Ein intelligentes Märchen

Der am Donnerstag anlaufende Spielfilm „Die zwei Päpste“ ist der kühne Traum eines wegweisenden Treffens zweier alter weiser Männer: eines amtierenden Papstes mit seinem Nachfolger in spe.

Der Spielfilm „Die zwei Päpste“, der am Donnerstag hierzulande anläuft, entwirft ein sehr positives Bild von Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. - und zeichnet die Geschichte seines Nachfolgers Franziskus, alias Jorge Bergoglio, faszinierend nach. Zwar ist der große Rahmen etwas sehr fiktiv, aber der Film überzeugt dennoch: vor allem durch die schauspielerischen Leistungen von Anthony Hopkins und Jonathan Pryce.

Hatte sich Georg Gänswein, Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., noch vor wenigen Wochen irre aufgeregt über den so scharfen wie schlüssigen Dokumentarfilm „Verteidiger des Glaubens“, dürften nun in Gänsweins vatikanischen Gemächtern die Champagnerkorken knallen. Denn Papst em. Benedikt erhält aus einer unerwarteter Ecke einen Freispruch erster, naja, sagen wir: zweiter Klasse. Während es „Verteidiger des Glaubens“ gelingt, die Schuld von Joseph Ratzinger an der Jahrzehnte langen Vertuschung des weltweiten Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche in eindrücklichen Analysen und Bildern zu belegen, kommt der nun anlaufende  Spielfilm „Die zwei Päpste“ einer Ehrenrettung gleich. In der Netflix-Produktion von Regisseur Fernando Meirelles (Regisseur von „City of God“) wird der einstige deutsche Papst Benedikt zwar nicht von dieser riesigen Unterlassungssünde frei gesprochen. Aber in „Die zwei Päpste“, das einem kammerspielhaften Märchen nahe kommt, wird Ratzinger als ein knorrig-verklemmter Intellektueller gezeichnet, der im Laufe des Films immer sympathischer wird und am Ende den Weg frei macht für eine Reform der Kirche, die Franziskus nun einigermaßen mutig angestoßen hat. Eine kühne Interpretation.

Aber der Reihenfolge nach: „Die zwei Päpste“ setzt an in der Spätphase des Pontifikats von Benedikt, etwa 2012, als ihm nach und nach klar wird, dass er mit dem Papstamt überfordert ist. Der Pontifex Maximus überlegt, recht bald zurück zu treten, ein historischer Entschluss zum Wohle der Kirche. Gleichzeitig erwägt Kardinal Jorge Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, seinen Rücktritt – und erhält eine Einladung von Papst Benedikt in dessen Sommerresidenz. Zunächst streiten sich die beiden Kirchenfürsten wie die Kesselflicker über den Kurs der Kirche. Im Laufe von rund zwei Tagen aber nähern sie sich immer weiter an. Ohne die Pointe des Films verraten zu wollen, wird klar, dass Benedikt in der Lesart des Films nicht der verstockte und humorlose Reformverweigerer ist, als der ihn viele sehen. Zugleich wird eindrücklich die Schuld dargestellt, die der zunächst so glänzend und sympathisch gezeichnete Jorge Bergoglio als Jesuitenoberer in Argentinien während der dortigen Militärjunta (1976 – 1983) auf sich geladen hat. Am Ende sehen wir zwei gebrochene Helden oder besser: einfache alte Männer, die beide der Vergebung bedürftig sind.

Das Ganze könnte kitschig, ja peinlich daher kommen, aber es ist vielmehr fesselnd, ja phasenweise mitreißend, aus zwei Gründen: Der eine ist das sehr clevere Drehbuch von Anthony McCarten, der spätestens mit dem mehrfach Oscar-preisgekrönten „Queen“-Film „Bohemian Rhapsody" seine dramaturgische Meisterschaft unter Beweis gestellt hat. Der andere Grund ist die atemberaubende Schauspielkunst von Jonathan Pryce und vor allem von Anthony Hopkins. Wie es Hopkins gelingt, mit ganz zarten Akzenten aus einem reaktionären und verschlossenen Kotzbrocken nach und nach einen fast liebenswerten und nur etwas weltfremden Intellektuellen mit feinem Humor zu machen, wäre einen zweiten Oscar für den vielfach ausgezeichneten britischen Schauspieler wert.

Faszinierend ist zudem das geschickte Spiel des Drehbuchs mit historischen Fakten und gut erdachten Fiktionen. So hat das für den Film zentrale Treffen von Ratzinger und Bergoglio 2012 so sicherlich nicht stattgefunden, von den Dialogen ganz zu schweigen – wobei man fairer Weise sagen muss, dass das Filmplakat auch nur verspricht, der Spielfilm sei „inspiriert von wahren Begebenheiten“. Aber wenn man das Treffen im Kinosaal verfolgt, hat man dank der großen Schauspielkunst der Hauptdarsteller und der klug ersonnenen Dialoge den Eindruck: Das Ringen der beiden Oberhirten könnte doch so stattgefunden haben – das ist schlüssig. Außerdem sind Details des Films, etwa manche Sätze von Bergoglio kurz vor seinem ersten Auftritt als Papst Franziskus Mitte März 2013 auf der Loggia des Petersdomes, genau so gefallen, nach allem, was man weiß. Das gilt auch für die Rückblenden in die Vergangenheit von Jorge Bergoglio während der mörderischen argentinischen Militärdiktatur. Eindrücklich und alles in allem sehr nahe an den bisher bekannten historischen Fakten erzählt „Die zwei Päpste“, wie Bergoglio zwei ihm unterstellten linken Jesuiten-Patres aus Trotz und Stolz den Schutz des Jesuiten-Ordens entzieht und sie so de facto in die Fänge des Militärs geraten lässt. Die Jesuiten Franz Jalics und Orlando Yorio wurden daraufhin monatelang in Haft gehalten. Sie wurden gefoltert und überlebten nur knapp. Diese Geschichte wurde im Kino noch nie gezeigt, allein diese Szenen lohnen die Suche nach einem Kino, in dem der Film läuft.

So ist „Die zwei Päpste“ zu empfehlen – wenn man ihn richtig einordnet: Es ist ein modernes Märchen, das das Herz erwärmt, eine lehrreiche, gute Unterhaltung. Ein gelungener Spielfilm, der im Großen intelligent erdacht und im Kleinen exakt recherchiert ist. Ratzinger wird positiver dargestellt, als er es verdient, Bergoglio etwas zu sehr zum Helden stilisiert. Aber wir wollen nicht rumkritteln. Der Film regt an zum Nachdenken, zum Diskutieren und zum Recherchieren, wie es denn wohl wirklich war. Man sollte ihn nicht verpassen.

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