Ein neuer Himmel und eine neue Erde
Vor einigen Wochen kritisierte der Bochumer Theologieprofessor Günter Thomas die in kirchlichen Kreisen oft anzutreffende Schöpfungstheologie als romantisierende und fordere mehr Realismus. Auf seinem Text reagiert nun Wolfgang Schürger, Sprecher der Umweltbeauftragten in den Gliedkirchen der EKD. Es gehe im christlichen nicht um die naturromantische Bewahrung eines nie gegebenen Urzustandes, sondern um das Wohlsein der ganzen Schöpfung. Die Leitfrage laute: Was brauche ich, was brauchen die anderen?
„Licht, das in die Welt gekommen, Sonne voller Glanz und Pracht; Morgenstern, aus Gott entglommen, treib hinweg die alte Nacht, zieh in deinen Wunderschein bald die ganze Welt hinein.“ Mit diesen Worten Ewald Rudolf Stiers haben wir in vielen Gemeinden Bayerns und Thüringens das Epiphaniasfest gefeiert (EG BT 550,1). Die Weihnachts- und Ephiphaniaszeit lebt von dieser Lichtsymbolik: Das Dunkel der Welt wird durch die Gegenwart Gottes erhellt! Die Welt, wie wir sie erleben, ist nicht einfach gut – jede und jeder von uns kann eine Vielzahl von dunklen Seiten aufzählen, die darauf harren, im erlösenden Licht verwandelt zu werden.
Die Geburt des göttlichen Kindes in der Krippe ist Manifestation der Hoffnung, dass eine andere, „hellere“ Welt möglich ist. In seinen öffentlichen Auftritten hat Jesus von Nazareth diese Hoffnung genährt, indem er Menschen geheilt, Ausgeschlossene in die Gemeinschaft integriert und Strukturen des Unrechts offen benannt hat. Zusammengefasst hat er diese Hoffnung in der Verheißung der Königsherrschaft Gottes, des Reiches Gottes.
Christinnen und Christen leben seitdem in und aus der Hoffnung auf eine neue, „lichtere“, bessere Welt – auf einen „neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt“ (2. Petr 3,13).
Generationen von Gelehrten haben durch die Jahrhunderte hindurch die Frage diskutiert, wie sich dieser neue Himmel und diese neue Erde zu unserer vorfindlichen Welt verhalten: Muss diese Welt erst vergehen, damit etwas völlig Neues entsteht, oder wird Gott diese Welt zu diesem neuen Himmel und dieser neuen Erde verwandeln, sodass Gerechtigkeit, Frieden und erfülltes Leben auf ihr möglich werden? Die altprotestantische Orthodoxie spricht hier von „consumatio“ bzw. „annihilatio“ und „transformatio“ mundi. Die Antwort auf diese Frage ist nicht unerheblich für das Weltverhalten von Christinnen und Christen im hier und jetzt und damit auch für die Bewertung christlichen Umweltengagements.
Vertreterinnen und Vertreter der Annihilatio-Hypothese berufen sich gerne auf die Dramaturgie der Johannes-Offenbarung und sehen mitunter das Fortschreiten von Klimawandel und Artenschwund, die zunehmenden Konflikte weltweit und auch die Corona-Pandemie als Zeichen dafür, dass das Ende dieser Welt und der Anbruch des Reiches Gottes unmittelbar bevorstehen. Christliches Engagement für Arten- und Klimaschutz und Flüchtlinge ist für sie der Versuch, dem Rad Gottes in die Speichen zu fallen. Kirchliche Verkündigung muss nach ihrer Ansicht endlich aufhören, Schöpfungsromantik oder gesellschaftlich-politische Verantwortung zu predigen, sondern sich auf die Verkündigung des Heiles in Jesus Christus konzentrieren und Menschen zum Bekenntnis zu Jesus ermutigen.
Kapitulation vor der Gegenwart?
Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Christinnen und Christen, die so argumentieren, vor den drängenden und bedrohlichen Herausforderungen der Gegenwart kapituliert haben: Der Glaube wird in die Innerlichkeit des Individuums abgedrängt, die Welt mag vergehen, solange möglichst viele sich zu Jesus als dem Christus bekennen. Das mag angesichts der komplexen Probleme der Gegenwart entlastend sein, biblisch ist es nicht.
