Am 1. Oktober 2000, am Beginn des neuen Jahrtausends, erschien die erste Ausgabe unserer Zeitschrift zeitzeichen. Reinhard Mawick, Chefredakteur seit 2014, hat notiert, was ihm anlässlich dieses Jubiläums zu zeitzeichen im Speziellen und zum Phänomen der Evangelischen Publizistik im Allgemeinen bedenkens- und bemerkenswert erscheint.
Fünf Jahre ist es erst her, dass zeitzeichen ein besonderes Jubiläum feierte, nämlich das zwanzigjährige. Schon damals, 2020, war eigentlich für den 1. Oktober ein fröhlicher Abend mit netten Gästen geplant, aber der musste ausfallen, denn die Coronapandemie hatte das Land im Griff. Dieses Schicksal bleibt uns diesmal, so viel darf man drei Wochen vorher prophezeien, erspart. Obwohl gerade am heutigen Tag, da ich diese Zeilen schreibe, auf der Titelseite der BILD eine Meldung mit der Überschrift „Experten befürchten Anstieg der Corona-Infektionen“ zu lesen ist …
25 Jahre, ein Vierteljahrhundert lang, gibt es zeitzeichen. Bereits 2020 hatte ich, wie zuvor schon im Jahre 2010 mein geschätzter Vorgänger im Amt des Chefredakteurs, Helmut Kremers, in einem Artikel die Geschichte beziehungsweise besonders die Vorgeschichte von zeitzeichen versucht, zu skizzieren. Dies soll auch jetzt geschehen, allerdings anders als in den Vorgängerbeiträgen 2010 und 2020 in arg verkürzter Weise, denn Gegenwart und Zukunft sind doch wichtiger.
Vier Vorgänger
Also: zeitzeichen hatte vier Vorgängerpublikationen, deren Namen, so viel Zeit muss sein, hier in Gänze genannt werden sollen: Es waren dies Die Zeichen der Zeit und die Lutherische(n) Monatshefte, die bereits kurz vor dem Jahr 2000 zur Doppelpublikation Die Zeichen der Zeit/Lutherische Monatshefte fusionierten, die Evangelischen Kommentare und die Reformierte Kirchenzeitung. Die Verantwortlichen dieser Presseorgane entschlossen sich Ende der 1990er-Jahre, aus vieren, beziehungsweise dann dreien, eins zu machen. Der Grund lag auf der Hand: Es waren alles Publikationen, die monatlich erschienen und die sich an ein ähnliches Publikum richteten, nämlich Menschen, die an „Evangelische(n) Kommentaren zu Religion und Gesellschaft“, so bis heute unser Untertitel, interessiert sind. Ein Publikum, das nicht unbedingt oder nicht unbedingt nur auf der einsamen intellektuellen Höhe und den Fußnotenfriedhöfen theologischer Fachzeitschriften surfen, aber dennoch immer wieder grundsätzliche theologische Diskussionen und Debatten verfolgen wollte und gerne auch mehrere Meinungen dabei zur Kenntnis nahm. PS: Auch feine innerprotestantische konfessionelle Differenzen, die Jahrzehnte zuvor zur Gründung jeder einzelnen der vier Zeitschriften geführt hatten, spielten schon Ende der 1990er-Jahre keine Rolle mehr.
So, das war’s aus der älteren Geschichte. Und wen das Historische um die Entstehung von zeitzeichen etwas genauer interessiert, der oder die lese gerne den 2020er-Beitrag nochmal nach . Dass es so schnell und einfach ist, als zeitzeichen-Abonnent und -Abonnentin einen Artikel von früher nachzulesen, im günstigen Falle mit einem Klick, das lag im Oktober 2000, als zeitzeichen das Licht der Welt erblickte, jenseits des Vorstellbaren. Natürlich, wer die Hefte eifrig sammelte, konnte alles Gewesene aus dem Bücherregal ziehen, aber das wären jetzt immerhin schon dreihundert Ausgaben zuzüglich der dreihundertundersten, die Sie gerade lesen.
Kaum zu glauben ist aus heutiger Warte, dass zeitzeichen erst geschlagene zehn Jahre nach der Entstehung überhaupt einen Internetauftritt bekam (www.zeitzeichen.net). Allerdings wurde dort jahrelang „nur“ der Heftinhalt eins zu eins nachgestellt. Na ja, besser als nichts, mag man denken. Aber für ein gedrucktes Monatsmagazin immer wieder schwierig, sind es doch mindestens 14 Tage, die von der Drucklegung bis zum Erscheinen vergehen. Und diese produktionstechnisch notwendige Frist wird, und manche unser Leserinnen und Leser monieren das zu Recht, seit einiger Zeit von dem doch mehr und schwächelnden Service der Deutschen Post noch gerne einen Tick verlängert. Aber wie auch immer, mit der Echtzeit der Veröffentlichung von Inhalten im Internet kann die Auslieferung eines sorgfältig gedruckten, vierfarbigen Magazins in Sachen Tempo natürlich nicht mithalten.
Lange Spanne
So begann auch zeitzeichen, zuerst eine kurze Weile bereits 2015, aber dann seit 2019 regelmäßig, Onlinetexte zu veröffentlichen, um die lange Spanne eines Monats zwischen einem Heft und dem anderen durch aktuelle Beiträge zu überbrücken. Das z(w)eitzeichen war geboren. Damals dachten wir dabei meist an Berichte von Veranstaltungen oder besonderen Ereignissen, die von Interessierten möglicherweise auch noch ein paar Wochen später gerne gelesen werden, von denen es generell aber besser wäre, sie stünden einen oder zumindest nur wenige Tage danach bereit. Sonst steht man auch als ausgeruhte Monatspublikation schlecht da, besonders, wenn es sich um öffentliche Ereignisse handelt, die in aller Munde sind. Dann hat unser geschätztes Publikum ähnliche Beiträge schon längst woanders gelesen, bevor das gedruckte Heft sie erreicht. Nur ein Beispiel: Wenn man den Ausgang einer Bundestagswahl kommentiert, dann sollte das tunlichst am Tag danach geschehen. Dann überholt zeitzeichen.net sogar die gedruckten Tageszeitungen, die aufgrund des frühen Andrucks das Ergebnis von Wahlen häufig im Print erst zwei Tage später veröffentlichen können.
