Im Windschatten der Corona-Krise?

Schließt der Rat der EKD jetzt die Evangelische Journalistenschule?
Protest gegen geplante EJS-Schließung in Hannover
Foto:epd
Volontäre und Absolventen der Evangelischen Journalistenschule (EJS) demonstrierten bei der letzten Ratssitzung im Februar gegen die drohende Schließung der Ausbildungsstätte. Am Hauptsitz der EKD in Hannover und am Berliner Dienstsitz am Gendarmenmarkt schlugen sie 9,5 Thesen für die Notwendigkeit von Qualitätsjournalismus an.

Noch immer hängt die Zukunft der Evangelischen Journalistenschule (EJS) am seidenen Faden. Der Rat der EKD hat sie nun – ausgerechnet in der Corona-Krise – auf ihre Tagesordnung gesetzt. Die Journalistin und Theologin Natascha Gillenberg, selber Absolventin der EJS, appelliert an die Verantwortlichen: Macht bitte keinen Fehler!

Wohl selten hat die evangelische Kirche so viel positive Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren wie durch die Initiative „ejs_retten“. In nur wenigen Tagen hatten über 1.500 Menschen den Offenen Brief unterzeichnet, den Schülerinnen und Schüler, Absolventinnen und Absolventen und der Förder- und Freundeskreis der Evangelischen Journalistenschule (EJS) Mitte Februar an den Rat der EKD geschrieben hatten – darunter Anne Will, Caren Miosga, Heribert Prantl, Carolin Emcke und Ellen Ueberschär. Eindringlich plädieren sie alle für den Erhalt der kleinen, aber renommierten Institution, in der die evangelische Kirche seit 25 Jahren junge Menschen zu Journalisten ausbildet.

„Der Auftrag der evangelischen Kirche an unsere Journalistenschule erscheint uns dabei nie notwendiger, nie aktueller gewesen zu sein als heute“, schrieben die Verfasser des Briefs an die Ratsmitglieder. Und weiter: „Das finanzielle Engagement der evangelischen Kirche für die EJS (...) ist Ausdruck ihrer zivilgesellschaftlichen Verantwortung. Solche Brückenschläge sind in einer pluralen und zunehmend kirchenfernen Gesellschaft ein wichtiges Signal.“

Das traf offensichtlich einen Nerv. Zahlreiche Redaktionen berichteten über die drohende Schulschließung. Vom „Manifest einer Journalistenschule“ schrieb eine große Tageszeitung, und selbst das Schweizer Radio interessierte sich für die Geschichte. Es gab außergewöhnliche Solidaritätsbekundungen anderer Journalistenschulen und Akademien, Statements und Videos von Kirchenvertreterinnen und -vertretern genauso wie von Medienschaffenden; der aktuelle Ausbildungsjahrgang schlug an den EKD-Niederlassungen in Berlin und Hannover „9,5 Thesen für den Erhalt der Evangelischen Journalistenschule“ an.

Relevanz bis weit in kirchenferne Milieus hinein

Deutlich wurde jedenfalls: Die EKD verfügt mit der EJS über ein unschätzbares Kleinod, mit dem sie in weit größerem Umgang, als ihr das bislang selbst bewusst zu sein schien, als gesellschaftlich relevant wahrgenommen wird. Und zwar deutlich über den üblichen „kirchlichen Tellerrand“ hinaus. Kirchennahe und kirchenferne Kenner*innen der EJS haben deutlich gemacht, dass sie dieses Engagement der Kirche für unverzichtbar halten.

