Reine Profitmaximierung war gestern

Warum grünes Wirtschaften und Nachhaltigkeit ein Megatrend bleibt
Indem politische Positionen erarbeitet werden, findet auch der Diskurs darüber statt, was die grüne Wirtschaft fordert und welche Haltung und Werte sie tragen.
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Indem politische Positionen erarbeitet werden, findet auch der Diskurs darüber statt, was die grüne Wirtschaft fordert und welche Haltung und Werte sie tragen.

Eine gute Wirtschaftspolitik, die zukunftsfähige Unternehmen stärkt, muss mit einer fortschrittlichen Umweltpolitik verbunden sein. Die Corona-Krise zeigt: Nachhaltige Unternehmen und Investments sind  widerstandsfähiger gegenüber Krisen, erläutert Katharina Reuter, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün.

Die grüne (nachhaltige) Wirtschaft liegt im Trend. Green Deal, Green Economy, Green Lifestyle – Nachhaltigkeit ist einer der wichtigsten Megatrends dieses Jahrzehnts. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen verbinden Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung – reine Profitmaximierung war gestern.

Längst sind grüne Zukunftstechnologien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Deutschland. Der Einsatz von Umwelt- und Effizienztechnologien gewinnt an Bedeutung und entscheidet laut Umweltbundesamt wesentlich über die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Für die „grünen Zukunftsmärkte“ wird ein durchschnittliches jährliches Wachstum des globalen Marktvolumens bis 2025 von fast sieben Prozent vorausgesagt (Marktvolumen von sechs Billionen Euro im Jahr 2025/GreenTech-Atlas, Bundesumweltministerium).

Das gewachsene Bewusstsein um die planetaren Grenzen und die Verabschiedung der Sustainable Development Goals, also der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, führen dazu, dass nachhaltiges Wirtschaften auch in der Politik mehr Rückendeckung erhält. Forschung und Entwicklung und die Förderung der Marktdiffusion innovativer Umwelt- und Klimaschutztechniken sind notwendig, ebenso wie systematische Innovationsanreize (Umweltbundesamt). Eine gute Wirtschaftspolitik, die zukunftsfähige Unternehmen stärkt, muss mit einer fortschrittlichen Umweltpolitik verbunden sein. Das Bundesumweltministerium sieht diese grünen Zukunftsmärkte im Fokus: umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energie, die Energieeffizienz sowie Rohstoff- und Materialeffizienz, nachhaltige Mobilität und nachhaltige Wasserwirtschaft ebenso wie Abfall- und Kreislaufwirtschaft.

Dass die grüne Wirtschaft im Trend liegt, zeigt sich auch an der zunehmenden Zahl der grünen Startups. Sie machen inzwischen mehr als 20 Prozent aller Startup-Gründungen in Deutschland aus (Green Startup Monitor 2020). Grüne Start-ups – rund 6 000 in Deutschland – schaffen einen konkreten ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert. Dabei zeichnen sie sich unter anderem durch eine starke Förderung und Beteiligung ihrer Beschäftigten und eine höhere Gründerinnenquote aus. Grüne Startups und Social Entrepreneurs sind mit ihren Innovationen ein wichtiger Treiber für eine ökologische und soziale Transformation der Wirtschaft. Durch sie werden zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen, zum Beispiel im Cleantech-Bereich. Mit neuen Geschäftsmodellen bringen sie nicht nur grünen Schwung in konventionelle Branchen, sondern auch neue Impulse für etablierte grüne Unternehmen. Viele der Biopioniere im Lebensmittelmarkt arbeiten beispielsweise mit Startups zusammen, um neue Produkte zu entwickeln.

Als 1992 der ökologisch orientierte Wirtschaftsverband UnternehmensGrün gegründet wurde, kommentierte dies ein FDP-Abgeordneter mit den Worten: „Ein ökologischer Unternehmerverband – das gibts doch gar nicht!“ Aber der Gründungsimpuls der nachhaltig wirtschaftenden Unternehmerinnen und Unternehmer war eben gerade die Überzeugung, dass Ökologie und Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch sind. Heute tragen diese Ideen fast 400 Mitgliedsunternehmen.

