Frau an der Spitze

Sarah Mullally wird die neue Erzbischöfin von Canterbury
Sarah Mullally mit blonder Kurzhaarfrisur am Pult
Mit Sarah Mullally wird am 25. März 2026 erstmals eine Frau als geistliches Oberhaupt der anglikanischen „Kirche von England“ in ihr Amt eingeführt.

Die neue Erzbischöfin von Canterbury Sarah Mullally tritt kein leichtes Erbe an. Der Englandkenner Jürgen Wandel, evangelischer Theologe und ständiger Mitarbeiter von zeitzeichen, stellt sie vor. Und er beschreibt die anglikanische „Kirche von England“, die auf Kontinentaleuropäer mitunter eigenartig wirkt.

Mit Sarah Mullally, die seit 2018 Bischöfin der Diözese London der anglikanischen „Kirche von England“ (CoE) ist, wird erstmals eine Frau geistliches Oberhaupt der CoE. König Charles III., der weltliches Oberhaupt der englischen Nationalkirche ist, bestätigte Mullallys Berufung zur Erzbischöfin von Canterbury. Er folgte damit der Empfehlung der 17-köpfigen Königlichen Berufungskommission (CMC).

Sie nennt den Namen der Person, auf die sie sich mit einer Zweidrittelmehrheit geeinigt hat, dem Premierminister, und er leitet dies dem König zu. Weil der Erzbischof von Canterbury auch Ehrenvorsitzender der Anglikanischen Weltgemeinschaft ist, gehören der CMC jeweils ein Mitglied aus Afrika, Amerika, Asien, dem Nahen Osten und Kontinentaleuropa an.

Berufung bestätigt

Sarah Mullally wird am 25. März in der Kathedrale von Canterbury in ihr Amt eingeführt. Wie als Bischöfin von London ist die 63-Jährige auch in ihrer neuen Funktion Mitglied des Oberhauses, der ersten Kammer des britischen Parlaments. Ihm gehören 25 Bischöfe der CoE an.

Mullally folgt Justin Welby (69) nach, der zum gemäßigt-evangelikalen Flügel der CoE gehört. Der Erzbischof musste im vergangenen November zurücktreten, weil er der Polizei nicht einen Missbrauchsfall gemeldet hatte, von dem er nach seinem Dienstantritt 2013 erfuhr: Nach Erkenntnissen einer unabhängigen Kommission (Makin Review) lud der angesehene Kronanwalt (QC) John Smyth, der zum konservativ-evangelikalen Flügel der CoE gehörte, Jungen, die er bei den von ihm geführten Sommerlagern (Iwerne camps) kennenlernte, in sein Haus in Winchester ein. Dort peitschte er sie aus, bis sie oftmals bluteten. Smyth der 2018 starb, wurde nie vor Gericht gestellt.

Theologie berufsbegleitend

Die neue Erzbischöfin von Canterbury, die als Sarah Bowser in Woking bei London geboren wurde, ist mit dem Architekten Eamonn Mullally verheiratet und Mutter zweier Kinder.1999 wurde sie mit 37 Jahren die jüngste Leitende Krankenschwester (chief nurse) im britischen Gesundheitsministerium und für den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) zuständig. Berufsbegleitend absolvierte sie einen Diplomstudiengang Theologie, obwohl sie an einer Lese- und Rechtschreibschwäche leidet.

Als Bischöfin von London pflegte sie die Partnerschaft mit der berlin-brandenburgischen Landeskirche. Sarah Mullaly gilt als einfühlsame Seelsorgerin und Brückenbauerin zwischen den Flügeln der CoE. Das gelang ihr in London selbst mit anglikanischen Gemeinden, die dem traditionalistischen anglokatholischen Flügel angehören und die Frauenordination ablehnen. Aber beim konservativ-evangelikalen Flügel in der CoE und der Anglikanischen Weltgemeinschaft dürfte die neue Erzbischöfin von Canterbury auf Granit beißen. Sie lehnt zwar die kirchliche Trauung von schwulen und lesbischen Paaren ab (die zum Beispiel in der anglikanischen Kirche Schottlands (Scottish Episcopal Church) möglich ist, befürwortet aber ihre gottesdienstliche Segnung. 

Beim Streit, der in der CoE über Schwule und Lesben geführt wird, geht es letztlich um unterschiedliche, gegensätzliche Kirchenbilder. Die CoE versteht sich traditionell als Volkskirche (national church). Das heißt in der Sprache der Religionssoziologen: Zum Wesen der CoE gehört, dass sie einen „niederschwelligen“ Zugang bietet, also vom Einzelnen nicht ein persönliches Glaubensbekenntnis im Gottesdienst verlangt und einen besonderen Lebensstil im Alltag. Gleichzeitig bietet sie eine „hohe Belohnung“ in Gestalt von gut gestalteten Gottesdiensten bei Hochzeiten und Beerdigungen im Familienkreis und bei nationalen Ereignissen wie Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen im Hause Windsor. Und nicht zu vergessen die Kathedralen: Ihre Gottesdienste ziehen wegen der Niederschwelligkeit und der exzellenten Musik (wie beim Choral Evensong) nach wie vor viele Menschen an.

Kritik an der Berufung

Die Evangelikalen wollen die CoE dagegen faktisch zu einer konservativen Freikirche machen, die von Mitgliedern zum Beispiel das Bekenntnis verlangt, dass die Bibel mit dem Gottes Wort identisch und Homosexualität Sünde ist. Diese „hohe Hürde“ ist mit der „hohen Belohnung“ einer engen Gemeinschaft verbunden und der Sicherheit, genau zu wissen, was christlich ist und was nicht.

Mit Mullallys Haltung zu Schwulen und Lesben werden sich die Evangelikalen in der CoE und in der Anglikanischen Weltgemeinschaft nicht zufriedengeben. Der anglikanische Erzbischof von Ruanda Laurent Mbanda kritisierte ihre Berufung namens der in der konservativ-evangelikalen Vereinigung Gafcon zusammengeschlossenen anglikanischen Kirchen (vor allem in Afrika). Von denen seien die meisten überzeugt, dass das Bischofsamt gemäß der Bibel Männern vorbehalten sei, betonte der Erzbischof. Und Homosexualität halten dieses Kirchen ebenfalls für unbiblisch und eine Sünde.

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