick auf den eigenständigen Zugang zum Pfarramt wirkte. Sie schreibt: „Zu vermuten ist, dass die Hypothek, selbst ‚Zivilisationshüterin‘ und gleichzeitig Amtsträgerin sein zu müssen, auf Pfarrerinnen besonders lastet.“ Ein interessanter Aspekt, der sicher noch tiefer erforscht werden könnte.

Im dritten Teil des Bandes wird nachvollziehbar, wie Frauen als Exegetinnen neue Perspektiven in theologische Debatten einbringen. Mit der veränderten gesellschaftlichen Sicht auf die Rolle der Frau wird Frauen ermöglicht, Exegese zu betreiben. Dadurch setzt sich ein Schriftverständnis durch, das die Ordnungskategorien überwindet und geschlechtsbedingte Statusunterschiede als „zeitbedingte Einzelgebote relativierte“. Deutlich wird auch, dass biblische Hermeneutik aus weiblicher Perspektive die Theologie und das Berufsbild der Pfarrerin verändert haben. Hilfreich ist schließlich, dass auch geschaut wird, wie der Pfarrberuf insgesamt sich in Zukunft verändern wird. Wird die Gesellschaft diverser, werden es langfristig auch die Personen, die den Pfarrberuf ausüben.

War es theologische Überzeugung, die den Weg zur Frauenordination ebnete oder gesellschaftliche Entwicklung? Letzteres würde denjenigen als Argument dienen, die wie der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill Frauenordination als Anpassung an „westlichen Zeitgeist“ sehen. Andererseits ist denkbar, dass die theologischen Erkenntnisse – exegetisch wie hermeneutisch – zur Gleichstellung der Frau schlicht noch nicht gesellschaftlich durchsetzbar waren, als diese Aspekte bereits in den Kirchen thematisiert wurden. Die lesenswerten Beiträge erschließen, dass beides ineinandergreift: theologischer Diskurs und gesellschaftliche Entwicklung. Und das ist gut nachvollziehbar. Denn Theologie sollte ja nicht abseits vom gesellschaftlichen Kontext betrieben werden.

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Foto: epd

Margot Käßmann

ist Landesbischöfin a.D. und ehemalige Ratsvorsitzende der EKD. Bis 2018 war sie Herausgeberin von "zeitzeichen". Sie lebt in Hannover.


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Feindbild Staat

Feindbild Staat

Verbote und Verzicht

Bis vor einem Jahr werteten die Montagsdemonstranten in vielen deutschen Städten die staatlich verordneten Verhaltensregeln gegen die Pandemie als Eingriff in ihre Handlungsentscheidungen. Ähnliches kennzeichnen auch die Drohszenarien mit Vokabeln wie Enteignung und Sozialismus, mit denen Bürgerinnen und Bürger reagieren, wenn sie ihr Konsumverhalten hin zu mehr Nachhaltigkeit einschränken sollen. Ein Tempolimit oder das Verbot von Plastikverpackungen würden den Weg in eine sogenannte Ökodiktatur weisen. Woher kommt die Annahme, dass Freiheit nur existiert, wenn der Einzelne nach Herzenslust konsumieren darf?

Ein Buch zur rechten Zeit legt der Berliner Politikprofessor Philipp Lepenies vor, das verspricht, den Fragen von Verbot und Verzicht in der Politik auf den Grund zu gehen. Und das geeignet wäre, vielen Menschen den Boden der Argumentation zu entziehen – wenn sie denn zuhören wollten.

Zum Beispiel, wenn sie die Überzeugung vertreten, dass der Einzelne das Recht auf ungestörte Verhaltens- und Konsumentscheidung hat. Oder dass Markt und Wettbewerb menschliches Verhalten viel effektiver steuern können als Politik.

