Was ist das berühmteste Stück Beethovens? Natürlich, Ta-ta-ta-taa, die Fünfte. Einspielungen gibt es wie Sand am Meer. Im laufenden Beethovenjahr des Gedenkens an den 250. Geburtstag des Komponisten hat nun auch Teodor Currentzis mit seinem Orchester Musicaeterna eine Aufnahme vorgelegt. Das „eine“ ist wörtlich zu nehmen, denn die CD enthält wirklich nur die 5. Sinfonie, hat also nur eine Spieldauer von gut 30 Minuten. Das ist unüblich, das konnten sich früher die Beatles und die Stones auf LP erlauben, aber im Klassik-CD-Business rümpft man eigentlich die Nase, wenn eine CD-Einspielung deutlich unter einer Stunde bleibt. Sollte diese Information jetzt knauserige Musikfans vom Erwerb abhalten, wäre es schade, denn selten hat mich eine Aufnahme dieses Stückes so überzeugt wie diese.
Vor gut dreißig Jahren waren es die Einspielungen von Christopher Hogwood, die mich für Beethoven einnahmen. Sie ließen durch das historische Instrumentarium eine neue Klangwelt auch für die Romantik entstehen, an deren Anfang Beethoven steht. Allerdings stand damals der sich vom Mainstream absetzen wollende „Wir-machen-es-jetzt-anders“-Effekt sehr im Mittelpunkt. Darüber ist man längst hinaus. Currentzis’ Combo spielt auch auf so genannten historischen Instrumenten, aber die Spieltechnik hat sich natürlich weiterentwickelt. Überwältigend an der Aufnahme sind die Ausdruckskraft bar jeder Brachialität und die extrem feinsinnige Gestaltung von Schlusssequenzen, die dabei fern jeder flirrenden Manieristik bleiben.
Ja, man kann sich wirklich kaum satthören an diesem vitalen Musikfluss, den Currentzis und die Seinen da enthüllen. Lesenswert auch, was Currentzis in seinen Skizzen zum Werk schreibt. An mangelndem Selbstbewusstsein leidet der neue In-Pultstar des 21. Jahrhunderts gewiss nicht: „Mit dieser Aufnahme verfolge ich ein einziges Ziel: das musikalische Drama der fünften Sinfonie auf allen nur erdenklichen Ebenen zur Katharsis zu führen, angefangen bei ihrer dinglichen Existenz aus Metronomzahlen und Formen bis zur spirituellen Dimension der Musik ,zwischen den Zeilen‘“. Na dann, viel Freude. Man ist bei diesen Worten fast versucht, bei Beethovens philosophischem Altersgenossen und diesjährigem Mitjubilar Georg Friedrich Wilhelm Hegel eine kategoriale philosophische Sortierung dieser Ansprüche zu bestellen, um ihnen gerecht zu werden. Aber so viel sei schon nach mehrmaligem erstauntem Hören gesagt: Es wird auf dieser CD einfach wunderbare Musik – vielleicht sogar kongenial? – dargebracht. Deswegen bitte keine Sparsamkeitserwägungen wegen Unterlänge, sondern lieber eine Weile die Dauerschleife wählen!
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.