Musik, die bleibt

An Bord mit Mahal und Cooder

Hier weht der Geist, weil er will – und er das auf Get On Board herrlich kann. Albumhöhepunkt ist das Gospel-Traditional „Packing up Getting Ready to Go“, nämlich ins Neue Jerusalem, wo nicht bloß die Sonne nie untergeht. Es geht also um den finalen Abflug. Das bedeutet es nun mal und ist hier ein Statement: „You read my letter/you read my mind/the streets of heaven are paved with gold – and the guitar talks among the saints“ heißt es in den additional lyrics, die Henry St. Clair Fredericks, wie Taj Mahal bürgerlich heißt, und Ry Cooder bis zu deren Verhallen über die vertrauten legen. Doch vor allem aber ist es ihr Sound, der den kurzen Song zu einem ewigkeitslangen Fanal von geradezu psychedelischer Augenblickserfüllung frisiert. Seele wird sich kenntlich: Zu spärlichen Drums und dem Bass von Sohn Joachim setzt Ry wuchtig getupft eine gegenpumpende Basslinie auf der Mandoline und Gitarrenspringteufelfresken. Taj singt durch die Tüte, als habe Tom Waits die Taufe erhalten, und der Response-Chor des Vokal-Trios The Ton3s aus North Carolina erhöht die Spannung noch. Selten war das Neue Jerusalem solch fröhliche Kathedrale wie hier. Perfekt rumpelnd und zerrissen taumeln Rhythmus und Spirit Hand in Hand, bis Lusttränen kommen.

So klingt Erlösung. Deren Geheimnis ist das Arrangement, das nur Könnern und Kennern wie diesen beiden Musikweltenwanderern und -forschern gelingt, die mit ihren 80 und 75 Jahren bald selber fällig sind. Lässig kehren sie hier zu ihrer Initiation als Jugendliche zurück. Damals hatten sie eine Band, die sie nach einem Song des 1952 erschienenen Albums „Get On Board“ der Piedmont-Blueser Sonny Terry (Harmonika) und Brownie McGhee (Gitarre, Gesang) benannten. Blind der eine, wegen Kinderlähmung hinkend der andere, in ihrer Musik so großartig wie inspirierend, auch technisch und in den Arrangements. Ihnen ist diese Platte jetzt gewidmet, bis ins Cover-Artwork hinein. Old school und ganz gegenwärtig, vor allem quicklebendig: Cooders Slide-Gitarre jault und fliegt, als gäbe es kein Gestern, Mahals Harp antwortet zwischen Keuchen und Gelächter, oder er spielt robustes Barrelhouse-Piano, wo es hingehört. Geschultert von Giganten und nun selber welche, so lang das Herz noch schlägt.

Bleiben wird die Musik. Von dem Originalalbum haben sie für ihr „Get On Board“ nur drei Stücke übernommen, die anderen acht stammen aus dem großen Terry/McGhee-Repertoire zwischen Gospel, Country-Blues und -Folk. Grundfarbe ist Blues, auch in den Themen, die zwischen getauschtem Schloss durch die endgültig Vergrätzte, „this woman drives me crazy“, Baumwollpflücken und Pfandhaus liegen. Der dem Piedmont-Blues nahe Ragtime ist stets zu spüren. Musik, die zuckt, in nur drei Studiotagen eingespielt, natürlich perfekt, aber die Wohnzimmer­illusion trägt. Taj Mahal und Ry Cooder eben: „Packing up Getting Ready to Go.“

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