Gottes Macht und der Menschen Beitrag

Der Klimawandel ist vorherbestimmt. Der Mensch muss dennoch dagegen kämpfen.
Die ökumenische Kirche Halden in St. Gallen
Foto: dpa/Gaetan Bally
Die ökumenische Kirche Halden in St. Gallen war das erste Schweizer Gotteshaus mit einer voll integrierten Photovoltaikanlage. Sie produziert maximal 44 200 kWh Strom pro Jahr, was dem Verbrauch von etwa zwölf Haushalten entspricht.

Wie wir die Allmacht Gottes und  seine Schöpfung verstehen, prägt unser Handeln und dessen Bewertung.  Das gilt auch und insbesondere für die Frage, inwieweit der Einsatz für den Klimaschutz eine zentrale Aufgabe für Christen und Christinnen ist. Anne Käfer, Professorin für Systematische Theologie in Münster, beleuchtet den Hintergrund der Diskussion und positioniert sich.

"Ein Bauer fährt die Ernte ein, Gott aber hat sie gegeben.“ Das bedeutet, „unterschiedliche Werke werden Gott und dem Menschen zugebilligt, es sei denn, man machte den Bauern zugleich zum Schöpfer, der die Ernte gegeben hat.“ Dies Beispiel führt Martin Luther in seiner Schrift Vom unfreien Willen an, um darzulegen, dass es letztlich und grundsätzlich nie der Mensch, sondern stets der Schöpfer ist, der in seiner Allmacht über das Leben der Geschöpfe verfügt.

So wie der Bauer die Ernte einfährt, so ist es auch der Mensch, der Glyphosat ausfährt oder mit großen Autos die Welt durchquert. Es ist der Mensch, der CO2 produziert, Wälder abholzt und in Massen Tiere hält, um das zu stillen, was er seine Bedürfnisse nennt. Es ist der Mensch, der den Planeten Erde zu seinen Zwecken verwertet und dadurch auch den Klimawandel bewirkt. Die mit dem Klimawandel einhergehenden Hitzewellen, Stürme und Überflutungen bedrohen nicht nur das Leben gegenwärtig existierender Menschen. Vor allem für Menschen zukünftiger Generationen sowie für Tiere, Pflanzen und den Planeten insgesamt hat die Wissenschaft erhebliche Herausforderungen und Lebensbedrohungen prognostiziert.

In vielen Ausgaben der zeitzeichen und zusätzlich auf seiner Website wurde bereits ausgiebig über Fragen des Klimawandels und des Klimaschutzes diskutiert. Wenn ein Diskussionsbeitrag zu diesen Themen aus christlicher Sicht erfolgt, sind ein jeweils bestimmtes Bild des in Christus geoffenbarten Schöpfers und ein bestimmtes Verständnis der „Wirkmächtigkeit Gottes“ (Andreas Mertin: „Ein Bekenntnis zur Umwelt-Häresie“, https://zeitzeichen.net/node/7784) leitend.

So wird von manchen christlichen Gruppen wie der Cornwall Alliance ausdrücklich die Ansicht vertreten, Gott der Allmächtige habe den Planeten unverwüstlich geschaffen, so dass die Kinder Gottes sich auf dem Spielplatz Erde gehörig austoben dürften (https://cornwallalliance.org/2009/05/a-renewed-call-to-truth-prudence-and-protection-of-the-poor/). Es wird von wieder anderen angenommen, dass der Schöpfer stets noch eingreifen könne, um in letzter Minute den durch Menschen demolierten Planeten zu retten, Gletscher abzukühlen und steigende Ozeane abzupumpen. Es gibt aber auch diejenigen, die davon ausgehen, dass im Rahmen des geschaffenen Naturzusammenhanges menschliches Handeln die entsprechenden naturgemäßen Folgen zeitigt.

Spielplatz Erde

Wird den ersten beiden Annahmen zugestimmt, wird die Verantwortung des Menschen für den Klimaschutz letztlich ausgeschlossen. Wird die dritte Alternative befürwortet, müsste dann nicht befürchtet werden, dass der Mensch die Schöpfung des Allmächtigen zugrunde richten könnte?

Das Verständnis der Allmacht Gottes und das seiner Schöpfung sind ausschlaggebend für das Handeln des Menschen und die Bewertung seiner Taten. Denn die Überzeugungen von Macht, Wille und Wirksamkeit Gottes leiten das menschliche Handeln und an ihnen misst er die Qualität seines Tuns. Weil es bestimmte Gewissheiten und Vorstellungen sind, auf denen das Handeln von Christinnen und Christen basiert, sollten gerade auch die institutionell verfassten Kirchen diesen Überzeugungen besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Indem sie den Umgang des Menschen mit seiner Mitwelt vor dem Hintergrund des Evangeliums von Jesus Christus reflektieren, vermeiden sie es, als „politische Trittbrettfahrer[innen]“ zu erscheinen, wovor schon Ulrich Körtner in seinem Text „Fünf nach drei“ in der Januarausgabe von zeitzeichen warnt.

