Großes Ärgernis

Die Bremische Evangelische Kirche stellt den „Volksverhetzer“ Olaf Latzel endlich still
Prozess gegen Olaf Latzel
Foto: dpa/picture alliance

In Folge seiner Verurteilung wegen Volksverhetzung, gegen die er Berufung einlegte, hat die Bremische Evangelische Kirche ihren Pastor Olaf Latzel vorläufig vom Dienst suspendiert, bis das Gerichtsverfahren beendet ist. Der 53-jährige lehnte es ab, sich gütlich mit seiner Kirche auf ein Ruhen des Dienstes zu einigen. Leider, meint zeitzeichen-Chefredakteur Reinhard Mawick.

Der Prozess gegen Pastor Olaf Latzel hätte so versöhnlich enden können. Hätte doch der 53-jährige Geistliche von St.-Martini bloß die 8.100 Euro Geldstrafe, die Amtsrichterin Ellen Best vor gut drei Wochen gegen ihn verhängte, einfach angenommen. Punkt. Und hätte er diese Annahme dann vielleicht sogar – träumen muss erlaubt sein – nochmals mit Worten der Entschuldigung und des Bedauerns bedacht. Des Bedauerns den Menschen gegenüber, die sich von seiner im Internet verbreitenden Schimpfreden über die „Verbrecher vom Christopher-Street-Day“ verletzt fühlen müssen? Oft genug hatte Latzel im Prozess behauptet, er würde alle Menschen lieben, beziehungsweise wir alle, er eingeschlossen, seien Sünder und ermangelten der Gnade. Warum verhielt er sich nicht so?

Wenn es so gewesen wäre, dann, ja dann hätte die Bremische Evangelische Kirche (BEK) ihn möglicherweise im Amt belassen können – wenn auch intern gewiss mit dem klaren Hinweis, sich nun wirklich künftig zu mäßigen. Und vorbestraft wäre er bei dieser geringen Geldbuße sowieso nicht gewesen. Aber es hat nicht sollen sein: Latzels Anwalt legte Berufung ein und kündigte sogar an, wenn nötig bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen – wie wir ausführlich im November auf zeitzeichen.net vom Tag der Plädoyers und der Urteilsverkündung berichteten.

Die Bremische Evangelische Kirche hat nun am 10. Dezember aus dem Schuldspruch der Richterin oder vielmehr aus der Tatsache, dass Latzel diesen nicht akzeptierte, die Konsequenz gezogen, dass der verurteilte Pastor „während der Dauer des weiteren Verfahrens“ nicht mehr seinen Dienst „als Pastor unserer Kirche tun“ kann, wie es in einer Pressemitteilung der BEK vom 11.Dezember heißt.

„Würde Glaubwürdigkeit schwer beschädigen“

Begründet hatte das der leitende Geistliche der Bremischen Kirche, Schriftführer Bernd Kuschnerus, so: „Es ist nach unserer Überzeugung nicht möglich, dass ein Pastor, der von einem Gericht der Bundesrepublik Deutschland wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist, während der Dauer des Disziplinarverfahrens weiter seinen Dienst tut“. Eine Ausübung des Dienstes während dieser Zeit würde die „Glaubwürdigkeit der Wahrnehmung des kirchlichen Dienstes und das Ansehen der Bremischen Evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit schwer beschädigen“.

Am gestrigen Mittwoch nun schlug Latzel auch noch die letzte Möglichkeit eines halbwegs versöhnlichen „Waffenstillstands“ aus: Der Kirchenausschuss der BEK hatte eine einvernehmliche Einigung darüber angeboten, dass er sein Amt ruhen lasse. Aber das lehnte Latzel ab, und wurde insofern mit sofortiger Wirkung zunächst seines Amtes enthoben. Finanzielle Einbußen sind damit erstmal nicht verbunden, denn das Disziplinarverfahren der Bremischen Kirche, das zu solchen oder gar zu einer dauerhaften Entfernung aus dem Dienst führen könnte, ruht ja bis das staatlichen Gerichtsverfahren abgeschlossen ist. Und das kann Jahre dauern, denn es steht kaum zu vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die „Causa Latzel“, sollte sie bis dahin gelangen, prioritär behandeln.

Was für ein großes Ärgernis! Latzels Äußerungen haben dem Ansehen der evangelischen Kirche in Bremen und darüber hinaus sehr geschadet. Es ist und bleibt ein Rätsel, warum die sich bürgerlich gebende Bremer St.-Martini-Kirche so beinhart zu ihrem Prediger hält. Weder Latzel selbst, noch die ihn unterstützende Gemeinde, scheint es etwas auszumachen, dass ihre beharrliche Weigerung, die Sache zu befrieden, Kreise und Milieus stärkt und unterstützt, die anders als Latzel aus ihren Ressentiments gegen Schwule, Lesben und Transgender keinen Hehl machen. Das scheinen Olaf Latzel und die Seinen billigend in Kauf zu nehmen. Es scheint, als wolle sich der wortgewaltige Schimpfprediger mit einem starren vormodernen biblizistischen Schriftverständnis gar als neuer Luther inszenieren. Bizarr! Nun darf man gespannt sein, ob und wie sich Latzel an das öffentliche Schweigegebot hält. Es ist davon auszugehen, dass da noch etwas kommt – dafür werden schon seine bundesweiten Unterstützerkreise sorgen.

Keine Frauen auf der Kanzel

Auf jeden Fall erscheint die nun erfolgte Suspendierung Latzels, der bisher jede Art von Einsicht und Kooperation vermissen lässt, völlig angemessen. Selbst eine liberale, weltoffene Kirche wie die Bremische kann sich nicht alles bieten lassen. Auch sie muss abwägen zwischen dem öffentlichen Schaden, den die Kirche als Ganzes nimmt, und der von seinen Anhängern so hymnisch hochgehaltenen angeblichen „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ des St.-Martini-Pfarrers, womit sein peinliches Beschimpfen von Minderheiten nun wirklich nichts zu tun hat. Es steht zu hoffen, dass der Noch-Kirchenbeamte Latzel die von seiner Noch-Kirche großzügig bezahlte Auszeit nutzt, um sich eine neue Gemeinde zu suchen – doch bitte außerhalb einer Gliedkirche der EKD.

Als Beobachter von außen fragt man sich aber, warum es mit dem Ärgernis Latzel in Bremen überhaupt so weit kommen konnte. Viel früher hätte es zu landeskirchlichen Maßnahmen kommen müssen, denn seit Latzel 2008 die St,-Martini-Pfarrstelle übernahm, darf keine Frau dort auf der Kanzel stehen und predigen. Unglaublich! Das widerspricht den elementaren Gepflogenheiten einer Gliedkirche in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auch wer die Liberalität der Bremischen Kirche schätzt, kann nur den Kopf schütteln, dass man Latzel und dem ihn unterstützenden Kirchenvorstand diese schräge Praxis bisher durchgehen lässt.

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