Wir brauchen Dialog

Innenperspektive und Außenperspektive des christlichen Glaubens
Weintrauben im Sonnenlicht
Foto: epd
Jesus Christus sprich: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Johannes 15,15). Erntereife Trauben in einem Weinberg im mittelbadischen Kraichtal.

Der badische Kirchenvorsteher Christian Messner leidet darunter, dass zentrale christliche Glaubensinhalte von den Kirchen „nach außen“ zwar weiter vertreten, dass aber der Austausch darüber kaum stattfindet. Er hätte es gern anders: Weniger rundgeschliffenen Dialog der Religionen, sondern mehr ehrliche Begegnung.

Worin besteht der Glaube evangelischer Christen denn so? Dass ich darüber kaum etwas weiß, wurde mir gerade in letzter Zeit immer mehr bewusst. Zu selten sind die Gespräche, die wirklich ans Eingemachte gehen. Zu klein ist die Zahl der Personen, auf die sie sich konzentrieren. Verständlich sind die methodischen Schwierigkeiten der Religionssoziologen, die in der Fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2015 den christlichen Glauben nicht genauer umschreiben als mit der Formel „Glauben an einen Gott, wie er sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat“.

Ich wüsste beispielsweise gerne, wer in der Christenheit eine Formulierung wie „Jesus Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott“, wer die Rede von der Trinität verinnerlicht hat, wer damit noch etwas anfangen kann, wer sich daran reibt und wer diese Dinge für den eigenen Glauben für bedeutungslos hält.

Warum ist mir das wichtig? Positionen wie die göttliche Natur Christi und die Trinität sind immerhin noch Hochfeste wert, die in der Allgemeinheit wenigstens kalendarisch und als gesetzliche Feiertage wahrgenommen und in ihrer Bedeutung von den Kirchen auch betont werden. Vor allem im Dialog mit Judentum und Islam bereiten sie jedoch kaum zu überwindende Schwierigkeiten, In der Auseinandersetzung mit Atheismus und Agnostizismus erscheinen sie bestenfalls als unnötige Verkomplizierungen. Lehrt also der Blick auf die Glaubenswirklichkeit, dass hier eine Elite über die Köpfe der Mehrheit hinweg Phantomdebatten führt und damit unheilvolle Barrieren verfestigt? Oder sind diese Debatten nach wie vor notwendig, weil sonst spezifisch Christliches abhandenkommt, erreichen aber die Basis nicht?

Kaum mehr als relevant empfunden

Wer also mehr darüber weiß als ich, hilft mir sehr beim Umgang mit dem Eindruck, der sich verdichtet: Zentrale christliche Glaubensinhalte werden von meiner Kirche nach außen hin „offiziell“ wie seit jeher vertreten. An der Basis aber werden sie nur noch diffus wahrgenommen und kaum mehr als relevant empfunden. Die Verkündigung nach innen ist nicht so wirksam, dass sie das ändern könnte.

Was für pauschale Vorwürfe! Bitte nehmt es als einen Hilferuf, nach besserer, fundierter Information. Überhört meine Hoffnung nicht, dass es anders sein oder doch werden möge. Und damit könnte ich fürs Erste aufhören. Ich tue es nicht, denn bei mir sind allgemeinere Gedanken ausgelöst worden über die Innen- und die Außenperspektive auf den christlichen Glauben, die zur Orientierung helfen könnten in einem Umfeld wachsender religiöser Diversität bis hin zu völliger Indifferenz. Ich ordne sie in ein Sorgenbild und ein Wunschbild:

Das Sorgenbild: Milieusensibilität ist nötig. Wir müssen merken, wen wir (nicht) erreichen und warum. Rutschen wir dabei aber in eine Nachfrageorientierung ab, verwechseln „milieugerecht „ mit „marktgängig“, so birgt das mehrere Gefahren: Wir fragen primär, was ankommt, und halten zurück, was wir anbieten wollten und sollten. Dann verlieren wir unser religiöses Profil: Statt Christologie samt Kreuzestheologie – in welcher Darstellung auch immer – bleibt eine uniforme Liebesbotschaft und eine privatistische Frömmigkeitspraxis.

Botschaft neu auf den Punkt bringen

Wir verwechseln „milieugerecht“ mit „einfach“. Wir vermitteln nur möglichst einfache Botschaften statt die Botschaft möglichst einfach. Das nimmt unter Umständen regressive Züge an, so dass sich das Gegenüber nicht ernst genommen fühlt. Jedenfalls ist die Folge, dass die, die sich etwa aus rationalen Überlegungen heraus vom Glauben verabschiedet haben, sich in dieser Entscheidung immer mehr bestätigt sehen und nie wieder erreicht werden. Sie und alle, deren Nachfrage uns deshalb nicht erreicht, weil sie längst aufgehört haben, nach uns zu fragen, übergehen wir. Damit entgehen uns auch Anregungen, die uns helfen würden, unsere Botschaft neu auf den Punkt zu bringen. Von außen gesehen provinzialisieren wir uns selbst. Scheinbar nahtlos fügen wir uns dann ein in einen Dialog der Religionen, der den Namen nicht verdient, wenn auch die anderen Religionen sich so rundgeschliffen einbringen. Die Religionslosen wird er ohnehin nicht einschließen.

Das Wunschbild: Der ehemalige Aachener Bischof Klaus Hemmerle (1929 – 1994) spricht von „empfangendem Denken“. Er sagt: Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.“ Wir suchen also die persönliche Begegnung und dafür in einer Haltung des Lernens und des Dienens eine gemeinsame Sprache! Ob im Dialog mit Leuten, denen wir oder die uns fremd sind, im vertrauten Gemeindekreis oder alleine: Immer führen wir die Außenperspektive mit. Mutig beziehen wir alle naheliegenden Einwände ein. Wir lassen uns in Frage stellen und stellen uns selbst in Frage. Die Bruchstückhaftigkeit unseres Denkens und Sprechens halten wir uns vor Augen. Dadurch gewinnt die Botschaft erst richtig an Profil. Die Außenperspektive ist nicht nur der Schlüssel zur geeigneten Form der Vermittlung. Die Außenperspektive ist auch der Schlüssel zur eigenen Botschaft im Kontext der Vermittlung. Verstanden werden und sich selbst verstehen gehen Hand in Hand.

So bringen wir uns ein in einen Dialog aller, auch nicht-religiöser Weltanschauungen. Zu den großen Lebensfragen suchen wir Antworten in den verschiedenen Traditionen. Jeder bietet das Mitgebrachte für alle an. Je pointierter und kohärenter die Botschaften sind, umso kräftiger sind sie in ihren Kontext verwoben und umso weniger ist Synkretismus zu befürchten. Zu erwarten ist vielmehr geteilter Reichtum.

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Christian Messner

Christian Messner (*1954) ist Kirchengemeinderat der evangelischen Kirchengemeinde Steißlingen-Langenstein. Mit der Kirchen- und Glaubenswelt über die Musik seit jeher stark verbunden, blieben ihm religiöse Sprach- und Frömmigkeitsformen lange fremd.


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