Der letzte Rabbiner

Ausführlicher Nachruf

Leo Trepp (1913–2010) war im zwanzigsten Jahrhundert einer der wichtigen Vermittler des Judentums in deutscher Sprache. Seine fundierte Einführung ins Judentum war weitverbreitet. Sie ist in zwölf Auflagen erschienen und heute noch lesenswert. Trepp hat nicht nur den Untergang des deutschsprachigen Judentums miterlebt. Er hat ihn überlebt und wurde ein unermüdlicher Brückenbauer im Nachkriegsdeutschland, bestrebt mit seiner Person für das deutschsprachige Judentum und den Dialog mit Christen und mit einer immer stärker säkularen Gesellschaft einzustehen. Leo Trepp hätte sich gewiss gefreut, zu erleben, wie in Deutschland wieder eine neue Ausbildungsstätte für Rabbiner möglich wurde und inzwischen mit „Basiswissen Judentum“ ein repräsentatives deutschsprachiges Handbuch zu den Grundlagen des zeitgenössischen Judentums erschienen ist.

Unter dem vielsagenden Titel Der letzte Rabbiner sind nun autobiographische Aufzeichnungen greifbar, ergänzt und eingebettet durch Erinnerungen seiner zweiten Frau, einer deutschen Journalistin. Auch wenn es sich weder um eine autorisierte Autobiographie noch um eine umfassende Biographie aus sicherer Distanz handelt, lohnt sich die Lektüre.

Leo Trepp übernahm als junger Rabbiner ausgerechnet eine Gemeinde im Freistaat Oldenburg, der als erstes Land im Deutschen Reich eine nationalsozialistische Regierung mit absoluter Mehrheit hatte. Selbst in diesem ihnen feindlichen Oldenburg zögerten Juden auszuwandern. Trepp selber wurde zum religiösen Zionisten, harrte jedoch bei seiner Gemeinde aus. „Diese Juden hielten in zäher Hoffnung an dem Glauben fest, dass die Zeiten sich ändern würden und die Heimat ihnen gewährt würde.“ Er ging mit seiner Gemeinde den unvorstellbaren Weg, als man „den Juden ihr Menschsein nehmen“ wollte. Gegen den Willen der Eltern, die ihre Kinder nicht von ihrer Umgebung isolieren wollten, richtete er eine jüdische Konfessionsschule ein, bevor die jüdischen Kinder aus den öffentlichen Schulen ausgeschlossen wurden. Die stetige Ungewissheit und Abhängigkeit von persönlichem Wohlwollen war zermürbend. Besonders tragisch berührte ihn das Schicksal der vielen aus der Synagogen-Gemeinschaft Ausgetretenen, die sich vorrangig als Deutsche sahen. Nach den Pogromen mit der Zerstörung der Synagogen am 9. November 1938 kam Trepp ins KZ Sachsenhausen und konnte schliesslich nur dank britischer Unterstützung nach England und dann in die USA ausreisen. Seine erste Frau sagte von ihm: „Sie können zwar den Juden aus Deutschland vertreiben, aber nicht den Deutschen aus dem Juden.“ Dabei war sich Leo Trepp erschreckend klar über das „vollkommene Unberührtsein der Menschen am Leiden der Juden“. Dennoch ist er später aus den USA immer wieder nach Deutschland zurückgekommen und hat sich um die heranwachsenden Generationen bemüht, um ihnen Kenntnisse über das Judentum und das Schicksal der Juden in Deutschland anschaulich und verständlich zu vermitteln. Er besuchte mehrfach Oldenburg und unterstützte die Neugründung der dortigen jüdischen Gemeinde, er ging in Schulen und lehrte an deutschen Universitäten. Trepps zweite Frau, in Oldenburg geboren und später zum Judentum übergetreten, hat dieses Buch aus ihrer Verbundenheit heraus geschrieben. Sie erinnert an Leo Trepp und sein Leben in jüdischer Verankerung, an sein persönliches Charisma und an seine unbeirrbar humane Haltung und seine Aufgeschlossenheit.

Das Buch liest sich als Hommage. Es ist keine kritische Biographie, eher ein ausführlicher Nachruf. Gunda Trepp – als Journalistin und Autorin auch unter ihrem früheren Namen Gunda Wöbken-Ekert bekannt – schreibt nicht als Zeitzeugin, vielmehr als Nachgeborene, welche mit Leo Trepp dessen letzte Lebensjahre verbracht hat. Gelegentliche Wiederholungen fallen nicht ins Gewicht. Man braucht sich nicht an literarischen Schwächen oder am unklaren Umgang mit Quellen zu stören. Mit dem Lebensgang Trepps wird in persönlicher Sicht die jüdische Tragik im Deutschland des zwanzigsten Jahrhunderts vor dem Krieg und die Problematik jüdischer Gemeinden bis in die Gegenwart nachvollziehbar, insbesondere wenn man das Geschilderte mit Historischem zu verbinden weiß.


 

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