Held? Verräter? Stauffenberg!

Ein Besuch in der Stauffenberg-Erinnerungsstätte im Alten Schloss in Stuttgart
Die Ausstellung zeigt die Widersprüche des Menschen Stauffenberg. Sein Cello ist zu sehen, neben seinem Ehrensäbel der Kavallerie.
Foto: Foto: Daniel Stauch Photography
Die Ausstellung zeigt die Widersprüche des Menschen Stauffenberg. Sein Cello ist zu sehen, neben seinem Ehrensäbel der Kavallerie.

Nicht größer und höher als eine Lastwagengarage ist das Kellergewölbe im Alten Schloss in Stuttgart, in das das Haus der Geschichte Baden-Württembergs die Stuttgarter Stauffenberg-Erinnerungsstätte eingebaut hat. Der Hitler-Attentäter Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg verbrachte im Schloss seine Kind- und Schulzeit, wohnte er doch mit Eltern und Geschwistern in der Dienstwohnung des Vaters als einstiger Oberhofmarschall im dritten Stock. Im hinteren Teil des Kellerraumes steht wie ein Billardtisch ein großer Tisch, der es in sich hat: Auf einem liegenden Whiteboard sind die Ereignisse des 20. Juli 1944 und die Nacht zum 21. Juli auf Tastendruck abrufbar. Die Dramatik des Attentats in Minutenschritten. Wer sich drauf einlässt, ist wie in einem Krimi live dabei. Aber nicht nur die letzten Stunden Stauffenbergs sind erlebbar, wann und wo die Größen des „Dritten Reiches“ sich an diesem Tag befanden, ist ebenfalls visualisiert.

Die Ausstellung zeigt die Widersprüche des Menschen Stauffenberg. Sein Cello ist zu sehen, neben seinem Ehrensäbel der Kavallerie. Nach dem Abitur 1926 trat der 1907 geborene Stauffenberg seine Offiziersausbildung an. Liberal erzogen, der Bündischen Jugend zugeneigt, gehörte er bereits als Schüler 1923 einem exklusiven Literaturkreis an. Sehr esoterisch ging es um das „geheime“ Deutschland. Zu sehen ist eine von Stauffenberg mitverfasste und korrigierte Selbstverpflichtung der späteren Widerständler, die ganz im Sprachduktus Georges verfasst ist. Hinter den Türen eines Schrankes verbergen sich Porträts und Steckbriefe von Weggefährt:innen. Aber auch von Opfern. Stauffenberg war begeisterter Kriegsteilnehmer und organisierte die Eroberung Warschaus mit. Auf der Entbindungsstation im Warschauer Krankenhaus wurde Zofia Machelak von einer deutschen Bombe zerrissen. Auch ihr Porträt ist im Klappenschrank zu sehen. Genauso wie das Porträt der siebenjährigen Mania Halef. Sie wurde mit 30 000 anderen Jüdinnen und Juden 1941 im Tal von Babyn Jar bei Kiew erschossen. Als Stauffenberg im Jahr darauf von einem Freund von diesen und anderen deutschen Kriegsverbrechen hörte, begann sein Widerstand.

Medial wird das begleitet mit Filmen. Einer zeigt die Begegnung von Gymnasiasten aus Deutschland und Polen im ehemaligen Führerhauptquartier Wolfsschanze (heute Kretzyn in Polen), der andere die Begegnung zwischen deutschen und israelischen Gymnasiasten am Ort der Erschießung Stauffenbergs im Bendlerblock in Berlin. Medial sind auch die Hörstation darüber, wie Stauffenberg in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren eingeschätzt wurde: vom Verräter zum Helden? Insgesamt entsteht so ein Bild der Gegensätze der Persönlichkeit Stauffenbergs, in seiner Person und in seiner Rolle in der Geschichte.

Mutig ist eine Vitrine, die zeigt, wie Stauffenberg heute gesehen wird. Für die neuen Rechten ist er immer noch ein Verräter. Das zeigt man heute auf T-Shirts. Oder man vereinnahmt ihn und dreht damit die Geschichte um: Unter „Stauffenberg 2.0“ oder „Operation Walküre 2.0“ nimmt man ihn nun als Vorreiter des Widerstandes gegen die Demokratie.

Und die Polen? Der polnische Lego-Konkurrent Cobi brachte ein Modell des Generalstabswagens „Horch 901“ im Maßstab 1:35 heraus. Mitsamt Stauffenberg-Modell mit Bombe. Es war sofort weltweit ausverkauft.

Die Erinnerungsstätte zeigt den Attentäter Stauffenberg in all seinen Widersprüchen. Durch die gelungene mediale Aufarbeitung der Zeit bis heute wird das plastisch und erlebbar. So muss Museumspädagogik heute mindestens aussehen. 

Information
Stauffenberg-Erinnerungsstätte, Stauffenberg-Platz, 70173 Stuttgart (Hintereingang des Alten Schlosses, am Karlsplatz), geöffnet Donnerstag– Sonntag, 10–17 Uhr, Eintritt frei.

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