Hebelwirkung der Politik

Pionierunternehmen wie die GLS Bank, memo AG, VAUDE, Naturstrom, Lebensbaum, BioCompany, Baufritz oder Voelkel zeigen: Nachhaltiges Wirtschaften rechnet sich. Auch größere Mittelständler setzen auf das Prinzip Nachhaltigkeit, unter anderen Elobau, Werner & Mertz oder Vaillant. Und dennoch: Die nachhaltigen Unternehmen müssen heute auf einem unfairen Markt agieren – das ist die größte Herausforderung. Die Marktwirtschaft agiert ohne wahre Preise, was dazu führt, dass ein Produkt, das Mensch und Umwelt eigentlich viel mehr kostet, wie zum Beispiel die Pestizid-Banane, im Laden billiger zu haben ist als das ökologisch und sozial vorteilhaftere Produkte wie die Bio-Banane. Das macht es für die nachhaltigen Unternehmen ungleich schwerer, im Markt zu bestehen.

Wenn wir die Transformation der gesamten Wirtschaft erreichen möchten, dann darf sich künftig nicht-nachhaltiges Wirtschaften nicht mehr rechnen. Dafür braucht es entsprechende politische Rahmenbedingungen. Denn als Unternehmen oder Einzelperson nachhaltig zu agieren, ist wichtig und großartig – aber nicht genug. Es braucht die Hebelwirkung der Politik wie zum Beispiel durch Regulierung, Ordnungsrecht und Steuerpolitik für den Erfolg der neuen Green Economy. UnternehmensGrün hat beispielhaft dazu beigetragen, ökologische und soziale Initiativen anzustoßen und aus unternehmerischer Sicht in die politische Debatte zu bringen, wie die Ökosteuer und das Erneuerbare-Energien-Gesetz zeigen.

Indem politische Positionen erarbeitet werden, findet auch der Diskurs darüber statt, was die grüne Wirtschaft fordert und welche Haltung und Werte sie trägt. Wie sollen Politikerinnen und Politiker gute Entscheidungen treffen, wenn sie keine Informationen direkt aus der nachhaltigen Wirtschaft haben? Angesichts mächtiger Lobbyinteressen der Wirtschaft der Vergangenheit bleibt für die zukunftsfähig wirtschaftenden Unternehmen oftmals wenig Raum. Das war auch ein Grund für die Gründung der Wirtschaftsinitiative „Entrepreneurs For Future“, die sich für eine radikale Klimaschutzpolitik einsetzt und die #FridaysForFuture unterstützt. Die „Entrepreneurs For Future“ fordern eine wirklich wirksame CO2-Bepreisung, einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle, mehr ökologische Landwirtschaft, mehr Kreislaufwirtschaft und eine neue Mobilität. Denn klimafreundliche Technologien und Geschäftsmodelle scheitern bisher oft an politischen Rahmenbedingungen, die die Wirtschaft der Vergangenheit schützen.

Nachhaltigkeit bedeutet, die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales gleichberechtigt zu betrachten. Viele der Pionierunternehmen vereinbaren diese drei Bereiche auch vorbildlich. Aber es gibt immer wieder wichtige soziale Fragen für die grüne Wirtschaft (zum Beispiel Betriebsräte, Gehaltsniveau) und auch insgesamt Fragen an die soziale Gerechtigkeit einer ökologischen Transformation (Stichwort höhere Preise). In internationalen Lieferketten bekommen endlich Fragen nach der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht die nötige Aufmerksamkeit und mehr Gewicht – hier muss ein ambitioniertes Lieferkettengesetz Maßstäbe für die Unternehmen setzen.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander, in Deutschland hat sich die Zahl der Millionäre in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt, auch die Superreichen legen zu, mehr als 2 400 Menschen haben hierzulande mehr als 100 Millionen US-Dollar (Global Wealth Reports 2019). Soziale Gerechtigkeit fängt bei der Bildung an: Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg ist hierzulande so eng wie in kaum einem anderen Industrieland (OECD Bildungsbericht 2019). Gut situierte Menschen kaufen zwar häufiger Biolebensmittel und zeigen oftmals ein ausgeprägteres Umweltbewusstsein, haben aber einen größeren ökologischen Fußabdruck (Größe des Wohnraums, Fernreisen).