Noch mehr aber als in Berichten über tagesaktuelle Veranstaltungen, deren bundesweite Wahrnehmung für uns als kleine Berliner Redaktion nicht so einfach ist, entfalten sich die Möglichkeiten des z(w)eitzeichens besonders auf dem Feld der Debatte. Denn der Protestantismus ist, wie der Name schon sagt, dem Streit nicht abgeneigt. Hier können wir auf einige Debatten in den vergangenen sechs Jahren zurückblicken, die es in sich hatten, und die in dieser Fülle und Vielfalt in einem monatlichen Printmagazin allein nicht zu führen sind, wie zum Beispiel zuletzt über umstrittene Thesen zur Theologie Dietrich Bonhoeffers (siehe zz 4/2025).
So schön diese neue Vielfalt ist und so gut es ist, variabel und auch schneller auf Themen zu reagieren – es ist nicht ganz leicht, das alles mit dem vorhandenen Personal, das ursprünglich „nur“ auf die Konzeption und Herstellung von zwölf Printmagazinen ausgerichtet war (und bisher numerisch nicht angewachsen ist), zu bewältigen. Immerhin sind jetzt bereits mehr als 1 000 (in Worten: eintausend) Beiträge erschienen, zusätzlich zu den gedruckten Artikeln im Heft. Das macht Arbeit, auch wenn es Spaß macht …
Evangelische Publizistik
Keinen Spaß macht es allerdings zu sehen, dass sich die kirchliche Publizistik in schweren Fahrwassern bewegt: Einige Kirchengebietszeitungen wurden in den vergangenen Jahren eingestellt, andere wurden umgeformt und erscheinen nur noch monatlich. Und natürlich sinken allerorts die Zahlen der Abonnentinnen und Abonnenten. Das hat die evangelische Presse keinesfalls exklusiv, das geht ja dem säkularen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt ähnlich. Dass die Digitalisierung hier voranschreitet und weiter voranschreiten wird, ist seit Jahrzehnten zu beobachten. Allerdings lässt sich leider immer noch nicht mit digitalen Produkten auch nur annähernd so viel Geld verdienen wie mit Print, und das, obwohl die Verkaufszahlen für Druckanzeigen schon seit langem im Sinkflug begriffen sind. Dass hier auf Sicht doch einträglichere Lösungen gefunden werden, wird immer dringlicher.
Dringlich aber ist vor allem, dass der Qualitätsjournalismus bewahrt bleibt, denn ohne ihn kann eine offene demokratische Gesellschaft schwerlich existieren. Und Qualitätsjournalismus hat sich im bitte fairen, aber doch auch notwendigerweise harten Meinungsstreit zu bewähren und auszutarieren. Dabei spielt die freie Presse eine unersetzbare Rolle. Wie verhängnisvoll Entwicklungen verlaufen können, deutet sich mittlerweile in den USA an und ist in totalitären Systemen schon längst zu betrachten. Dass hier eine echte Gefahr droht, auch in unserem Land angesichts des zunehmenden Einflusses extremistischer und polarisierender Kräfte, ist evident. Doch aus diesem Grunde den Streit der Meinungen zu vermeiden, wäre die völlig falsche Lösung! Streit muss sein, zur Not auch harter Streit. Und das gilt natürlich auch für die evangelische Kirche, als deren Teil sich die Evangelische Publizistik versteht, auch und gerade in ihrem journalistisch geprägten Bereich.
Weisungsfrei und unabhängig
Der zunehmenden Tendenz von Kirchenleitungen, zu meinen, reine Öffentlichkeitsarbeit und bloße Werbung für die Institution, und sei sie handwerklich noch so gut gemacht, reiche aus in Sachen Medienarbeit, ist entschieden zu widersprechen. Nur journalistische Evangelische Publizistik mit weisungsfreien, unabhängigen Redaktionen ermöglicht den notwendigen Meinungsstreit und Diskurs. Nur sie trägt wesentlich zur notwendigen und fruchtbaren institutionellen Selbstkritik unserer Kirche bei. Dies wird immer wichtiger, desto weniger kompetent und desto weniger überhaupt andere, säkulare Medien Christentum, Glaube und Kirche zum Thema machen.
Wir von zeitzeichen jedenfalls freuen uns auf das nächste Vierteljahrhundert der journalistisch-publizistischen Reise, und wir danken ausdrücklich unseren Gesellschaftern, das sind zum Glück sämtliche evangelischen Landeskirchen in Deutschland unter dem Dach der jeweiligen konfessionellen Bünde, für alle Unterstützung. Ganz besonders aber danken wir Ihnen, liebe Abonnentinnen und Abonnenten, dass Sie durch Ihr Investment unsere Arbeit entscheidend ermöglichen. In diesem Sinne: ad multos annos!
Literaturempfehlung
Reinhard Mawick/Willi Wild (Hg.): Evangelische Publizistik – wohin? Geschichte, Beispiele und Zukunft kirchlicher Medienarbeit. Wartburg Verlag, Weimar 2024, 258 Seiten, Euro 20,–.
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.