Die Vorstellung, die vorfindliche Welt und der neue Himmel und die neue Erde stünden sich unverbunden gegenüber, ja die eine Erde müsse vergehen, damit die andere möglich wird, übersieht nämlich ein prägendes Stilmittel altorientalischer und damit auch biblischer Apokalyptik: „In Krisenzeiten (Not, Unterdrückung, Kontroversen) wird durch hierarchisch autorisierte, supranaturale Enthüllungen endzeitlicher Geschehnisse den Leidenden die tröstende Botschaft der göttlichen Überwindung des Bösen und der Erneuerung des Guten kundgetan.“ (David Hellholm, Art. Apokalyptik I. Begriffsdefinition als religionsgeschichtliches Problem, RGG4, Bd. 1, 590f., Zitat 591). Der Dualismus ist also Stilelement, das gerade dazu führen soll, den Adressatinnen und Adressaten Orientierung und Hoffnung für ein Leben in der gegenwärtigen Welt zu geben.
Dies gilt im Übrigen auch für die Apokalypse des Johannes, die uns Heutigen oft so bedrohlich und dunkel vorkommt: In ihr findet sich zwar eine Fülle der Bilder der Zerstörung, doch handelt es sich um eine Bildsprache, die für die ursprünglichen Adressatinnen und Adressaten unschwer so zu entziffern ist, dass sie sich selbst als mitten in dieser Welt der Umbrüche stehend verstehen.
„Die gewählten Bilder sind weithin von der Tradition vorgeprägt und hinsichtlich ihrer Bedeutung festgelegt. […] Jeder mit apokalyptischer Tradition auch nur annähernd vertraute Christ des ausgehenden 1. Jahrhunderts dürfte diese Bilder auf Anhieb verstanden haben.“ (Jürgen Roloff, Die Offenbarung des Johannes, Zürich 1983 (= ZBK NT 18), 13f).
Apokalyptische Bildsprache
Die Adressatengemeinden des Johannes leben in einer Zeit, in der der römische Staat immer totalitärer wird, erste Christenverfolgungen haben sich ereignet, die großen Verfolgungen stehen noch bevor. Mit seiner apokalyptischen Bildsprache macht der Autor den Gemeinden deutlich, „daß ihnen im totalitären religiösen Machtanspruch des römischen Staates die Manifestation der widergöttlichen Mächte begegnet […]. Zugleich spricht Johannes dieser Kirche Trost und Hoffnung zu: Sie soll wissen, daß die widergöttlichen Mächte bald ausgespielt haben und daß der endgültige Sieg Gottes, der im Himmel schon Wirklichkeit ist, bald auch auf Erden manifest werden wird.“ (a.a.O., 18)
Apokalyptische Texte sind also Texte, die Hoffnung machen darauf, dass eine neue Erde und ein neuer Himmel, in denen Gerechtigkeit wohnt, in dieser Welt möglich sind – allen Widerständen und aller Hoffnungslosigkeit zum Trotz. Sie sind geprägt vom Bekenntnis, dass Gott selbst seine Welt verwandeln wird, und sind zugleich Ermutigung an ihre Adressatinnen und Adressaten, das ihnen selbst Mögliche zu dieser Verwandlung beizutragen. So jedenfalls lese ich die Sendschreiben der Johannes-Offenbarung, in denen der Seher nicht müde wird seine Gemeinden zu ermahnen, den Weg des Glaubens weiter zu gehen.
Wer aber den neuen Himmel und die neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, als Gottes Möglichkeiten für diese Welt glaubt und bekennt, dem oder der kann die vorfindliche Situation unserer Welt nicht egal sein. Vom Geist Gottes geführt trägt er oder sie vielmehr das hier und jetzt Mögliche dazu bei, dass das Reich Gottes mitten unter uns, inmitten der Dunkelheiten dieser Welt, Gestalt gewinnt. Als Glaubende tun wir dies in der Gewissheit, dass nicht wir die Welt retten müssen, sondern Gott selbst diese Erlösung vollenden wird. Dietrich Bonhoeffer spricht in diesem Zusammenhang davon, das Letzte vom Vorletzten zu unterscheiden: Gerade wer anerkenne, dass die letzten Dinge – die Erlösung und Vollendung der Welt – allein Sache Gottes sind, könne im Vorletzten, im Hier und Jetzt, zum Wegbereiter des Kommens Christi werden und die Welt im Vorletzten auf das Letzte (ihre Vollendung) hin bewahren und bereiten (Dietrich Bonhoeffer, Ethik, 5. Aufl. Gütersloh 2016, 147-162).