Damit die Wirtschaftswende sozial gerecht ausgestaltet werden kann, ist kurzfristig mit Mitteln wie niedrigeren Strompreisen für sozial Schwächere oder Austauschprogrammen für Stromfresser wie alte Kühlschränke gegenzusteuern. Mittelfristig müssen aber endlich die externen Effekte eingepreist werden, damit wir die wahren Kosten von Lebensmitteln am Preisschild ablesen können. Wenn die Pestizid-Banane durch zum Beispiel eine Pestizid-Steuer und den Nachweis von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette teurer wird, können sich auch sozial Schwächere standardmäßig die – durch Förderung von einer zu bevorzugenden ökologischen und fairen Landwirtschaft – preiswertere Bio-Banane leisten. Soziale Nachhaltigkeit lässt sich auch am Zugang zu guter Bildung, Gesundheit und Pflege ablesen. An bezahlbaren Jahreskarten für leistungsfähige und auch in ländlichen Regionen verfügbare öffentliche Verkehrsmittel und an Anreizprogrammen für Energiespar- und Effizienzmaßnahmen im Haushalt. Die Corona-Krise hat auch gezeigt, dass die Beschäftigten im Gesundheitssystem weniger unseren Applaus brauchen als höhere Gehälter und gute Arbeitsbedingungen mit ausreichendem Personalstock. Private Profitinteressen sind auch im Bereich von Gesundheit und Pflege Gift für sozial gerechte Arbeitsbedingungen.

Keine „Bewahrungssubventionen“

Die beschlossenen Konjunkturmaßnahmen weisen – zumindest teilweise – in die richtige, nachhaltige Richtung. Richtig, da die Lehren aus der Finanzkrise zeigten, dass Konjunkturpakete, die Synergien zwischen Klima- und Wirtschaftszielen anstreben, bessere Aussichten haben, den nationalen Wohlstand langfristig zu steigern und mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Grüne Konjunkturprogramme bringen pro eingesetzten Mitteln höhere kurzfristige Renditen und führen langfristig zu höheren Kostenersparnissen als traditionelle Konjunkturpakete (Oxford Smith School of Enterprise and the Environment, 05/2020). Eigentlich sollte es auf der Hand liegen, dass Konjunkturhilfen keine neuen Umweltprobleme schaffen dürfen, sondern ökologische und soziale Verbesserungen bringen müssen. Eben eine Unterstützung der Wirtschaft der Zukunft, der grünen Wirtschaft – und keine „Bewahrungssubventionen“ für die Wirtschaft der Vergangenheit.

Die Corona-Krise zeigt nämlich auch: Nachhaltige Unternehmen und Investments sind resilienter gegenüber Krisen. Einerseits, weil sie ihre Risiken langfristiger und entsprechend einer ganzheitlichen Betrachtung von Auswirkungen auf Mensch und Umwelt managen. Andererseits, weil auch der Finanzmarkt entsprechend reagiert: In der Krise erzielen nachhaltig ausgerichtete Portfolios bessere Ergebnisse als traditionelle. Aktienfonds mit ESG-Kriterien verloren im ersten Quartal 2020 weniger an Wert als ihre konventionellen Konkurrenten (Scope-Studie, Börse ARD 05/2020). So sind auch die Mitgliedsunternehmen von UnternehmensGrün der Meinung, dass sich ihre nachhaltig ausgerichteten Geschäftsmodelle auch in der Krise von Vorteil erweisen. Gleichzeitig herrscht eine große Zuversicht, die Ausnahmesituation erfolgreich zu bewältigen – mehr als 84 Prozent sind zuversichtlich, die Herausforderungen der Krise zu meistern.

Nicht nur kleine und mittlere Unternehmen setzen darauf – Nachhaltigkeit hat auch bei Großunternehmen Konjunktur. Die Corona-Krise ändert nichts an den bereits implementierten Nachhaltigkeitsstrategien oder den Prozessen, die angestoßen wurden, um das eigene Unternehmen klimaneutral zu machen. Flankiert vom Europäischen Green Deal kann die Wirtschaft so Antworten auf soziale und ökologische Herausforderungen finden – und Lösungen umsetzen.

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