Theologische Brandstiftung

Ein Kommentar zu Frischs Klimakrisenkritik auf zeitzeichen.net
Tischfeuerwerk
Foto: Flickr/Schrift-Architekt.de

Der Text „Zwischen Klimakrise und Klimahäresie“ des Nürnberger Theologieprofessors Ralf Frisch auf zeitzeichen.net sorgte für Aufregung. Nun unterzieht der Rostocker Systematische Theologe Hermann Diebel-Fischer Machart und Inhalt des Frisch-Textes einer scharfen Kritik.

Ralf Frisch kommentiert cum ira et studio für zeitzeichen.net unter der Überschrift Zwischen Klimahysterie und Klimahäresie. Kleines theologisches Spiel mit dem Feuer die Klimakrise, die er als »Klimahysterie« bezeichnet.

Es ist ein Aufkleber mit der Aufschrift ›Fuck you Greta!‹ (sic!), der Frisch in seinen Bann zieht und ihn darüber sinnieren lässt, ob er als Theologe sich »theologisch angemessen« verhielte, klebte er diesen Aufkleber auf sein Fahrzeug. Dieses Nachdenken ordnet Frisch als Provokation ein, die er um des Wahrgenommenwerdens willen begeht, um gleich darauf nach weiteren Gründen zu suchen. Frisch sieht seinen Verzicht auf den »provokanten Protest« als Resultat einer theologischen Affektkontrolle, will aber dennoch ein Fünkchen Wahrheit in der nicht vollzogenen Protestaktion erkennen und meint, diese theologisch begründen zu können. Frischs Kritik richtet sich nicht nur persönlich gegen Thunberg, die er als humorlose »Prophetin« des von ihm entdeckten »Klimagottes« beleidigt, sondern vornehmlich dagegen, dass seiner Ansicht nach der Klimawandel an die Stelle tritt, die durch die Säkularisierung freigeworden scheint – an etwas Großes zu glauben, mit allen Konsequenzen, die dies vermeintlich hat. Er sieht hier ein Konkurrenzverhältnis zwischen der Reaktion auf die von Thunberg – wissenschaftlich belegten und somit berechtigtermaßen – aufgezeigten Probleme und dem christlichen Glauben, der – so die Zahlen – sich gerade weniger eines konjunkturellen Aufschwungs erfreuen kann.

Ist es Trauer um das Verlorengehen einer volkskirchlichen Tradition, die hier zu einer theologisch verqueren Reaktion führt? Wenn die Sorge um den Klimawandel dem Protestantismus, zu dessen Kernidee die Unterscheidung von Gott und Welt gehört, tatsächlich als Konkurrenz erscheint – wie steht es dann um ihn? Wie Frisch vom »neuen Glauben« zu sprechen zeugt doch von einer durch Konkurrenzdenken generierten Vergessenheit darüber, was Glaube überhaupt bedeutet.

Die Gemengelage wird dort unübersichtlich, wo Frisch der evangelischen Kirche unterstellt, dass auch in ihren Reihen eine von ihm identifizierte, klimakrisenevozierte, demokratieverachtende Tendenz »schleichend an Plausibilität gewinnt«, denn »[…] es entsetzt [Frisch] geradezu, dass die Bereitschaft, einer Alles-oder-Nichts-Logik zu folgen und totalitär aufs Ganze zu gehen, gerade in der bundesdeutschen Gegenwart wieder fröhliche Urstände feiert.« Dass Forderungen einer gewissen Radikalität nicht entbehren dürfen, um überhaupt Gehör zu finden hat Frisch in seinem Text eingangs noch festgestellt – dann aber scheinbar unterwegs vergessen. Die unterstellte Protestantismuswidrigkeit einer nicht näher erklärten »Schuld-und-Sühne-Logik«, die im Zusammenhang mit Klimaschutzbestrebungen bestehe sowie der Vorwurf einer »schöpfungswidrig[en]« »Alles-oder-Nichts-Logik« sind tiefe Griffe in die theologische Werkzeugkiste – allerdings ohne Erfolg, denn mitnichten wollen sich die Menschen, deren Ziel es ist, die Klimakatastrophe irgendmöglich abzumildern, selbst zu Gott machen, noch haben sie zum Ziel, eine Religion zu etablieren.

Von Frisch als problematisch Wahrgenommenes wird von ihm zur Religion theologisiert und dann zur Häresie erklärt. Das ist eine perfide Abwehrstrategie, die man sich genauer ansehen muss. Sie dürfte politisch nicht neu sein und lässt protestantismustheoretisch alle Alarmglocken ob einer unbotmäßigen Inanspruchnahme theologischer Topoi schrillen. Frischs Parallelisierung alttestamentlicher Erzählungen über die menschliche Hybris wie Gott sein zu wollen mit der Klimaschutzbewegung ist exegetisch durchaus fragwürdig, wird aber richtig skurril, wenn er unter Verweis auf die Zwei-Regimente-Lehre eine theologisch legitimierte Kritik am Klimaschutzstreben zu konstruieren versucht.

