„Wo ist der Klimawandel, wenn man ihn mal braucht?“, klagte an einem verregneten Juli-Tag voller Selbstironie ein sonnenhungriger Freund, der gerne auf dem Balkon gefrühstückt hätte. Natürlich wusste auch er, dass Wetter kein Klima ist, niemand den Klimawandel wirklich braucht und der Blick auf das ausnahmsweise mal regennasse Berlin ein sehr eingeschränkter ist (siehe Seite 12). Doch der Sommer 2025 war laut Deutschem Wetterdienst (DWD) hierzulande tatsächlich ein „An-aus-Sommer“. Und dennoch deutlich wärmer als früher. Die Mitteltemperatur lag laut DWD bei zwei Grad über dem früheren Durchschnittswert zwischen 1961 und 1990, der international gültigen Referenzperiode.
Es gibt also keinen Grund, beim Klimaschutz auf den „An-aus“-Modus zu schalten und den Schalter umzulegen. Doch in der Bundespolitik scheint genau das gerade Ziel. Der Verkehrssektor schafft Jahr für Jahr seine Klimaziele nicht. Doch statt E-Autos besser zu fördern als bisher, weicht nun Bundeskanzler Friedrich Merz durch den Euphemismus „Technologieoffenheit“ auf der Automobilmesse IAA das beschlossene Aus für Verbrennermotoren auf. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hält die erneuerbaren Energien für „überfördert“ und will lieber mit vielen neuen Gaskraftwerken in die Zukunft gehen. Und auf EU-Ebene verhindert die Bundesregierung, dass nicht, wie geplant, die Umweltminister über die neuen Reduktionsziele entscheiden, wo eine einfache Mehrheit genügt hätte. Stattdessen sollen dies nun einstimmig die Staats- und Regierungschef im Oktober tun, was nicht nur an Ungarns Victor Orban scheitern dürfte.
Keine guten Signale für die nächste UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém. Dabei müsste diese nach den sehr unbefriedigenden Ergebnissen der letztjährigen Konferenz in Baku der weltweiten Klimapolitik eigentlich neuen Schwung geben. Sind die Staaten auf Kurs bei der Erreichung des vereinbarten Ziels, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen? Bekommen die Länder des Südens deutlich mehr Geld für Klimaschutzmaßnahmen als bislang vereinbart? Und bekommen sie die jetzt schon entstandenen und künftigen Schäden durch den Klimawandel erstattet? Um diese Fragen wird es gehen in Belém und die Kirchen sind mit „Brot für die Welt“ und anderen Organisationen vor Ort, um die Position derjenigen zu stärken, die am meisten unter dem Klimawandel leiden.
Doch auch hierzulande können und sollten die Landeskirchen und ihre Gemeinden nicht der Versuchung erliegen, beim Klimaschutz den Schalter umzulegen. Denn nichts ist überzeugender, als selber mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Klimaroadmap der EKD kommt nun in die konkrete Phase, sie gilt es, auf der Synodaltagung im November erneut zu stärken. Und vor Ort gilt es, sich weiter auf höhere Temperaturen einzustellen und etwa im nächsten Sommer noch mehr Kirchen als bisher als kühle Orte in der Stadt anzubieten. Das ist nicht nur ein konkreter Beitrag zur Arbeit im Sozialraum, sondern auch eine Chance für Gemeinden, mit denen ins Gespräch zu kommen, die sonst vielleicht nicht mehr den Weg in die Kirche finden. Auch dazu hätten wir den Klimawandel nicht gebraucht. Aber wir können ihn schon dafür nutzen.
Stephan Kosch
Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".