Mehr als 200 Alumni der fast zweijährigen Ausbildung arbeiten heute bei angesehenen Zeitungen, Zeitschriften, Online-Redaktionen, Rundfunkanstalten und TV-Sendern. Viele von ihnen sind mit Journalistenpreisen ausgezeichnet worden. Rund 30 Alumni sind als Pressesprecher oder Referenten in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen tätig sowie in Stiftungen und NGOs. Darüber hinaus hat die EJS mehr als 1.300 externe Journalist*innen in mehrwöchigen Seminaren fortgebildet.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr ist die EJS in ihrer Existenz bedroht. Ihr Träger, das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), will von seinen Gesamtkosten von 22,5 Millionen Euro von denen immerhin 12 Millionen Euro als Zuwendungen von der EKD kommen zukünftig 1,9 Millionen Euro einsparen. Der Umsatz der Schule im Jahr: Keine 500.000 Euro; der unmittelbare Ausbildungsbetrieb für die Journalistenschüler*innen schlägt mit weniger als 400.000 Euro zu Buche. Und von diesen Geldern gehen übrigens, das darf hier auch erwähnt werden, rund 145.000 Euro wieder zurück an die EKD: durch Mietzahlungen und für die IT-Unterstützung.

Der Plan des GEP bislang: Nach bald anstehenden Verrentungen zwei Stellen von dreien einsparen - darunter die des Schulleiters. Die Ausschreibung des neuen Jahrgangs, der im Februar 2021 starten sollte, sollte ausgesetzt werden.

Sicher: Die Einsparungen des GEP treffen auch andere. Nur mit einem Unterschied: Während woanders lediglich Personaldecken ausgedünnt werden, steht die EJS damit vor dem Aus. Man darf sich fragen, ob die Zukunft der EJS genauso gefährdet wäre, wenn die Mitarbeitenden dort zwanzig Jahre jünger wären – momentan wird scheinbar eher mit dem Zufallsprinzip argumentiert. Dabei droht die Schließung der EJS übrigens nicht zum ersten Mal: Es ist bereits die dritte Existenzkrise, die die Schule erlebt, weil das GEP sie überwiegend als Kostenfaktor zu begreifen scheint.

Der ungewöhnlich große und einhellige Protest aus Medien und Kirche gegen die Schließung der Schule führte zu internen Diskussionen – und immerhin erst einmal zu einer Vertagung der Entscheidung. Der EKD-Ratsvorsitzende reagierte per Email und über soziale Medien auf die Initiative: Man sei beeindruckt und freue sich über die Wertschätzung für die Evangelische Journalistenschule. Aber: „Qualitätsjournalismus“ sei „nie untrennbar an eine bestimmte Institution in einer bestimmten Form geknüpft.“ Kurz: Die Kirche müsse sparen.

Journalistenausbildung „light“?

Das irritiert. Denn der Qualitätsjournalismus, den diese Schule seit 25 Jahren hervorbringt, basiert auf professioneller Erfahrung und Wissen – und der damit verbundenen bewussten Entscheidung für bestimmte Formen des Unterrichtens und Lernens. Es gibt schlicht bewährte Berufsstandards wie anderswo auch. Dass die Ausbildungsinhalte dabei auch immer wieder neu angepasst und weiterentwickelt werden, gehört dazu – denn die Medienlandschaft ist einem dynamischen Wandel unterworfen. Niemand weiß das besser als Journalisten selbst. Der Evangelischen Journalistenschule ist es jedenfalls in all den Jahren auf beeindruckende Weise gelungen, eine ungewöhnlich breite, in Redaktionen respektierte und geschätzte Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten zu gewährleisten, die immer am Puls der Zeit ist. Wer meint, dieses verantwortungsvolle Handwerk könne statt in einer umfassenden zweijährigen Ausbildung in ein paar kurzen Seminaren weitergegeben werden, unterschätzt die Anforderungen dieses Berufs.

Hinzu kommt: In einer Zeit, in der Journalisten immer schlechter bezahlt werden und ihr Beruf an Ansehen verliert – ein Grund, warum die Bewerbungszahlen an allen Journalistenschulen zurückgehen –, würde eine Schmalspurausbildung junge Menschen der Möglichkeit berauben, einen Berufseinstieg zu finden, der anerkannt ist und für ihre wirtschaftliche Sicherheit sorgt.

