Handeln ist der Weg nach vorn

Die ÖRK-Vollversammlung berät über Wege zu mehr Gerechtigkeit
Junge Delegierte auf der Bühne der ÖRK-Generalversammlung
Foto: epd
Mit einer tänzerisch und musikalisch untermalten Performance startete die Karlsruher Vollversammlung am Montag in die Debatte über Gerechtigkeit.

Wie können Visionen und Träume von einer gerechten Welt in die Tat umgesetzt werden? Das Thema „Die Gesamtheit des Lebens bekräftigen“ stand am Montag im Mittelpunkt der thematischen Auseinandersetzung bei der ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe.

Die Worte hallen in dem ganzen Raum nach. „Wir müssen aufhören zu reden und anfangen zu handeln“, sagt Ruth Mathen in Karlsruhe. Sie ist 25 Jahre alt und ÖRK-Delegierte der Malankara Orthodox Syrian Church. Und sie ist keine, die sich durch die Krisen dieser Welt die Hoffnung nehmen lässt. Im Gegenteil: „Wir brauchen keine weiteren Bücher, Studien, neue Theologien oder Predigten, alle Theorien, Ressourcen, technische Entwicklung sind erfunden und entwickelt, müssen nun eingesetzt werden“, fordert sie. Und erntet damit Beifall. Das Thema „Die Gesamtheit des Lebens bekräftigen“ stand am Montag im Mittelpunkt der thematischen Auseinandersetzung bei der ÖRK-Vollversammlung in der Schwarzwaldhalle, dem größten Saal auf dem Messegelände in Karlsruhe.

Ruth Mathen aus Mumbai antwortet, nachdem der Podiumsteilnehmer Rudelmar Bueno de Faria, Generalsekretär von ACT Alliance und Mitglied der Evangelical Church of the  Lutheran Confession in Brasilien, die Krisen dieser Welt benannt hat: Militarisierung, Pandemie, gescheiterter neoliberale Wirtschaft und die Klimakrise. Er verweist auch auf die Zweiteilung der Welt. Da sei zum einen der Block, der Ausgrenzung praktiziere, arme Menschen, Flüchtlinge, Frauen, Schwarze, Migranten und indigene Menschen an den Rand dränge. Und auf der Seite gebe es den Block, der Inklusion fördere. Er hält den ÖRK-Delegierten den Spiegel vor, in dem er sie fragt, auf welcher Seite sie stünden. Diese Frage müssten religiöse Gemeinschaften und Kirchen beantworten. Schließlich gehe es um Werte wie Mitgefühl, Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit, allesamt christliche Werte. Und wenn es wirklich stimme, dass sich weltweit mehr als achtzig Prozent der Menschen mit einer Religion und einem Glauben identifizieren, müssten sich alle fragen, warum die Menschheit nicht in einer Welt von Humanität lebe, in der diese Werte herrschen.

Eine Metanoia

Diese Frage treibt auch Ruth Mathen um: „Wie wir leben, muss in Übereinstimmung mit dem sein, was wir glauben und was wir beten.“ Deshalb, so fordert die junge Inderin, brauche es vor allem eine Metanoia, also eine Umkehr. „Wir brauchen eine völlige Transformation unserer Köpfe, unserer Herzen, Münder und Händen, zu dem hin, was wir beten. Erst dann werde ein sozialer und institutioneller Wechsel möglich sein, der das Leben in Einklang mit den christlichen Werten bringe.

Was das zum Beispiel für Uganda heißt, davon berichtet Pfarrer Canon Gideon Byamugishav von der Church of Uganda und Mitbegründer des African Network of Religious Leaders Living with & Personally Affected by HIV & AIDs. Alle zwei Minuten infiziere sich ein junger Mensch in seinem Land mit HIV. Und die Hälfte aller HIV-positiven Kinder werden noch nicht einmal behandelt. Seine Forderung: „Kein junger Mensch darf von der Behandlung ausgeschlossen werden.“ Und einen weiteren Punkt bringt er in die Diskussion ein: „Als Glaubensgemeinschaften sind wir gut darin, das Setting zu beschreiben, alles zu definieren, aber wir können uns schlecht entschuldigen, wenn wir Menschen oder Völkern gegenüber sündigen.“ Gerade in den Zeiten der Pandemie sei das noch einmal deutlich geworden, als viele Menschen keinen Zugang zu Vakzinen bekommen hätten.

Quote für die Jugend

Ruth Mathen setzt auf die Jugend. Diese sei motiviert, fühle sich aber oftmals nicht unterstützt. In der anschließenden Pressekonferenz antwortet sie auf die Frage, ob die Jugend in den Gremien des ÖRK ausreichend vertreten sei: „Der ÖRK ist ein wichtiger Ort, an dem ich mit Menschen, wie zum Beispiel dem Generalsekretär von ACT Alliance, Rudelmar Bueno de Faria, gleichberechtigt sprechen kann.“ Allerdings benennt sie auch die Soll-Quote von 25 Prozent in der Besetzung der Gremien, die derzeit bei 13 Prozent liege. Denn eines ist klar: Wenn die Bemühungen der jungen Menschen wie Ruth Mathen nicht für institutionelle Veränderungen mobilisiert werden können, werden deren Bemühungen, nachhaltig ethisch und konsumbewusst zu leben, keine Wirkung zeigen.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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