Die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, ist für mich daher leitend für christliches Umwelt- und Klimaengagement. Die Verheißung des erlösten Lebens in der neuen Welt Gottes gilt nämlich nicht nur uns Menschen, sondern „aller Kreatur“. Der Apostel Paulus weiß darum, wenn er im Römerbrief davon spricht, dass die ganze Schöpfung nach Erlösung seufzt (Röm 8,18-21). Auch die großen Endzeit-Visionen des Alten und Neuen Testaments machen deutlich, dass unsere Mitgeschöpfe zu der neuen Welt Gottes dazu gehören:
Die Offenbarung des Johannes hat ihren Höhepunkt in der Vision des neuen Jerusalems – des neuen Himmels und der neuen Erde. Der Seher beschreibt es im 21. Kapitel als die „Megacity“ des Reiches Gottes: eine prunkvolle Stadt, die von Frieden und Gerechtigkeit und der Nähe Gottes bei den Menschen geprägt ist. Am Ende der Vision aber steht in Offb 22,1-5 ein großer, kristallklarer Fluss, der vom Thron Gottes ausgeht und freifließend durch diese Megacity fließt. An seinen Ufern wachsen Bäume, die vielfältig Frucht bringen und die „Leiden der Völker“ heilen. Wer jemals die Flüsse in den Megacities unserer Tage erlebt hat, den Rio Tietê in São Paulo zum Beispiel, eine schmutzige Brühe eingezwängt in einem Betonbett zwischen Autobahnen, erkennt schnell, welche Verheißung in diesem Bild auch für die Gewässer unserer Erde liegt. Ja, die Flüsse seufzen nach Erlösung von der Gewalt, die wir ihnen angetan haben – und sie ist ihnen verheißen.
Friedensreich des Messias
Im Buch des Propheten Jesaja findet sich die Vision vom Friedensreich Gottes, die wir in der Advents- und Weihnachtszeit immer wieder hören:
„Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten. Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein kleines Kind wird seine Hand ausstrecken zur Höhle der Natter. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt. Und es wird geschehen zu der Zeit, dass die Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Völker fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein.“ (Jes 11,1-10)
Das Friedensreich des Messias, das hier verheißen ist, erstreckt sich beileibe nicht nur auf uns Menschen, es schließt die gesamte Tierwelt mit ein. Nutztier und Wildtier leben friedlich miteinander, kleine Kinder können sie ohne Gefahr führen. Niemand von uns weiß, wie das gehen soll, dass der Löwe zum Grasfresser wird, aber es ist die Vision eines allumfassenden Friedensreiches, in dem alle – wirklich alle – Kreatur genügend Raum zum Leben hat.
Manch einer mag dem Propheten jetzt vielleicht „Naturromantik“ vorwerfen, doch gerade hier wird deutlich, wie verfehlt dieser Vorwurf gegenüber den biblischen Schöpfungstraditionen ist: Natürlich weiß Jesaja, dass der Löwe der Gegenwart das Kalb frisst, und natürlich erleben die Menschen, an die er seine Vision richtet, Tag für Tag, dass sie von Wildtieren bedroht sind. Auch die Beterinnen und Beter des 104. Psalms werden in ihrem Alltag nur selten erlebt haben, dass die Raubtiere sich mit ihren Streifzügen zurückhalten, bis alle Menschen zu Bett gegangen sind (Ps 104,20-23). Aus beiden Texten spricht also keine Naturromantik, sondern die Hoffnung und Überzeugung, dass eine andere Welt möglich ist – eine gute Welt, eine wohlgeordnete Welt, in der alle Geschöpfe genug (Raum) zum Leben haben.
Hoffnungstexte
Auch die beiden Schöpfungsgeschichten im ersten Buch der Bibel wollen übrigens weder romantisierende Naturdarstellung noch historische Welterklärung sein. Auch sie sind Hoffnungstexte, die von ihren ursprünglichen Adressatinnen und Adressaten unschwer als solche zu verstehen sind:
1. Mose 1,1-2,4a, der jüngere der beiden Texte, ist zur Zeit des Exils in Babylon entstanden. Das Reich wird von einem König regiert, der als Abkömmling des Sonnengottes verehrt wird und für die Stabilität der Welt steht. Im Kreis der jüdischen Exilanten, die diesem König Frondienste leisten müssen, entsteht nun eine Erzählung, in der davon die Rede ist, dass der Gott Israels unter anderem zwei große Leuchtkörper geschaffen und an den Himmel geheftet hat und dass der Höhepunkt des schöpferischen Wirkens Gottes darin bestand, sich einen Tag Ruhe zu gönnen. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie subversiv solch eine Geschichte in einem totalitären Regime war, das sich auf die Sonne als oberste Gottheit gründet und Menschen zur Zwangsarbeit verpflichtet…
Ähnlich ist auch 1. Mose 2,4b-25 zu verstehen und von 1. Mose 3,1-24 her zu lesen: Die Lebensbedingungen nach dem Sündenfall beschreiben die Realität, in der sich die Adressatinnen und Adressaten der Texte vorfinden, doch die Erzählung führt ihnen vor Augen, dass eine andere Welt zu den Möglichkeiten Gottes gehört. So wird auch dieser Text subversiv und weckt Sehnsucht nach Veränderung – kein Wunder, dass beide Schöpfungserzählungen auch in der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung einen wichtigen Platz haben (vgl. Milton Schwantes, Am Anfang war die Hoffnung, München 1996).
