Kein Kontakt

ÖRK: Delegationen aus Russland und Ukraine reden nicht miteinander
Erzbischof Yevstratiy von Chernihiv und Nizhyn am Freitag bei seinem Beitrag vor der ÖRK-Vollversammlung.
Foto: Sean Hawkey/WCC
Erzbischof Yevstratiy von Chernihiv und Nizhyn am Freitag vor der ÖRK-Vollversammlung.

Kann die Generalversammlung des Weltkirchenrates ein Ort der Versöhnung zwischen Russen und Ukrainern werden? Bislang offenbar nicht, wenn man den Worten eines Delegationsmitgliedes der Ukraine folgt. Der Krieg in seinem Land stand im Mittelpunkt des dritten Tages der Versammlung in Karlsruhe.

Ein Satz, der Hoffnung dämpft. „Wir haben keinen Kontakt mit ihnen“, antwortete Yevstratiy Zoria, Erzbischof der Orthodoxen Kirche der Ukraine, auf die Frage, ob es am Rande der ÖRK-Generalversammlung Gespräche mit der Delegation der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) gegeben hat. „Sie würden mit jedem reden, aber nicht mit uns.“ Man habe versucht, eine Art Kommunikation zu etablieren, aber es sei nicht leicht mit jemandem zu reden, der das Existenzrecht der ukrainischen Kirche nicht akzeptiere. Russland wolle seit mehr als drei Jahrhunderten die Einzigartigkeit des ukrainischen Volkes auslöschen, sagte der Erzbischof von Chernihiv und Nizhyn. „Aber wir kämpfen erfolgreiche für unsere Freiheit und unsere unabhängige Zukunft.“

Ob es überhaupt richtig gewesen sei, dass die russische Delegation an der Vollversammlung teilnehmen dürfe? Es sei nicht an ihm, das zu entscheiden, sagte der Erzbischof vor Journalisten. Aber: „Ich habe es genossen, dass sie hier die Worte der Wahrheit hören mussten.“ Damit verwies Yevstratiy Zoria unter anderem auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der in seiner Rede zur Eröffnung der Generalversammlung die ROK deutlich kritisiert hatte. „Die Russisch-Orthodoxe Kirchenführung hat sich mit den Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht“, hatte Steinmeier gesagt und den Führer der ROK eine „als Theologie verbrämte totalitäre Ideologie“ vorgeworfen. „Diese Propaganda gegen die freien Rechte der Bürgerinnen und Bürger eines anderen Landes, dieser Nationalismus, der willkürlich Gottes Willen für die imperialen Herrschaftsträume einer Diktatur in Anspruch nimmt, muss unseren Widerspruch finden, auch hier in diesem Saal, in dieser Versammlung.“

Erschöpfte Ukraine

Während diese deutlichen Worte bei einem Teil Delegierten gut ankamen, waren andere düpiert von der undiplomatischen Sprache vor einem Gremium, das stets auf den Konsens und, bei aller Unterschiedlichkeit, auf die Verbundenheit im Glauben setzt. Bei der Aussprache über die Eröffnung kritisierte einer der Teilnehmer dies auch als Versuch der Einflussnahme auf die Generalversammlung. Auch ein Vertreter der deutschen Delegation aus Baden betonte in seinem Statement, dass Schuldzuweisungen die Versöhnung erschwerten und man offen bleiben müsse „für die Wahrheit der anderen“.

Am Freitag ging es aber nun vor allem um die Erfahrungen der Gäste aus der Ukraine. „Es herrscht auch in dieser Minute Krieg“, sagte Roman Sigov, einer der delegierten Beobachter der Orthodoxen Kirche in der Ukraine. „Wir brauchen Hilfe, um uns zu verteidigen.“ Ivanna Illina, Journalistin und Beobachterin der Ukrainisch Orthodoxen Kirche, verwies darauf, dass viele Klöster und Kirchen nun zu Notunterkünften für diejenigen geworden sind, die fliehen mussten oder deren Häuser zerstört sind. „Der Krieg hat die Ukraine erschöpft, finanziell und mental. Wir brauchen humanitäre Hilfe.“

Welt in Geiselhaft

Unter anderem die Diakonie Katastrophenhilfe ist bislang gemeinsam mit Partnerorganisationen in der Ukraine aktiv. Dagmar Pruin, Präsidentin von Diakonie Katastrophenhilfe und Brot für die Welt, verwies in ihrem Statement aber darauf, dass der Krieg gegen die Ukraine weltweite Auswirkungen hat. Die Verknappung von Lebensmitteln, steigende Energiepreise und die wachsende Inflation, habe die Zahl der Armen weltweit um 71 Millionen Menschen wachsen lassen, die der Hungernden um 47 Millionen auf 345 Millionen Menschen.

Dies seien nicht nur Kollateralschäden, sagte Pruin. „Die russische Führung hatte das im Blick und setzte das bewusst ein, sie nimmt die Welt in Geiselhaft“. Mit Blick auf das biblische Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, der einem verletzten Mann half, der unter die Räuber gefallen war, sagte Pruin, dass humanitäre Hilfe Christenpflicht sei. Danach aber müsse man „auch die Räuber zur Rechenschaft ziehen und die Straßen sicherer machen.    

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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