Schon vor Jahrzehnten wurde im Blick auf das Handeln von Christinnen und Christen ein außerordentlich selbstbezogener Umgang mit der Mitwelt festgestellt. Der Historiker Lynn White hielt 1967 in seinem viel beachteten Essay „The Historical Roots of Our Ecologic Crisis“ fest: „Vor allem in seiner westlichen Gestalt ist das Christentum die anthropozentrischste Religion, die die Welt je gesehen hat.“ Lynn geht davon aus, „wir werden weiterhin in einer sich verschlimmernden ökologischen Krise leben, bis wir den christlichen Grundsatz verwerfen, dass die Natur keine andere Existenzberechtigung hat, als dem Menschen zu dienen.“

Dass die christliche Verhältnisbestimmung zwischen Natur und Mensch heutzutage tatsächlich oftmals eine solche ist, die zugunsten des Menschen ausfällt, wird gerne mit einer besonderen Hochschätzung des Menschen durch Gott den Schöpfer und mit Gottes Mensch-Werdung in Christus begründet. In seiner Ethik der Hoffnung von 2010 streicht Jürgen Moltmann heraus: „Die neuzeitliche Theologie hat die Relevanz Christi auf das Heil der Menschen und auf das Heil der menschlichen Seelen reduziert und damit alles andere der Heillosigkeit ausgeliefert.“

Indem der Christenmensch sich selbst für den Nabel der Welt hält, gibt er allerdings ein folgenschweres Missverständnis der Christusoffenbarung zu erkennen. Denn die Schöpferliebe, die Gott in Christus manifestiert, erfüllt den Christgläubigen mit Liebe nicht nur gegenüber seinem Schöpfer, sondern auch gegenüber dessen Werk. Eine selbstbezogene Ausbeutung des Planeten kann demnach nicht im Sinne der lebengebenden Liebe des Allmächtigen sein.

Wie Luther in seiner Schrift über den menschlichen Willen ausführt, ist Gottes Allmacht die Macht des Schöpfers, der in seiner Ewigkeit vorhersieht und vorherbestimmt, was sich in Zeit und Raum seinem ewigen Willen gemäß entwickeln wird. Luther hält fest, „dass Gott allmächtig ist, nicht nur dem Vermögen, sondern auch dem Wirken nach [...], sonst würde er ein lächerlicher Gott sein. Dann, dass er alles weiß und vorherweiß und nicht irren noch sich täuschen kann.“ Es wäre unangemessen klein von Gott gedacht, würde vermutet, er wüsste nicht voraus, wie seine menschlichen Geschöpfe handeln. Und der Schöpfer würde mit seinen Geschöpfen verwechselt, würde angenommen, er müsste auf ihre Handlungen reagieren. Gott wirkt nicht derart, dass er auf das Handeln des Menschen Antwort gibt, sondern indem er seinen Willen wirklich werden lässt, und das von Ewigkeit her. So ist dem Menschen Gottes Handeln nie verfügbar. Und eben deshalb kann gerade auch Gottes Rechtfertigung von keinem Menschen verdient und erworben werden.

Es ist dies die großartige und unfassbar befreiende Einsicht, die den Protestantismus prägt, dass Gottes rechtfertigende Zuwendung einem Menschen unabhängig von dessen Taten und Werken widerfährt. Gottes Zuwendung verdankt sich der allmächtigen und also unverfügbaren und unbedingten Liebe des Schöpfers. Im Vertrauen auf diese Liebe weiß der Glaubende sein Heil und sein Leben allein in Gott gegründet. Gott ist es, der das Leben gibt und die Ernte, die der Mensch einfährt.

Indem Gott und Mensch auf völlig unterschiedliche Weise handeln, weil eben der eine die Ernte gibt, die der andere einfährt, wirken sie doch miteinander in der Welt. Sollen bei der Beschreibung dieser Kooperation weder Gottes Allmacht geschmälert noch die Verantwortlichkeit und Freiheit des Menschen verneint werden, sind im Blick auf Klimawandel und Klimaschutz zwei Fragen von Belang: Zum einen interessiert nun nämlich, ob Gott also auch den menschengemachten Klimawandel nicht nur vorhergewusst, sondern gemäß seiner Allmacht sogar vorherbestimmt hat. Zum anderen ist die Frage aufgeworfen, ob durch den Menschen die Schöpfung des Allmächtigen tatsächlich zerstört oder etwa auch bewahrt werden kann.

