Ein Familiending

Jeff Parkers Suite for Max Brown

Diese Mama wird um ihren Jungen nicht weinen, und wenn, Tränen der Freude. Denn Gitarrist und Komponist Jeff Parker hat das wunderbare Album „Suite for Max Brown“ ihr gewidmet. Maxine Brown ist ihr Mädchenname: „Ich fand es schön, meiner Mutter etwas zu widmen, solang ich sie noch habe.“ Der gefeierte Vorgänger „The New Breed“ war eine Hommage an seinen Vater, der während der Aufnahmen dazu starb. Nun war er schneller. Und auch Enkelin Ruby, seine Tochter, ist dabei. Sie singt in „Build A Nest“, dem Eröffnungstrack, unter dem ein schleppender Hip-Hop-Beat liegt, zu dem er Gitarre, Keyboard, Drums und Piano spielt. So arbeitet Parker in allen Tracks – neun Eigenkompositionen, John Coltranes „After The Rain“ sowie einer Bearbeitung von Joe Hendersons „Black Narcissus“: Es gibt oft einen sequenzierten Drumbeat, zu dem er und seine Band „The New Breed“ improvisieren, unter anderem mit Makaya McCraven an den Drums (siehe zz 1/2019), Josh Johnson am Altsaxophon und Rob Mazurek (Piccolotrompete).

Parker reizt der Augenblick, weshalb Jazz ein natürliches Zuhause ist. Inspiriert haben ihn auch seine Erfahrungen als DJ, ganz klassisch mit zwei Platten auf zwei Turntables und ein Mixer: „Eines Abends konnte ich eine Platte von Nobukazu Takemura perfekt auf den ersten Satz von ‚A Love Supreme‘ abstimmen, dabei entstand dieses abstrakte Free-Jazz-Ding, unter dem ein Beat lief. Es klang so toll.“ Das wollte er mit der Suite auch erreichen. Es ist gelungen. Sie hat einen durchweg fesselnden Flow, wobei der Mix zwischen Souljazz-Motiven, Dance-Tracks, polyrhythmischen Kinshasa-Beats und warmer bluesiger Gitarrenballade, freier Improvisation und meditativer Erkundung changiert. Und in Quintett-Besetzung eingespielt macht „Max Brown“ am Ende dann den Sack zu und mit mehr als zehn Minuten ein gutes Viertel der Platte aus. Sehr entspannt, sehr groovy. So wie Jazz sein kann und soll: Offen zu den Rändern, begierig neu zu erfinden, frei vom Kategorisieren. Es zählt die Begegnung, das einander Suchen, Spaß am Augenblick.

Parker, eine feste Größe in Chicagos Experimentalszene, vertraut mit Hard Core, House und ProgRock, bringt dazu alles Nötige mit: Free Jazz, Hip-Hop, Neugier, Offenheit und Ethos, das er mit „Seele und Integrität“ umreißt. So verwirbeln die Stile, entsteht Neues und hat doch markantes Profil. „Suite for Max Brown“ ist ein Album, das jenen die Ängste nimmt, die bislang dicht machten, sobald das Wort „Free Jazz“ fiel. Jetzt purzeln Vorurteile, gehen Türen auf. Hereinspaziert! Ihr mögt den Raum dann nicht mehr missen und stellt vielleicht fest, dass Ihr den faszinierenden Musiker schon kanntet. Neben vielen Albumbeteiligungen als Sideman ist Jeff Parker nämlich auch seit Ende der 1990er-Jahre Mitglied bei den Postrock-Giganten Tortoise. Es ist ein Familiending. Verlorene Töchter und Söhne, hier geht’s nach Haus’!

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Rezensionen