Eine Schließung würde zudem ein völlig falsches Signal in die Gesellschaft senden: Denn gerade jetzt muss die Bedeutung von wertorientiertem Qualitätsjournalismus gestärkt und eben nicht geschwächt werden. Alles andere wäre opportunistisch. Die Journalistin Elisabeth Niejahr twitterte entsprechend: „Gerade jetzt sollten Journalistenschulen gegründet, nicht geschlossen werden.“

Keine Ökumene auf Augenhöhe

Rettung bringen, so hieß es schließlich hoffnungsvoll, aber etwas vage, könne eine „ökumenische Kooperation“ mit der Katholischen Journalistenschule IfP in München– eine Ausbildungsstätte für Journalistinnen und Journalisten der römisch-katholischen Kirche mit ebenfalls sehr gutem Ruf. Das IfP hatte sich im Übrigen von Anfang an vehement und öffentlich mit der Initiative „ejs_retten“ solidarisch erklärt und für den Erhalt der Schule eingesetzt.

Die ökumenische Kooperation: Eine Idee, die man auf den ersten Blick tatsächlich für erfrischend vorwärtsgewandt halten kann, gerade, wenn man sieht, wie schwer sich die beiden Kirchen damit in anderen Bereichen noch immer tun. Und ganz so neu ist sie auch nicht; die Kontakte zwischen beiden Institutionen und das Nachdenken über gemeinsame Formate gibt es schon länger. Nur: Ein Zusammengehen über einzelne Module hinaus, gar eine Zusammenlegung beider Schulen ist in absehbarer Zeit gar nicht denkbar. Zu unterschiedlich sind die Ausbildungen in beiden Institutionen organisiert, zu verschieden ist auch die jeweilige Ausrichtung.

So konzentriert sich das IfP überwiegend auf katholische beziehungsweise kirchliche Medien, während die EJS überwiegend (nicht ausschließlich) in unabhängigen Medien ausbildet. Das mögen diejenigen bedauern, die sich von einer evangelischen Journalistenausbildung eher die Stärkung eigener Verkündigungs- und Lobbyarbeit versprechen und die ihre Zukunftshoffnung in die kirchlich Hochgebundenen setzen. Es stellt aber eine besondere Stärke der EJS dar, diese Brücke in die säkulare Welt zu schlagen – und die überwältigende Resonanz auf „ejs_retten“ zeigt, wie sehr dies als unverzichtbarer Dienst der Kirche an der Gesellschaft geschätzt und auch erwartet wird.

Diversität und evangelisches Profil

Auch in der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber gibt es fundamentale Unterschiede: Während beim IfP nichtkatholische und konfessionslose Bewerber die Ausnahme bilden (und anderes möglicherweise gegenüber der eigenen Kirche gar nicht durchzusetzen wäre), setzt die EJS – übrigens schon vor den Diskussionen über das „evangelische Profil“, die mittlerweile in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen geführt werden – darauf, religiöse und gesellschaftliche Diversität unter ihren Schülerinnen und Schülern abzubilden. Eine Diversität, die in vielen Medienhäusern übrigens schmerzlich vermisst wird. Dazu gehört auch, dass hier (post)migrantische Bewerberinnen und Bewerber vertreten sind, auch Schülerinnen und Schüler aus nichtakademischen Elternhäusern. Eine stärkere konfessionelle Bindung als Voraussetzung würde, so eine der oft geäußerten Sorgen, gerade Bewerbungen von Ostdeutschen erschweren.

Vor allem aber: Was ist von der Rede einer ökumenischen Kooperation zu halten, wenn sie den katholischen Partnern aus Spargründen angetragen wird? Noch dazu, wenn der katholische Partner sich sehr bewusst seit einigen Jahren finanziell stärker in der eigenen Journalistenausbildung engagiert? Das IfP verfügt immerhin über einen Etat von 1,9 Millionen Euro und knapp 14 Mitarbeitende - eine völlig andere Aufstellung als bei der EJS. Ökumene kann aber nur auf Augenhöhe funktionieren – das sollten wir eigentlich aus anderen Zusammenhängen wissen.