Frischs Lamento, dass es keine dogmatischen Häresien, sondern nur noch ethische gebe, schlägt in eine ähnliche Kerbe wie die Forderung nach einer Entpolitisierung des Protestantismus, die oft nur der Abwehr einer bestimmten politischen Position dient. Seine Kritik, dass der Streit um ethische Fragen den um dogmatische abgelöst hat, rückt die nicht alternde, fundamentaltheologische Debatte darum, wie Ethik und Dogmatik zueinander stehen in den Fokus. Frisch will einen »Ethizismus unserer kirchlichen Gegenwart« ausmachen, vergisst dabei aber, das sämtliche dieser Fragen nie in einem dogmatischen Vakuum verhandelt werden, sondern immer mindestens implizite dogmatische Aushandlungen rückgebunden sind, die zweifellos auch jederzeit Gegenstand theologischer Aushandlungen werden können.

Aber schon der Vorwurf »ethischer Häresien« geht hier fehl, weil er das Bild eines Protestantismus zeichnet, in dem es nur die eine evangelische Handlungsoption gibt. Das ist schlicht falsch. Dass Frisch daraus dann die vermeintliche dogmatische Häresie eines menschgemachten Versuchs der Vorwegnahme eschatologischer Versprechen macht, wirkt nachgerade als Folgefehler. Frisch fordert sodann eine ›Ent-Eschatologisierung‹ zum Zwecke einer klareren Debatte: »Das eigentliche theologische Problem wäre dann also nicht die Frage, wie es um das Weltklima bestellt ist, sondern die Tatsache, dass ein neuer Glaube entstanden ist.« Hier schließt sich der Kreis. Die Forderung nach der Ent-Eschatologisierung kann überhaupt nur für denjenigen plausibel sein, der den Versuch einer Klimarettung als Akt menschlicher Anmaßung begreift. Die für Frisch offensichtlich unbequeme Klimaschutzbewegung, wird durch ihn zunächst religiös aufgeladen, damit er dann unter Zündung eines theologischen Tischfeuerwerks den Versuch einer Sprengung derselben vornehmen kann.

Wer sich als Theologe in Zeiten einer zunehmenden Entchristlichung und einer Infragestellung des eigenen Lebensstils durch andere an zwei Fronten angegriffen wähnt, darf sich – gerne auch offensiv – verteidigen. Die Strategie dazu will aber gut überlegt sein. Wenn ich, wie im law of the instrument beschrieben, mein Problem erst zum Nagel machen muss, weil ich nur einen Hammer habe, dann sollte ich sie überdenken.
Beinahe vernachlässigbar erscheint in diesem Lichte, dass theologisch Fragwürdiges politisch angereichert wird: Frisch bedient sich eines Potpourris von Ressentiments, wenn er den Klimawandel als geologisches Phänomen mit einem sozialen Klimawandel in Verbindung bringt. »Ökodiktatur« und die Wünsche vermeintlich privilegierter Stadtbewohner_innen werden hier als Motoren einer Wähler_innenwanderung zu den Rechten dargestellt – weil diese sich politisch anders nicht nur nicht mehr repräsentiert, sondern auch diskreditiert fühlen würden.

Frischs Strategie der Einhegung, der Betonung des dünnen Eises und des schmalen Grates, auf dem er sich bewege und die fortwährende Rede von sich selbst in der dritten Person kann man als schamhafte Distanzierung vom eigenen Machwerk in doppelter Hinsicht interpretieren – als vorweggenommene Distanzierung von der Beleidigung Thunbergs und als Distanzierung vom Text, der eben diese einer Reflexion unterziehen soll.

Ralf Frisch wollte gerne den ›Fuck you Greta‹-Aufkleber an sein Auto kleben, hat es aber wegen seiner »theologische[n] Affektkontrolle« nicht getan. Sein – zu einem nach Ansicht von zeitzeichen.net »streitbaren« Text geronnener – theologischer Irrweg offenbart dabei weitaus mehr als es der Aufkleber, der ans Auto sollte, je gekonnt hätte.
 

Der Text erschien zuerst auf dem Webportal Netzwerktheologie:

https://netzwerktheologie.wordpress.com/ueber-das-projekt/

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Hermann Diebel-Fischer

Hermann Diebel-Fischer ist evangelischer Theologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Systematische Theologie der Universität Rostock (Projekt: „Netz-Stabil“).


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