Damit verweist Lepenies auf die Grundthese seines Buches: Das neoliberale Staatsverständnis habe sich in einem gezielten langen Marsch durch die Institutionen in einem Zusammenspiel von Wissenschaftlern, Think-Tanks, Romanautoren, Journalisten und Vertretern des Unternehmertums immer und immer wieder verbreitet – und durchgesetzt. Zunächst widmet er sich in seinem stringent und gut gegliederten Buch den rhetorischen Mustern der Transformationsgegner, um dann die Bedeutung von Verzicht und Verboten in der Vergangenheit aufzufächern. Bei ihm lässt sich lesen, was es historisch mit dem Konsumverzicht auf sich hat. „Konsumverzicht galt lange Zeit nicht als Einschränkung der Freiheit. Er war vielmehr die Bedingung für die freie Entfaltung der Individuen. Mehr noch, Konsumverzicht war der Schlüssel zur zivilisatorischen Entwicklung.“

Die neoliberalen Denker hingegen verklärten den Individualkonsum anschließend nicht nur zum Fundament des Marktsystems, sondern zur Grundvoraussetzung der Freiheit. Aus den Bürgern, so Lepenies, wurden Konsumenten, deren Freiheit und Demokratieteilhabe sich im Konsumieren vollziehe. Kein Wunder also, dass aus ihrer Perspektive Verbot und Verzicht einer Freiheitsberaubung gleichkämen. Gewährsmänner sind für ihn die österreichischen Nationalökonomen Friedrich August Hayek (1899–1992), Ludwig von Mises (1881–1973) und der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman (1912–2006), denen er ein umfangreiches Kapitel seines Buches widmet.

So ist sein Buch ein wortgewandter und fundierter Einspruch gegen neoliberale Überzeugungen, die derzeit nicht nur die Rechtspopulisten, sondern auch die bürgerlichen Parteien umtreiben. Wie tief diese Ideen in unser Denken Einzug gehalten haben, lässt bei der Lektüre erschrecken, denn die Gefahren liegen auf der Hand: „Die neoliberale Vorstellung von der Freiheit des Einzelnen machte es den Bürgern schwer, sich auch als Teil des Staates zu begreifen“, schreibt der Berliner Ökonom. Und so folgert er zu Recht, es unterminiere und delegitimiere die Demokratie, einen Wert darin zu sehen, Mehrheitsentscheidungen nicht zu akzeptieren, die den eigenen Präferenzen widersprechen. Notwendige Kompromisse einzugehen und Mehrheitsmeinungen zu akzeptieren, diese Grundhaltung würde von Neoliberalen durch die konsumtive Ich-Zentrierung zerstört. Vor einigen Jahren hatte der Soziologe Andreas Reckwitz diese als Form einer „Gesellschaft der Singularitäten“ benannt. Lepenies Buch liefert Stoff für eine dringende Debatte. Denn er hat Recht zu konstatieren, dass die Klimakatastrophe „eine Politik der Aktion und eine Politik der Verhaltenssteuerung“ braucht. Die Begründungen liegen auf dem Tisch.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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Wissen, wie’s läuft

Wissen, wie’s läuft

Tengos sanfte Apokalypse

Lauernd lässt James McNew den Bass tuckern. Mit trockenem Schlagzeugticken tänzelt Georgia Hubley im Gleichschritt daneben. Betörend leichthändig gibt Ira Nagels verzerrte Gitarre Obertonsalven, dronige Untiefen, Stegkratzer und Fuzz-Melodiestöße ab. Sanft singt er: „I see clearly how it ends / I see the moon rise as the sun descends.“ Der Opener „Sinatra Drive Breakdown“ markiert, wohin die Reise auf „This Stupid World“ geht. „Fallout“ setzt mit Sonic-Youth-Anklängen fort: „I want to fall out of time / reach back, unwind / before it gets too loud / before it knocks me out / fall out of time.“ Dann lässt „Until It Happens“ zu hüpfendem Bass und Akkordeon alle Katzen aus dem Sack: „Prepare to die / prepare yourself while theres still time / Its simple to do / And then it happens to you.“

