Mutig und ungeschickt

Zur Diskussion um die „Elf Leitsätze“ der EKD

Über mangelnde Beachtung ihres Werkes können die Autorinnen und Autoren des Textes „Kirche auf gutem Grund: Elf Leitsätze, nicht klagen. Viele Beiträge erschienen in großen Tageszeitungen, im Rundfunk, in den sozialen Medien und natürlich auch auf zeitzeichen.net. Die wenigstens aber waren zustimmend oder gar euphorisch. Das wiederum verwundert nicht, denn egal, was man von den Leitsätzen hält, für alle, die eine gewisse mediale Wirkung erzielen wollen, erscheint es wenig ratsam, ein Papier, das aus der Zentrale kommt, zu loben.

Hinzu kommt, dass besonders die Engagierten und Engverbundenen anlässlich solcher Gelegenheiten gerne Punkte aufbereiten, über die sie schon lange mit der Zentrale im Clinch liegen. Auch hat sich in dem guten Jahr seit Veröffentlichung der  Freiburger Studie 2019, die eine Halbierung der Mitgliederzahlen und der Finanzkraft der Kirchen bis 2060 prognostizierte, durch die Erfahrungen der Corona-Krise seit März und die Veröffentlichung der prozentual höchsten Kirchenaustrittszahlen aller Zeiten unter den Aktiven und dem Personal der evangelischen Kirche Anfang Juli eine klamme Stimmung breitgemacht. Deshalb reagieren manche dünnhäutig auf die Vorschläge in dem neuen EKD-Papier, auch weil es streckenweise in einem etwas weltordnenden Ton daherkommt.

Schlechtes Timing also, an dem aber nicht zu rütteln war, denn es soll ja vor den abschließenden Beratungen der EKD-Synode im November munter diskutiert werden. Gefühlt aber kamen die Leitsätze für einige zu Unzeit. Zwei Kritikpunkte ziehen sich durch: zum einen die Vernachlässigung der Gemeindeebene und zum anderen die Überbetonung sogenannter NGO-Themen gegenüber der Seelsorge. Das „Politik machen“ scheint im neuen EKD-Entwurf Vorrang vor dem „Politik möglich machen“ zu haben. Letzteres war die inoffizielle Leitformel der EKD in den Zeiten von Wolfgang Huber und Hermann Barth im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gewesen. Ob die neue Schwerpunktsetzung richtig ist, muss gründlich diskutiert werden!

Ungeschickt aber ist auf jeden Fall, sich in den Leitsätzen jeder Art von Würdigung der Arbeit der Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer zu enthalten. Diese Leerstelle hat sicher manche Kritik befeuert. Dabei wäre es doch ein Leichtes gewesen, in einer Art Captatio Benevolentiae, dem „Haschen nach Wohlwollen“, einiges zu entfalten. In „Kirche der Freiheit“ im Jahre 2006 begann das „sechste Leuchtfeuer“ noch so: „Auf Gott vertrauen und das Leben gestalten – den Beruf der Pfarrerinnen und Pfarrer als Schlüsselberuf der evangelischen Kirche stärken. Im Jahre 2030 ist der Pfarrberuf ein attraktiver und anspruchsvoller, angemessen finanzierter und hinreichend flexibilisierter Beruf.“ Etwas in dieser Richtung sucht man in den neuen Leitsätzen vergeblich. Andererseits ist es auch die Aufgabe, ja ein besonderer Service der EKD gegenüber den Landeskirchen, sich mit so einem Papier aus dem Fenster zu lehnen. Das hätte sie geschickter machen können, aber es musste sein, denn es brauchte jetzt einen neuen Impuls, um eine Grundlagendiskussion und die damit zusammenhängenden Verteilungsfragen anzugehen. Insofern: Vielleicht ungeschickt, aber mutig und nötig!

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