Fragen zum Frieden (III)

Antworten von Dagmar Pruin, Präsidentin von "Brot für die Welt".
Foto: Hermann Bredehorst/Brot für die Welt

Wir haben prominenten Protestanten drei Fragen gestellt: War es richtig , dass Deutschland sich doch dazu entschieden hat, Waffen an die Ukraine zu liefern? Was ist davon zu halten, dass die Bundesregierung 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr bereitstellt? Brauchen wir eine neue evangelische Friedensethik? Hier vorab aus dem Mai-"zeitzeichen" die Antworten der "Brot für die Welt"-Präsidentin Dagmar Pruin.

 Als entwicklungspolitisches Hilfswerk teilt Brot für die Welt die Überzeugung, dass Waffenlieferungen in Krisengebiete unterbunden werden sollten, weil sie Gewalt potenzieren und Kriege verlängern. Mit der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) und vielen anderen machen wir uns seit langem für ein Rüstungsexportkontrollgesetz und entsprechende Regelungen auf europäischer Ebene stark. Wir wollen so verhindern, dass Waffen an Kriegsparteien oder menschenrechtsverachtende Regime geliefert werden.

 Der völkerrechtswidrige und durch nichts zu rechtfertigende brutale russische Angriff auf die Ukraine bringt uns in ein nahezu unerträgliches Dilemma: Die Menschen in der Ukraine haben das Recht, sich zu verteidigen. Daraus folgt die Forderung, man möge ihre legitime Selbstverteidigung mit Waffenlieferungen unterstützen. Wir sind uns bewusst, dass nicht wir den täglichen tödlichen Angriffen ausgeliefert sind, sondern die Menschen dort und sie einen fürchterlichen Preis zahlen. Daher ist es unsere Aufgabe, immer wieder auf ihre Stimmen zu hören und ihnen – auch auf unseren Friedensdemonstrationen – eine Stimme zu
geben. Und wir wissen: Auch wer keine Waffen liefert, ist nicht ohne Schuld.

Sicherheit muss als menschliche Sicherheit definiert werden, und diese kann nicht allein durch militärische Mittel hergestellt werden. Sie muss den Schutz jedes einzelnen Menschen vor Gewalt, vor Menschenrechtsverletzungen und vor Hunger- und Umweltkatastrophen in den Blick nehmen. Dafür müssen zum einen zivile Krisenprävention, Friedensförderung und diplomatische Fähigkeiten, auch in den internationalen Institutionen, gestärkt werden. Zum anderen müssen die natürlichen Lebensgrundlagen der Weltbevölkerung geschützt werden.Wir stehen vor enormen globalen Herausforderungen: Der Ukraine-Krieg droht die Ernährungskrise und die wirtschaftliche Situation in vielen Ländern des globalen Südens dramatisch zu verschärfen. Das Welternährungsprogramm (WFP) könnte angesichts steigender Nahrungsmittelpreise und fehlender Finanzmittel bald gezwungen sein, seine Ernährungshilfe weiter zu reduzieren. Im Jemen mussten bereits Essensrationen gekürzt werden. Dramatisch ist die Lage auch am Horn von Afrika und in Afghanistan. Die wegen des Kriegs steigenden Nahrungsmittelpreise lassen immer mehr Menschen im globalen Süden hungern – auch sie brauchen unsere Solidarität.

Gerade daher sind die jetzt für den Bundeshaushalt vom Kabinett vorgeschlagenen deutlichen Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe ein völlig falsches Signal! Wer jetzt den Entwicklungsetat und die humanitäre Hilfe nicht gebührend ausstattet, verkennt die Realität und ignoriert auf fatale Weise die Zeichen der Zeit. Wir appellieren an die Bundesregierung, im Ergänzungshaushalt auch die Ernteausfälle und die aktuellen Hungerkrisen als Folgen des Ukraine-Kriegs in den Blick zu nehmen. Auch vor dem Hintergrund dieser globalen Krisen halte ich ein Sondervermögen nur für die Aufrüstung der Bundeswehr und die langfristige Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für überzogen. Bevor wir uns auf viele Jahre mit Investitionen binden, brauchen wir eine parlamentarische und gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Bundeswehr sowohl in Bezug auf Landes- und Bündnisverteidigung als auch mit Blick auf Auslandseinsätze. 

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Foto: Hermann Bredehorst/Brot für die Welt

Dagmar Pruin

Dr. Dagmar Pruin ist Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katatrophenhilfe.


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