Achse des je nach Zählung 16. oder 17. Yo-La-Tengo-Albums sind Zeit und Endlichkeit. Nachvollziehbar, stoßen doch die Mitlieder dieser großen, 1984 gegründeten Alternative-Band längst selbst an jenen Horizont, den sie nehmen, wie man das von ihnen kennt: unbeschwerte Westküsten-Psychedelik mit Ostküsten-Härte verblenden, Feedbackgewitter mit schwelgendem Dreampop. Ein Konzept, das sie in vielen Facetten erkundet haben. Schmeichelweicher Gesang, wunderbare Popmelodien und unscheinbare, doch grandiose Rhythmusarbeit kommen hinzu. Hehre Botschaften haben sie hier wie stets nicht, bloß unprätentiös relevante wie schöne Musik im Gepäck, die dem Leben unverstellt ins Auge blickt, so etwa im Titeltrack: „This stupid world / It‘s killing me / This stupid world / Is all we have.“ Die Bassdrum hyperventiliert, Gitarre und Bass ertaumeln eine Feedbackorgie, die entgrenzt.

Doch so gefällig sie die Achse „Zeit“ auch bis an einen Velvet-Underground-Rausch existenzialisieren, reichen sie damit nur näherungsweise an jene Apocalypse-Now-Grenze, die der ukrainische Schriftsteller Artem Tschech gerade erlebt. Jüngst schrieb er: „Der Krieg hat etwas, das mir sehr wichtig war, weggefressen, das Gefühl für Zeit. Früher, als ich in einem friedlichen Land gelebt habe und mit meinem unaufgeregten Alltag beschäftigt war, wusste ich – und darin liegt die bittere Ironie –, dass mein Leben endlich ist, ich wusste, dass früher oder später der Tod kommen und alles um mich herum ein für alle Mal verschwinden wird. Der Krieg mit seiner ganzen unersättlichen Gier hat mir dieses Gefühl genommen. Obwohl der Tod im Krieg konzentrierte Alltäglichkeit ist, fühle ich mich nicht mehr sterblich. Die Zeit ist stehen geblieben. In meinem Leben gibt es sie im eigentlichen Sinne nicht mehr. Die unfreiwillige Soldatenrolle dehnt die Zeit ins Unendliche, eine langfristige Perspektive gibt es nicht mehr. Der Krieg geht nicht zu Ende, der Tod kommt nicht. Alles steht still. Weißes Rauschen. Lethargie.“ Möge er überleben. Und frei. Yo La Tengo haben „This Stupid World“ selbst produziert. Die Live-Anmutung ist umwerfend, auch im ambientartigen Outro „Miles Away“.

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Wer braucht eigentlich noch die Konfirmation?

In der Konfirmation bekennen junge Menschen, so die EKD, „in einem feierlichen Segensgottesdienst […] öffentlich ihren christlichen Glauben“.

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Damals ist jetzt

Damals ist jetzt

Eulers magische Vielfalt

Wie gut, dass die Tage der Pandemie mit ihren restriktiven Beschränkungen vorbei sind! Besonders die Kulturszene atmet auf. Andererseits – man wagt den Gedanken kaum zu formulieren – zeitigt Corona auch Positives: Mehr und mehr wird nun sukzessive an erscheinenden Produktionen deutlich, dass die Zwangspause für Einige ungeahnte Zeitfenster (er-)öffnete, um Neues auszuprobieren.

Vortrefflich genutzt hat den Break Johannes Euler: Während des ersten Lockdowns erinnerte sich der Sänger, der seit Jahren als Altist sowohl solistisch als auch mit dem renommierten Vokalensemble Singphoniker von sich reden macht, daran, wie er früher, seiner Neigung als Jazzpianist frönend, Lautenlieder der Renaissance neu vertont hatte. In der „vorübergehende(n) Berufslosigkeit“ ab Frühjahr 2020 nahm Euler sich seine verjazzte Version des Lamentos „Flow my tears“ von John Dowland (1563–1626) erneut vor und fand in Dowlands frühbarocken Liedern ein halbes Dutzend weitere Beispiele, die ihn inspirierten – „In darkness let me dwell“ oder das weltberühmte „Come away, come sweet love“. Die jetzt erschienene CD „Beyond Dowland“ (Jenseits von Dowland) enthält so insgesamt sieben musikalische Paare dergestalt, dass dem traditionellen alten Song mit Altus und Renaissance-Laute Neuvertonungen beigesellt werden, die denselben Text vertonen, aber mit E-Piano und E- und Kontrabass in völlig andere poppig-jazzige Epochen führen.