Entscheidungen in Zeiten von Corona

Nun also will der Rat der EKD noch einmal beraten. Welche Vorschläge das GEP dazu einbringen wird, ist in der EJS nicht bekannt. Dabei gibt es hier durchaus Ideen für die Weiterentwicklung eines tragfähigen Zukunftskonzepts der Erhaltung der Schule, die eben nicht nur auf Kürzungen und dem Abbau der Ausbildung basieren. Dazu gehört unter anderem auch die Einrichtung von Fundraising zum Einwerben von Drittmitteln – so, wie das übrigens auch in manchen kirchlichen und diakonischen Arbeitsfeldern üblich ist. Die Kirche müsste sicher zukünftig nicht alles finanzieren – aber sie müsste durch weiterhin angemessene Zuwendungen der EJS den nötigen Rückenwind und Spielraum geben, zusätzliche Mittel dauerhaft überhaupt erst einwerben zu können. Sicherlich würde sich aus dem großen Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützer auch ein solides Fundraising organisieren lassen in Form eines institutionalisierten Trägerkreises oder gar einer Genossenschaft. Um solche Lösungen aber in Ruhe entwerfen zu können, braucht es jetzt Zeit.

Tatsächlich scheint – so paradox es klingen mag – dieser Zeitpunkt dafür besser als je zuvor. Die deutliche und so große Welle der Unterstützung der Initiative „ejs_retten“ sendet auch dem Freundes- und Förderkreis der EJS ganz neue Signale, was den Umfang und Ausbau der finanzielle Förderung dieser Schulausbildung durch Spenden angeht. Es könnte auch bedeuten, diese Institution fester als Lern- und Begegnungsort mit Medien für kirchliche Medienschaffende und Kirchenleitende zu stärken.

Dies alles weiterzuentwickeln, mit Ideen und Weitsicht, braucht Zeit. Und eigentlich haben wir die – wenn denn der Rat bereit ist, dies zu erkennen, und nicht darauf setzt, die Gelegenheit zu nutzen, um ein leidiges Thema nun schnell vom Tisch zu bekommen.

Die Corona-Krise schafft neue Realitäten: Unter den gegebenen Umständen ist die Durchführung der Ausschreibung für den neuen Jahrgang tatsächlich gar nicht denkbar, sondern muss verschoben werden. Der Rat aber könnte – darin liegt die Gefahr – abseits medialer Aufmerksamkeit genau das zum Nachteil der EJS nutzen und kurzerhand die Einstellung des Betriebs beschließen.

Der Rat der EKD kann darin aber auch die große Chance sehen: Nämlich dieses nun unerwartet entstandene Zeitfenster zu nutzen, um mit Mut und Besonnenheit gemeinsam über zukunftsfähige Konzepte mit der EJS nachzudenken. Denn noch einmal: Würde der nächste Jahrgang zum Beispiel erst 2021 für 2022 ausgeschrieben statt in diesem Jahr, dann wäre dies ein Zeitgewinn, der definitiv kein Geld kostet. Denn der aktuelle Jahrgang schließt seine Ausbildung im Dezember dieses Jahres ab; das Personal der EJS ist sowieso bis 2022 hinein unter Vertrag. Die anschließende „Leerstelle“ könnte mit ganzer Kraft für einen Formatwechsel genutzt werden, der die EJS neben und mit der EKD auf breitere Schultern stellt.

Es wäre fahrlässig, eine Schule, die überall große Wertschätzung erfährt und die der evangelischen Kirche große Sympathien auch in kirchenferneren Kreisen und Milieus einbringt, einfach zu schließen oder auf Unkenntlichkeit herunter zu sparen. Die EKD würde damit ein einzigartiges Scharnier in die säkulare Öffentlichkeit und einen besonderen und einflussreichen Unterstützerkreis verlieren. Unwiederbringlich.

Weitere Infos:

http://evangelische-journalistenschule-retten.de/offener-brief/#brief

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Foto: privat

Natascha Gillenberg

Natascha Gillenberg ist Theologin und Journalistin. Sie ist Alumna und Vorstand des Freundes- und Förderkreises der EJS.


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