Orchideen-Fach

Über Religion und Wissenschaft

An diesem für das Verhältnis von Religion, Wissenschaft und Theologie ungemein lehrreichen Sammelband sind 17 meist universitär arbeitende Wissenschaftler beteiligt, meistens Theologen: überwiegend katholisch, drei evangelisch, je einer alt-katholisch, orthodox, jüdisch und muslimisch. Sie sind vor allem an Hochschulen in Nord­rhein-Westfalen tätig. Die „Wissenschaftslandschaft“ dieses Bundeslandes ist dabei als beispielhaft für die Situation der deutschen akademischen Theologie im Blick. Gefragt wird nach der Stellung und Bedeutung der Theologie an den staatlich betriebenen und geförderten Hochschulen.

Die Säkularisierung schreitet fort. Die konfessionell bestimmte Theologie, die in erster Linie der Ausbildung von Pfarrern und Religionslehrern gedient hat, steht eher am Rand, im Blick auf die Zahl der Studierenden und auf die allgemeine Wahrnehmung. Andererseits wächst in den akademischen Lehr- und Lernstätten eine gewisse Neugier darauf, was denn das „Orchideen-Fach“ Theologie zu bieten habe.

Das Christentum ist im Begriff, seine Dominanz zu verlieren. Die zunehmend agnostisch oder atheistisch geprägte universitär-akademische Community wird auf Religion und damit auch auf Theologie aufmerksam durch die vor allem auf die Migra­tion zurückzuführende religiöse Pluralität hierzulande. Im Christentum wie in anderen Religionen macht sich gelegentlich ein Fundamentalismus bemerkbar, der das Interesse der Medien findet. Religion will eigentlich Lebenshilfe vermitteln. Daran ist Politik, Staat und Gesellschaft gelegen. Doch zeigt Religion zuweilen auch dunkle Seiten, etwa in Irrationalismus, in Missbrauchsfällen oder in (vor allem islamistischem) politischem Extremismus. Hier legt die demokratische Öffentlichkeit in höchstem Maß Wert auf wirksames Gegengewicht.

Eben dazu ist akademische Theologie nützlich. Diese ist in ihren religionswissenschaftlichen Methoden der kritischen Quellenforschung und strengen Argumentation verpflichtet, und in ihren religionsphilosophischen Fragestellungen besonders auch der Vernunft, Erfahrung und Religionskritik. Durch Austausch mit anderen Wissenschaften am selben Ort wird sie thematisch bereichert und kann diese umgekehrt ethisch und metaphysisch sensibilisieren. Konfessionell ausgerichtete Theologie lernt in dieser Vielfalt, bescheidener zu werden und religiöse Absolutheitsansprüche zu relativieren. Es kommt auch der Akzeptanz christlicher Theologie in den staatlichen Einrichtungen zugute, dass dort rationale jüdische und islamische Theologien etabliert werden, die die Integration und Stabilisierung der jeweiligen Gläubigen fördern können.

Der Platz der Theologien an den universitär-akademischen Lehrstätten ist durch ihre ethische, soziale und gesellschaftliche Nützlichkeit einigermaßen gesichert. Theologie stellt aber auch die „Gottesfrage“. Auch diese hat an der Universität ihr Recht. Die menschliche Grundfrage nach dem Woher und Wohin von allem durchzieht auch die Philosophie. Die in Geschichte und Gegenwart auf diese Grundfrage gegebenen Antworten werden in den Wissenschaften als Optionen festgehalten, auch in ihren naturalistisch-atheistischen Spielarten. An den Universitäten wird die Wirklichkeit erforscht, und dazu gehören auch die menschlichen Grundfragen und Überzeugungen. Die Universität ist in Forschung, Lehre und Studium dem verpflichtet, was der Fall ist; und auch dem, was der Fall sein soll, denken wir nur an die Errungenschaften der Medizin, an die Dringlichkeit des Klimaschutzes oder die Förderung interkultureller Kommunikation.

Die Gottesfrage darf in der Universität laut werden. Doch würde sie auf diese Frage eine für alle verbindliche Antwort zu geben versuchen, wäre das ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit, die religiöse und weltanschauliche Vielfalt in unserer Gesellschaft sowie gegen die Grenzen grundsätzlich aller zumutbarer Erkenntnis.

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