Allmächtiges Wollen

Im Blick auf die zweite Frage ist entscheidend, dass Gottes Schöpfung nicht mit dem Planeten Erde gleichgesetzt wird. „Schöpfung“ bezeichnet vielmehr umfassend das Sein, das im ewigen und allmächtigen Wollen und Wirken des Schöpfers gründet. Dass überhaupt etwas ist und nicht nichts, das ist nach christlicher Überzeugung Gottes allmächtigem Schöpferhandeln verdankt. Wird unter „Schöpfung“ das von Gott gewirkte Sein verstanden, das allem Handeln des Menschen immer schon unverfügbar vorausgeht, kann die Schöpfung des Allmächtigen durch sein Geschöpf nicht beeinträchtigt werden. Jedoch vermag das menschliche Handeln in Übereinstimmung mit dem geschaffenen Naturzusammenhang als dem Zusammenhang, in dem alles Wirken unter naturgesetzlichen Bedingungen steht, Schaden an der Natur anzurichten. Hierbei missbraucht der Mensch seine Fähigkeiten und leugnet gar noch in feiger Blindheit die messbaren Effekte, die sein Handeln auf das Klima hat.

Was die erste Frage anbelangt, ergibt sich aus dem dargelegten Allmachtsverständnis, dass Gott den durch menschliches Handeln verursachten Klimawandel vorherbestimmt haben muss. Gleichwohl ist dies kein Entschuldigungsgrund dafür, dass der Mensch das Leben des Planeten zerstört, und keineswegs entbindet ihn dies seiner Verantwortung für den Klimaschutz. Vielmehr scheint es doch so zu sein, dass der Christenmensch durch die allmächtige Liebe zu einem fürsorglichen Umgang mit der Mitwelt motiviert wird. Verantwortungsbewusst und in „Ehrfurcht vor dem Leben“ (Albert Schweitzer) setzt er sich für den Erhalt des Planeten ein. Die Rede von einem asketisch-genussarmen Lebensvollzug zugunsten zukünftiger Generationen ist in diesem Kontext allerdings unangebracht. Vielmehr sollte der Verzicht auf die Zufügung von Leid und Gewalt gegenüber der Mitwelt als christlich bezeichnet werden.

Die Frage danach, was Gott handelt und was die Menschen tun, ist eines der Themen, die der Theologie schlaflose Nächte bereiten. Nicht nur, weil mit ihm immer auch die Frage nach der Ursache des Bösen und des Übels in der Welt verbunden ist, fordert es heraus.

Angesichts des rasanten Klimawandels ist es nun außerordentlich drängend, Antwort darauf zu finden, ob und wie der Mensch das mit dem Klimawandel einhergehende Leiden wird minimieren oder abwenden können. Nötig hierzu ist, dass Menschen erkennen, wie sie, indem sie den Planeten zerstören, nicht nur das Leben von Menschen in anderen Erdteilen, sondern selbst das ihrer eigenen Kinder und Enkelkinder gefährden. Und sie müssten dann zu der Einsicht gelangen, dass das Leben gegenwärtig und zukünftig existierender Menschen und auch Tiere grundsätzlich nicht geringer zu achten ist als ihr eigenes.

Eigenes Wohlergehen

Doch stärker als die Achtung der Mitgeschöpfe und das Mitleid mit ihnen scheinen viel zu oft die Sorge um das je eigene Leben und das Bedürfnis nach Annehmlichkeiten zu sein. Es war wohl auch eben das Interesse am eigenen Wohlergehen, das die entschiedenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nachvollziehbar und möglich machte. Dabei wurden die staatlichen Vorgaben vor allem auf naturwissenschaftliche Expertisen gestützt. Um den Klimawandel noch abbremsen zu können, ist es nötig, die diesbezüglichen naturwissenschaftlichen Diagnosen ebenfalls in entschlossener Weise ernst zu nehmen.

Damit sich Christinnen und Christen zum Eintreten für den Schutz des Klimas ermutigt finden, ist es Aufgabe der Kirche, nicht nur das Leiden der Kreaturen unverhohlen aufzuzeigen, sondern auch die allmächtige Liebe Gottes zu verkündigen. In Kooperation mit dem Schöpfer kann auf diese Weise das Vertrauen in seine ewige Liebe zunächst gestärkt und dann auch wirksam werden. Denn dieses Vertrauen befähigt dazu, sich für das Wohlergehen der Mitgeschöpfe einzusetzen. Ob es von Erfolg gekrönt sein wird, wenn Christinnen und Christen gemeinsam mit anderen, die sich für den Klimaschutz engagieren, eine nachhaltige Klimapolitik betreiben, das weiß Gott allein. Doch dass sie handeln, wird ihnen zugerechnet wie dem Bauern, dass er die Ernte einfährt. Und indem sie ihre Verantwortung für das Leben auf dem Planeten wahrnehmen, werden sie den besonderen Gaben gerecht, die den Menschen auszeichnen. So wie dieser zu unfassbarer Zerstörung fähig ist, so ist es ihm auch möglich, Leben zu schützen und zu bewahren.

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Foto: Bruno Biermann

Anne Käfer

Anne Käfer ist Professorin für Systematische Theologie und Direktorin des Seminars für Reformierte Theologie an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster.


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