Das Trumpeltier!

Eine Erkundung
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Wikipedia verzeichnet die Spezies Trumpeltier nicht. Es liegt deshalb nahe, auf eine Nichtexistenz zu schließen. So einfach ist es aber leider nicht. Man kann bei bird-watching-Freaks nachfragen. Es gehört inzwischen unter Intellektuellen zum guten Ton, sich als Vogelbeobachter zu outen. Ein gewisser Jonathan Franzen, Autor dickleibiger Romane, ist ein Priester ästhetischer Andacht, wenn es etwa um die Rohrdommel geht. Jeder zweite Intellektuelle kann inzwischen den Ruf der Rohrdommel fehlerfrei minutenlang imitieren. Rohrdommelweibchen neigen deshalb verstärkt zur Hysterie. Und Psychotherapeuten wittern neue Kundschaft. Nachfragen bei den Vorsitzenden der eingetragenen Bird-watching-Vereine gaben keine Hoffnung. Rohrdommel? Ja. Der Zilpzalp? Auch. Aber keine zufällige Spur vom Trumpeltier. Dem Namen nach zu urteilen würde man auch nicht an ein geflügeltes Wesen denken, oder? Vielleicht sei es uns zu nahe, um es zu identifizieren, so der Tipp einer stellvertretenden Vorsitzenden aus dem Siegerland. In einer Hinsicht sind sich alle Befragten sicher: Es ist definitiv kein Yeti.

Im Internet kursiert nur eine Art Handbuch eines anonymen Coaches für Führungskräfte – nach eigenen Angaben ist er gelernter Zoowärter: Wie werde ich ein Trumpeltier!

Einige Lektionen will ich kurz vorstellen.

Starte deinen Tag mit einem zehnminütigen Elastizitätstraining auf dem Trumpolin. Deine Moves wirken dann im Alltag so elastisch, als würdest du mit einem Engel tanzen.

Liebe dein Trumpolin! Yes, please!

Zeige aber auch energisch deine kantige Männlichkeit. Wenn du in einer Gruppe stehst und Kameras oder Journalisten im Raum sind, drängele dich resolut nach vorne, richte das Sakko, schiebe das Kinn nach vorne, schnaube hörbar. Die Aufmerksamkeit gehört dir. Nur dir.

Körperspannung ist trumpf.

Überzeuge dich mit einem energischen Schlag auf deine linke Sakkojackentasche, ob du dein Handy griffbereit hast. Wann immer du Zeit findest, zwitschere rum. In knappen Sätzen. Mach klare Ansagen, die weitergezwitschert werden können. Kurz und krude. Benutze Ausdrücke wie: immer und nie. Vermeide jede politische Korrektheit. Kein Weicheierflöten. Kein Diplomatengedöns. Keine Selbstbeherrschung. Nie!

Twitter ist dein Trumpelpfad zur Macht.

Sei eine Welle, die alle mitreißt. Versuche die Welle auch im Erscheinungsbild zu verdichten. Etwa durch eine gewagte Oberkopf-Tolle. (Vier-Wetter-Taft ist als Stütze erlaubt. Aber Achtung: Meide Böen von vorne.)

Style den ästhetischen Trumphator.

Inszeniere das Leben als Deal. Mach alle und alles käuflich. Käuflich. Käuflich.

Du bist der Trumpeter des Deals. (Und erhebst Strafsteuern auf akademische Titel.)

Ich habe bei Theophrast, dem Lieblingsschüler von Aristoteles, nachgeschaut. Seine Charakterologie verzeichnet den „Schwafler“ oder den „Knickrigen“, kennt den „Gerüchtemacher“´, den „Verlogenen“ oder den „Schmeichler“, aber kein Charakterbild passt exakt auf das Trumpeltier. Offenbar haben sich die weisen Griechen solch einen Charakter gar nicht ausmalen können. Hoffentlich bleibt es bei dem Gerücht, dieser Charakter habe sich bereits in eine real existierende Person oder Cyborg oder in ein Mischwesen aus Vogel und Mensch verdichtet. Nicht auszudenken. Trumpocracy. Trumpocrazy. Wahnsinn!

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Klaas Huizing

Klaas Huizing ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Würzburg und Autor zahlreicher Romane und theologischer Bücher. Zudem ist er beratender Mitarbeiter der zeitzeichen-Redaktion.


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