Sympathisch

Der Weg der Kirchengemeinde

Besonders aufregend klingt der Titel des Buches nicht, eher wie ein synodales Aktenstück. Aber Pohl-Patalong will keine grundstürzenden Thesen über eine völlig andere Kirche in die Welt setzen, sondern „ganz normale“ Menschen in kirchlichen Gremien zu einer verantwortlichen Reflektion über die Lage der Kirche anleiten. Entsprechend freundlich ist es geschrieben, ohne wissenschaftliche Distanzsignale (keine Fußnoten). Eigene Vorstellungen werden präsentiert, dominieren aber die Argumentation nicht – auch nicht das Konzept der „Kirchlichen Orte“, das herkömmlich mit dem Namen der Autorin verbunden wird. So enthält das Buch in acht Abschnitten, jeweils beginnend mit drei motivierenden Szenen aus der kirchlichen Praxis, vier (Arbeits-)Einheiten, die unter anderem in Seminaren eingesetzt werden können: Die jeweilige Herausforderung wird beschrieben; Hintergrundwissen geliefert; drei und mehr Handlungsalternativen werden entwickelt (von „weiter so“ bis zur radikalen Änderung) und Anregungen zur Weiterarbeit (wie anregender Fragen und eines biblischen Impulses) gegeben.

Abgesehen von Abschnitten zum ehrenamtlichen Engagement, zum Pfarrberuf und zu den „multiprofessionellen Teams“ konzentriert sich das Buch auf die Kirchengemeinde und ihre Grenzen – vor allem angesichts einer festzustellenden Überforderung. Kirchengemeinden seien in verschiedenen Ausprägungen zugleich Institution, Gruppe, Organisation und Bewegung, was zum Beispiel Fresh Ex-Experimente ein wenig gezwungen als Bewegung einsortieren lässt. Das vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD entwickelte Kirchengemeindebarometer (es wird mehrfach zitiert) erlaubt mittels der Verknüpfung dreier Sozialdimensionen (Gemeinschaft, Organisation, Marktorientierung) an dieser Stelle handhabbarere Unterscheidungen.

Festgehalten wird, wenn auch etwas arg am Rande stehend, dass das Ziel der Kirche, die Kommunikation des Evangeliums, eine funktionale Ausrichtung kirchlicher Arbeit am Erreichen von Menschen – und nicht die Fixierung auf spezifische Strukturen – erfordere. Besonders aufschlussreich in dieser Richtung sind Listen über die Kontaktorte zur Kirche aus der Sicht von Kirchenmitgliedern. Gerade deswegen ist allerdings unverständlich, warum die Diakonie nicht vorkommt. Die enorm große Bedeutung sozialer Aktivitäten für die Bindung der Menschen an die Kirche ist bekannt.

Einen Höhepunkt erreicht das Buch in der Entwicklung von fünf möglichen Modellen einer künftigen Kirche: Kirche als Ortsgemeinde, Kirche in der Region, Kirche im Gemeinwesen, „Kirchliche Orte“ und Fresh Expressions of Church. Ihre jeweiligen Stärken und Schwächen werden umfassend erörtert. Die Empfehlung lautet dann, sie sich selbst (mit Legosteinen) zu bauen, um sie sinnlich vorstellbar zu machen. Eine Präferenz gibt es nicht: Am Ende steht vielmehr das Plädoyer für eine fehlerfreundliche Kirche.

So bietet dieses Buch für die „Profis“ wenig Neues – hilft aber zur Gestaltung der so nötigen Debatten in Gemeinden und Gremien. Einiges wird man vermissen, so zum Beispiel die Diskussion der Milieugrenzen der Kirchengemeinden oder der so wichtigen Frage nach der Weitergabe des Glaubens wie auch nach organisatorischen Anreizen zur Kommunikation des Evangeliums außerhalb der angestammten Kreise. Sympathisch – wenn auch reichlich ernüchternd – die immer mal wieder eingestreuten Hinweise auf Forschungsdefizite, wie die Bemerkung, dass bisher erst ansatzweise untersucht sei, „was Menschen in verschiedenen Kontexten und Formen als Erleben des Evangeliums beschreiben und wie sie diese Erfahrung deuten.“ Diese eklatante Forschungslücke müsse in den nächsten Jahren gefüllt werden.

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