Christliche Schöpfungstheologie und Schöpfungsspiritualität sind also alles andere als Naturromantik. Sie verschließen die Augen nicht vor den Dunkelheiten, der Ungerechtigkeit und der Gewalt in dieser Welt. Sie sehen jedoch in dieser Welt die Möglichkeiten Gottes und tragen dazu bei, diese Möglichkeiten Wirklichkeit werden zu lassen. Das Schöpferlob sieht die Welt dabei jetzt schon aus der Perspektive der Neuschöpfung Gottes: als gute, wohlgeordnete Erde, in der alle Kreatur genug zum Leben hat. Indem ich dieses Potential in Lob und Bekenntnis zum Ausdruck bringe, beginne ich die Transformation, weil ich die Welt und mich in ihr mit anderen, mit Gottes Augen sehe.
In der Weihnachts- und Epiphaniaszeit feiern wir, dass Gott in die Welt gekommen ist. In Jesus Christus lässt er sich ein auf die Dunkelheiten, die Ungerechtigkeit und die Gewalt dieser Welt. Schon bald bekennt die junge Kirche, dass in diesem Christus kein fremder, ferner Gott in die Welt gekommen ist, sondern kein anderer als der, der am Anfang alles geschaffen hat, beziehungsweise durch den im Anfang alles geschaffen ist (Joh 1,1-14, bzw. Kol 2,15-17). Wer Jesus als den Christus bekennt, bekennt damit auch, dass die geschaffene Welt nicht Gott-los ist. Sie mag in der Gesamtheit aller Kreatur auf Erlösung harren, doch es ist Gottes gute Geistkraft, welche die Welt seit Anbeginn der Welt erhält (die altprotestantische Orthodoxie unterscheidet hier zwischen dem „concursus“ und der „providentia“ Gottes) – die Geistkraft, die uns alle erneuern und vollenden wird.
Von Ungerechtigkeit gezeichnet
Wir harren eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt – denn diese Erde und dieser Himmel sind von Ungerechtigkeit gezeichnet. Genau deswegen kann denen, die auf die neue Schöpfung hoffen, die gegenwärtige Welt nicht egal sein. Es geht darum, die Ungerechtigkeiten dieser Welt klar zu benennen und – im Bewusstsein der Unterscheidung von Letztem und Vorletztem – das uns Mögliche dazu beizutragen, sie zu überwinden.
Gerechtigkeit, das ist angesichts von Artensterben, Klimawandel und Corona-Pandemie aber mehr als deutlich, ist zu eng verstanden, wenn sie nur als zwischenmenschliche Gerechtigkeit unter jetzt lebenden Generationen verstanden wird. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung zum bundesdeutschen Klimaschutzgesetz im letzten Jahr bereits die Gerechtigkeit zwischen jetzigen und zukünftigen Generationen angemahnt. Globale Gerechtigkeit ist der weltweiten Christenheit schon seit Langem ein wichtiges Anliegen. Artensterben, Klimawandel und Corona-Pandemie zeigen nun aber, dass auch zwischengeschöpfliche Gerechtigkeit ein wichtiges Thema ist: Alle drei sind in verschiedener Weise darauf zurückzuführen, dass wir Menschen immer mehr Raum einnehmen auf dem Planeten Erde und damit Lebensräume und Lebensmöglichkeiten anderer Lebewesen beschneiden. Zoonosen werden dadurch begünstigt und verbreiten sich in der globalisierten Welt, und wo der Fluss stirbt, stirbt irgendwann auch der Mensch, weil Wasser und Lebensmittel fehlen.
Nicht um naturromantische Bewahrung eines nie gegebenen Urzustandes geht es also christlichem Schöpfungsengagement, wohl aber um „Integrity of Creation“ (so der Originalbegriff im Konziliaren Prozess): Integrität, Wohlsein der ganzen Schöpfung, geleitet von der Frage: Was brauche ich, was brauchen die anderen (Menschen und nichtmenschliche Kreaturen), um ein Leben in voller Genüge zu haben, wie Jesus es verheißen hat (Joh 10,10)? Ohne Selbstkritik, ehrliche Aushandlungsprozesse und Anwaltschaft für diejenigen, die keine oder noch keine Stimme haben, wird dies nicht gehen. Doch wir können es wagen, weil wir wissen, dass Gott selbst es ist, der diese Erde erneuern will.