Das Ergebnis: Von dieser CD kann man sich wirklich schwer losreißen, denn Eulers magische Stimmvielfalt kann in allen musikalischen Welten überzeugen. Euler versteht es, in den sehr variantenreichen Neuvertonungen meist als profunder Bariton und nicht als ätherisch-schwebender Countertenor britischer Schule daherzukommen. Von seinem coolen Piano- und Violinspiel („Sweet, stay awhile“) ganz zu schweigen. Tja, wer hat, der hat, und wer kann, der kann.

Da fällt es wirklich schwer, aus den samt und sonders jeweils anders, aber immer gelungen gesungenen Doppelseptetten einzelne herauszustellen. Vielleicht den todessehnsüchtigen und darin durchaus schaurigen Song „In darkness let me dwell“, der in beiden Versionen eine so farbige Finsternis entfaltet, dass es paradoxerweise eine Freude ist? Auf jeden Fall soll aber die Mitte der aufregenden Hörstunde erwähnt werden: Das instrumentale Solostück „Mr. Dowland’s Midnight“, das sowohl Ulrich Wedemeyer an der Renaissance-Laute wie auch Till Spohr (E-Bass) eindringlich nahebringen, bevor dann Eulers variable Vokalfarben wieder das Zepter schwingen. Auf weitere Beyond-Experimente dürfen wir gespannt sein!


 

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Thomas Heller

Dr. Thomas Heller ist Privatdozent für Religionspädagogik an der Universität Jena. In den letzten Jahren hat er die religionspädagogischen Professuren an den Universitäten Mainz und Rostock vertreten und religionspädagogische Lehraufträge an der Universität Göttingen wahrgenommen.

Geistreich

Geistreich

Über eine Welt von gestern

Alexander Kluge, geboren 1932, zählt zu den seltenen kreativen Intellektuellen dieses Landes. Ein noch universell Gebildeter, der im Komplexen zuhause ist wie in einem Nähkästchen, dessen Stern mit der Einladung zur Gruppe 47 aufging, als die Welt noch eine andere war. Bis heute mischt er sich kritisch in politische Belange ein. Sein Buch "Unruhiger Garten der Seele" , das der Bayrische Rundfunk in der Regie von Karl Bruckmaier als Hörspiel herausgegeben hat, ist im Versuch des Durchschauens der Zeit indessen eher eine Umschau – eine Innenschau, eine Rückschau.

Alexander Kluge geht in Sequenzen tief in die eigene Biografie zurück, erinnert sich an die Eltern und ihren Einfluss auf sein Schreiben, die Schwester als sein Seelenglück, die Wichtigkeit der Mobilität seit 1949, seinen geliebten Citroën – das Gefühl des Verlustes mit der Abgabe des Führerscheins 2015. Die Phantasiemomente nehmen überhand, wo früher Tagträume beim Fahren nicht hinderlich waren. Über Habermas und Miller, dessen Ringen mit dem Alphabet, streift Kluge im assoziativen Dialog mit Helge Schneider durch die Geschichte. Er ankert bei Siegfried, dem uninteressanten, und Hagen, dem eigentlich prägenden, widerständigen Helden der Zeit (Hagen von Tronje, Albrecht von Hagen, Heiko-Maas-Mitarbeiter Fridolin von Hagen), womit es rasant ins Silicon-Valley-Troja geht, das nicht mit dem Schwert, sondern dem Ersatzgott durch Gleichgültigkeit tötende Mathematik bewaffnet ist.

Was bleibt von dieser Hörstunde? Das Gefühl, dass sich Kluges geistreich ironisches Unterfangen – perspektivisch wurzelnd in einer männergemachten Welt von Gestern – im Intellektuellen erschöpft – keine Bindung hat an das Hier und Jetzt und sich der Wirklichkeit entfremdet entzieht.

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