Erlösende Kräfte

Herrliches von Hammerschmidt

Hier leuchtet er wieder, dieser einmalig dichte, gleichzeitig transparente, über alles erhabene, noch im prachtvollsten Moment immer distinguiert dem Anlass dienende Klang von Vox Luminis. Wo findet dieser aus Urvertrauen in das studierte Werk und bewährt beseelter Könnerschaft herrührende Kolorit seine Entsprechung?

Mit dieser Aufnahme macht das Ensemble in wieder verzaubernd einzigartig musikalischer und dramaturgischer Finesse einem böhmisch-sächsischen Komponisten den Hof, der eigentlich eher zum Hofstaat des musikalischen Triumvirats seiner Zeit – Schütz, Schein, Scheidt – gezählt wird: Andreas Hammerschmidt. 1611 im böhmischen Most (Brüx) geboren, gelangt er über das sächsische Freiberg (St. Petri) 1639 in die Oberlausitz nach Zittau (St. Johannis), wo er bis zu seinem Lebensende 1675 wirkte und trotz etlicher Verluste noch ein umfangreiches Oeuvre hinterließ, das seit 2015 im Kamprad-Verlag im thüringischen Altenburg umfänglich erschlossen wird.

Dass ihm bis heute eine ähnlich große Bekanntheit wie dem berühmten Super-Sachsen-Trio versagt blieb, ist vermutlich auch seiner vielfältigen Besetzungsfreude geschuldet, die ihn, zum Leidwesen Vieler, weder Chören noch Organisten wirklich vertraut macht. Welcher Chor sänge nicht gern mehr solcher prachtvoller Werke wie „Machet die Tore weit“ und geht bei weiterer Recherche bisher doch leer aus … Andreas Hammerschmidt ist der kraftvoll expressive Komponist klanglicher Gärten, in denen die Überraschung und das Abenteuer zu Hause sind. In auslotender Wort-Ton-Manier streift er jedem Text ein anderes Besetzungsgewand über und kann Dank offensichtlich praller Stadtkassen einen breiten Fächer für das festlich-feinstoffliche Weben derselben nutzen. Vox Luminis hat sich bei dieser CD klug gegen die akademische Einspielung einer bestimmten Sammlung entschieden, sondern sich vielmehr anhand eines inhaltlichen Leitfadens aus acht Sammlungen, zwischen 1641 und 1671 in Freiberg, Dresden und Zittau erschienen, bedient. Thematisch führt das Ensemble durch die Passionszeit bis zur Himmelfahrt und offenbart einen das Wort mit wachem Herzen kauenden und den Sinnen brillant die einander befeuernden Facetten kunstvoller Polyphonie und madrigalesker Affekte darreichenden Komponisten.

Vox Luminis ist es endlich und endgültig gelungen, Hammerschmidt standesgemäß zu adeln. Höhepunkte dieser Zeremonie sind zweifellos die an Psalm 42 orientierte Motette „Warum betrübst du dich, mein Herz“ oder Psalm 126 „Die mit Tränen säen“, die im Vergleich zu den bekannten Schein- und Schütz-Motetten von ebenbürtiger Meisterschaft künden, vor allem aber auch die grandios virtuose, oratorische Motette „Wer wälzet den ersten Stein“. Erlösende Kräfte. Erquickend.

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