Unkonventionell

Blick auf die Kirche von morgen

Man kann sich alle möglichen Gedanken und Pläne machen über die Zukunft der Kirche und die Wege dorthin. Man kann auch darüber streiten – in Gemeindeversammlungen, Kirchenvorstandssitzungen, Kreis-, Landes- und EKD-Synoden. Und man kann dafür am grünen Tisch Leitlinien entwerfen mit Vorschlägen zu strukturellen Veränderungen. Aber man kann auch einfach etwas tun, um die Menschen zu erreichen, die noch nicht gänzlich verloren sind. Praktisch, pragmatisch, gemeindenah.

Wie das funktionieren kann, hat der Bayreuther evangelische Pfarrer Hannes Schott erprobt. Von seinen Experimenten und Erfahrungen aus dem Gemeindealltag berichtet er in seinem kürzlich erschienenen Buch Raus aus dem toten Winkel.

Wohnzimmergottesdienste, die der Pfarrer unter Bewerberinnen und Bewerbern verlost, Gottesdienste im Bus, eine Predigt verkleidet als biblische Figur, winterliche Abendgottesdienste ohne Predigt, mehr Großzügigkeit gegenüber den Wünschen der Menschen etwa bei Taufen oder Trauungen („Man kann auch offenbleiben und trotzdem seine Traditionen pflegen.“) bis hin zu Schafkopfabenden im Gemeindehaus: Schott nimmt nicht für sich in Anspruch, all das selbst erfunden zu haben, aber er zeigt, wie und dass sie funktionieren können: „Alle Teilnehmer der Wohnzimmer- und Busgottesdienste haben übrigens danach die ,ganz normalen‘ Sonntagsgottesdienste besucht.“

Schotts Erfolg könnte – dieser Eindruck drängt sich nach der Lektüre seines Buches auf – damit zu tun haben, dass er über das verfügt, was man landläufig als „gewinnendes Wesen“ bezeichnet. Ausstrahlung, Charisma, Humor und Talent als Entertainer – der 1980 geborene Theologe scheint von all dem etwas abbekommen zu haben.

Schon als Schüler hat Schott das Theater geliebt, als Mitglied der bayerischen Pfarrer-Kabarett-Truppe „Das weißblaue Beffchen“ ist für ihn die Bühne bis heute neben der Kanzel vertrautes Terrain. Dabei sind auch Howard-Carpendale-Schlager für ihn kein Tabu. Er ist überzeugt: „Bei dem Sehnen nach Liebe und Gemeinschaft treffen sich Glaube und Schlager.“

Schott, die „Rampensau“. Und da liegt dann auch der Haken seiner vielen kreativen Ansätze: Eine deutsche evangelische Durchschnittsgemeinde mag sich beeindrucken lassen von dem, was in Bayreuth geschieht, aber umsetzen (können) wird sie davon sicherlich nur einen Teil. Denn die Erfahrung zeigt doch: Welche Aktivitäten eine Gemeinde entwickelt, ist (leider) zumeist abhängig von den Begabungen und Interessen des Pfarrers/der Pfarrerin, sprich: der Hauptamtlichen. Zudem darf wohl vorausgesetzt werden, dass die Kirchenwelt im Oberfränkischen noch etwas heiler ist als in mancher Großstadtgemeinde, dass hier der Traditionsabbruch noch nicht so weit fortgeschritten ist wie andernorts. Manche Geschichte klingt fast zu schön, um wahr zu sein …

Aber der fränkische Pfarrer ist kein Träumer. Er weiß, wohin der Weg der Kirchen allen Prognosen zufolge gehen wird: dass sie sich verkleinern wird. Und weil Strukturmaßnahmen allein dagegen nicht helfen werden, braucht es Ideen wie die seinen – damit die Kirche nicht gänzlich im „toten Winkel“ verschwindet. Dabei können und sollten Gemeinden mit ihren Hauptamtlichen je für sich entscheiden, was zu ihnen passt. Nur wer authentisch ist, ist glaubwürdig. Davon ist Hannes Schott überzeugt.

Was sein Buch darüber hinaus lehrt: Mit Humor – und damit ist der Autor offenbar gesegnet – lassen sich viele Probleme leichter lösen als mit Ernst und Verbissenheit. Auch wenn das noch nicht bis zu allen Protestantinnen und Protestanten durchgedrungen ist: „Der christliche Humor zieht ja seine Legitimation daraus, dass das Elend hier auf Erden nicht alles ist.“

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