Kirche, Geld, Sylt
Die Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner und der Journalistin Franca Lehfeldt stand jüngst medial im Fokus und innerkirchlich in der Diskussion, weil beide nicht der Kirche angehören. Der Braunschweiger Pfarrer Werner Busch wünscht sich in seiner Nachbetrachtung mehr kirchlichen Willkommensgeist.
Die innerkirchliche Empörung über die Lindner/Lehfeld-Hochzeit hat etwas zum Vorschein gebracht. Ungeachtet dessen, was genau in einer evangelischen Kirche auf Sylt stattfand, lässt sich diese „Causa“ als pastoralpsychologische Versuchsanordnung mit Selbstoffenbarungseffekt lesen. Ein Spiegel innerkirchlicher Befindlichkeiten. Noch ehe Näheres bekannt war, tönte es: „Das Geld!“ und: „Die Regeln!“
Spontan ist bekanntlich am ehrlichsten. Ausgerechnet bei der weltlichsten aller Kirchenkasualien sollen die Mitgliedschaftsgrenzen herausgestellt werden. Theologie hin oder her. Dabei betonen die evangelischen Trau-Liturgien die schöpfungstheologische Verankerung dieser Liebes- und Verantwortungsgemeinschaft. Trotzdem fordern Kirchenrecht und Lindner-Kritiker: Das Gebot und die Verheißung für diese allgemeinmenschliche Angelegenheit solle Kirchenmitgliedern vorbehalten bleiben! Da sind zwei Heiden mindestens eine/r zu viel. Die Botschaft von der freien Gnade Gottes allem Volk? Ja, allem Kirchenvolk.
Was heißt das? Die besteuerte Kirchenmitgliedschaft wird als Bedingung für Amtshandlungen gesetzt. Der Leib Christi als finanzielle Solidargemeinschaft. Beim Geld hört mehr als nur die Freundschaft auf. Der Austritt: eine Zahlungsverweigerung, die das Recht auf amtskirchliche Zuwendung zum Erlöschen bringt. Es sei denn, ein eingetragener Christenmensch heiratet mich großzügigerweise. Dann fallen Brosamen von dem Segenstisch, an dem sich doch inzwischen immer weniger versammeln. Was in der Diskussion bisher unerwähnt blieb: Auch das wird oftmals nicht kirchliche Trauung genannt und unterscheidet sich in der liturgischen Ausgestaltung. Da fällt schon mal das Traubekenntnis weg. Bitte keine Berufung auf Gottes Hilfe, ihr Heiden all!
St. Severin, der Ernste, grüßt
Auf dem Hintergrund der aktuellen Diskussion ahnt man, welcher Geist sich da für sein gestrenges Gebaren Spielräume nehmen kann. St. Severin, der Ernste, lässt grüßen. Deinen Austritt kriegst du geistlich zu spüren. Ausnahmen? Nur als Einzelfallentscheidung möglich, die man sich nicht ohne das Drama pastoraler Gewissensnot denken möchte. Dass die Praktische Theologin im Fachbereich Seelsorge Angela Rinn hier kürzlich die großzügige Handhabung dieser seelsorglichen Option als Selbstbanalisierung pathologisiert, ist wohl eher selbst ein Krankheitssymptom. Individualität wird verdächtigt. Der Mensch ist schließlich für die Regeln da und nicht umgekehrt.
Wir wollten einmal „Kirche für andere“ sein. Aber darum geht es hier natürlich nicht. Hier geht es ums Prinzip. Und Prinzipien suggerieren das wohlige Gefühl von Gerechtigkeit oder wenigstens Gleichbehandlung. Dass auch diese kirchliche Prinzipienreiterei ihre eigenen Parteilichkeiten hat, dafür gibt es Indizien. Lindner soll abgestoßen werden, während Steinmeier erst kürzlich beim Johannesempfang der EKD herzlichst willkommen gewesen ist. Aber der Bundespräsident hat ja eigenen Angaben zufolge nicht als Politiker beziehungsweise Amtsträger zu uns gesprochen. Er sprach als Kirchenmitglied, denn das hebt bekanntlich die protestantische Laune.
Was sollen wir nun sagen? Um mit etwas Positivem zu schließen: Gerade in einer schrumpfenden Volkskirche braucht es einen im weiten Sinne missionarischen Grundkonsens. Nicht als überzogenes Sendungsbewusstsein, sondern als entspannte Bereitschaft. Eine Art Gelegenheitskompetenz. Dafür bräuchte es unter den Mitgliedern und Funktionären natürlich mehr als nur eine vereinsrechtlich geprägte Mitgliederlogik, denn das Evangelium lässt sich so nicht zähmen und verrechnen, auch nicht in kirchlichen Regelwerken.
Jahreslanges Reformgewürge
Nach Möglichkeit bräuchte es dazu noch einen kleinen ungezwungenen (!) Vertrauensvorschuss von Kirchenleitungen und Theologinnenzunft gegenüber dem pastoralen Fußvolk im Land, damit der Rechtfertigungsdruck zwischen den Kirchenebenen nicht noch weiter steigt, als ihn das jahrelange Reformgewürge ohnehin schon verursacht hat.
Also nur probehalber einmal angenommen, es gäbe einen solchen großen innerkirchlichen Minimalkonsens, dass die Menge zahlender Getaufter und das Häufchen der Aktiven sich darin einig wären, ohne Ansehen der Person sich unaufgeregt mitfreuen zu können, wenn immerhin einige Ausgetretene oder sogar richtige Heiden um pastorale Begleitung und Ansprache anlässlich bestimmter Lebensereignisse bitten. Und weiter angenommen, die im pastoralen, musikalischen und diakonischen Dienst Tätigen leben in solchen „Fremd“- Kontakten genauso beherzt wie kommunikativ ihre evangelische Identität, gestalten Feiern und Gottesdienste nicht nur nach vorgegebenem Muster „für“, sondern kreativ auch mit den Davongelaufenen und Nie-da-Gewesenen, mit Skeptikern und Agnostikern. Und schließlich auch noch angenommen: Wir verkünden, wo wir schon mal beieinander sind, das Evangelium von dem Gott, der am liebsten Gottlose rechtfertigt.
Hand aufs Herz: Würde das unserer Kirche langfristig wirklich finanziellen, geistlichen oder sonst irgendeinen Prestige-Schaden zufügen? Ich weiß, dass sind anspruchsvolle Voraussetzungen. Aber man wird ja mal träumen dürfen.
Werner Busch
Werner Busch (geboren 1967) ist Pfarrer und seit 2010 an der Uni-nahen Kirchengemeinde St. Katharinen in der Braunschweiger Innenstadt tätig. Ehrenamtlich arbeitet er in der regionalen Studienleitung der Evangelischen Akademie Abt Jerusalem mit.